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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881.

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3. Periode. Von Yoritomo's Tod bis zur Dynastie der Ashikaga etc.
nun auch ihr zweiter und einziger Sohn seine Stellung verlieren sollte,
den Intriguen ihres Vaters ein Ende machte. Hiraga-Tomomasa wurde
bald darauf ermordet, dann starb sein Kind, wie man annahm, keines
natürlichen Todes, sondern nach dem Willen der Masago.

Sanetomo war nach Neigung und Erziehung ein Weichling. Kin-
dische Spiele und den Umgang mit Frauen zog er jeder männlichen
Bestrebung vor und war desshalb unmündig an Geist und Willen,
auch dann noch, als er dem Alter und Gesetze nach hätte selbständig
sein können. Nichts destoweniger befürchtete Yoshitoki, seinen Ein-
fluss zu verlieren, und trachtete danach, ihn zu beseitigen. Das Mittel
war wieder der Mord und der Ausführende jener Priester Kugio, der
Neffe des Sanetomo, der mittlerweile zum Manne herangewachsen
war. Er hatte immer Sanetomo als Mörder seines Vaters angesehen
und diesen zu rächen als grösste Kindespflicht und Ziel seines Lebens
erkannt und war darin von Yoshitoki insgeheim bestärkt worden,
obwohl dieser sich sagen konnte, dass nicht der zwölfjährige Sanetomo,
sondern sein Grossvater Tokimasa der intellectuelle Urheber der Er-
mordung des Yoshiiye gewesen war.

Das Nähere über das Ende des Shogun Sanetomo berichtet Rai
Saniyo
im Nihon Guai-shi *), wie folgt:

Sanetomo hatte den 27. Januar 1219 Abends 9 Uhr als die Zeit
bestimmt, zu welcher er sich, einer alten Sitte seiner Vorgänger
folgend, zum Tempel (des Kriegsgottes Hachiman) Tsurugaoka, an
welchem Kugio Priester war, begeben wollte, um seine Andacht zu
verrichten. Vor seinem Weggang aus dem Schlosse trat sein alter
Diener Hirotomo an ihn heran und sagte: "Bisher hat dein Diener
selten Thränen vergossen und jetzt vergiesst er sie, ohne irgend eine
Ursache angeben zu können. Furcht erfüllt deinen Diener. Als der
verstorbene taisho (grosse General, nämlich Yoritomo) den Todaiji
(Tempel in Nara) einweihte, trug er aus Vorsicht einen Panzer unter
seinen Kleidern. Mögest du, mein Fürst, dieses Beispiel nachahmen
und nicht zu rasch handeln!" Minamoto no Nakaakira ant-
wortete (anstatt des Shogun): "Daijin **) und taisho können keine

*) Das Geschichtswerk Nihon Guai-shi erschien im Jahre 1827. Sein Ver-
fasser hatte 20 Jahre daran gearbeitet. Es ist das Hauptwerk über die Geschichte
der Militärfamilien Taira, Minamoto. Hojo, Ashikaga etc. Der leitende Gedanke,
in welchem es verfasst wurde, ist der, dass der Mikado der eigentliche recht-
mässige Herrscher des Landes ist und die Stellungen der Feudalherren mit dem
Shogun an der Spitze usurpierte sind.
**) Sanetomo hatte vom Mikado den Civilrang U-daijin und den Militärrang
Shogun oder Taisho.

3. Periode. Von Yoritomo’s Tod bis zur Dynastie der Ashikaga etc.
nun auch ihr zweiter und einziger Sohn seine Stellung verlieren sollte,
den Intriguen ihres Vaters ein Ende machte. Hiraga-Tomomasa wurde
bald darauf ermordet, dann starb sein Kind, wie man annahm, keines
natürlichen Todes, sondern nach dem Willen der Masago.

Sanetomo war nach Neigung und Erziehung ein Weichling. Kin-
dische Spiele und den Umgang mit Frauen zog er jeder männlichen
Bestrebung vor und war desshalb unmündig an Geist und Willen,
auch dann noch, als er dem Alter und Gesetze nach hätte selbständig
sein können. Nichts destoweniger befürchtete Yoshitoki, seinen Ein-
fluss zu verlieren, und trachtete danach, ihn zu beseitigen. Das Mittel
war wieder der Mord und der Ausführende jener Priester Kugiô, der
Neffe des Sanetomo, der mittlerweile zum Manne herangewachsen
war. Er hatte immer Sanetomo als Mörder seines Vaters angesehen
und diesen zu rächen als grösste Kindespflicht und Ziel seines Lebens
erkannt und war darin von Yoshitoki insgeheim bestärkt worden,
obwohl dieser sich sagen konnte, dass nicht der zwölfjährige Sanetomo,
sondern sein Grossvater Tokimasa der intellectuelle Urheber der Er-
mordung des Yoshiiye gewesen war.

Das Nähere über das Ende des Shôgun Sanetomo berichtet Rai
Saniyo
im Nihon Guai-shi *), wie folgt:

Sanetomo hatte den 27. Januar 1219 Abends 9 Uhr als die Zeit
bestimmt, zu welcher er sich, einer alten Sitte seiner Vorgänger
folgend, zum Tempel (des Kriegsgottes Hachiman) Tsurugaoka, an
welchem Kugiô Priester war, begeben wollte, um seine Andacht zu
verrichten. Vor seinem Weggang aus dem Schlosse trat sein alter
Diener Hirotomo an ihn heran und sagte: »Bisher hat dein Diener
selten Thränen vergossen und jetzt vergiesst er sie, ohne irgend eine
Ursache angeben zu können. Furcht erfüllt deinen Diener. Als der
verstorbene taishô (grosse General, nämlich Yoritomo) den Tôdaiji
(Tempel in Nara) einweihte, trug er aus Vorsicht einen Panzer unter
seinen Kleidern. Mögest du, mein Fürst, dieses Beispiel nachahmen
und nicht zu rasch handeln!« Minamoto no Nakaakira ant-
wortete (anstatt des Shôgun): »Daijin **) und taishô können keine

*) Das Geschichtswerk Nihon Guai-shi erschien im Jahre 1827. Sein Ver-
fasser hatte 20 Jahre daran gearbeitet. Es ist das Hauptwerk über die Geschichte
der Militärfamilien Taira, Minamoto. Hôjô, Ashikaga etc. Der leitende Gedanke,
in welchem es verfasst wurde, ist der, dass der Mikado der eigentliche recht-
mässige Herrscher des Landes ist und die Stellungen der Feudalherren mit dem
Shôgun an der Spitze usurpierte sind.
**) Sanetomo hatte vom Mikado den Civilrang U-daijin und den Militärrang
Shôgun oder Taishô.
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[281/0307] 3. Periode. Von Yoritomo’s Tod bis zur Dynastie der Ashikaga etc. nun auch ihr zweiter und einziger Sohn seine Stellung verlieren sollte, den Intriguen ihres Vaters ein Ende machte. Hiraga-Tomomasa wurde bald darauf ermordet, dann starb sein Kind, wie man annahm, keines natürlichen Todes, sondern nach dem Willen der Masago. Sanetomo war nach Neigung und Erziehung ein Weichling. Kin- dische Spiele und den Umgang mit Frauen zog er jeder männlichen Bestrebung vor und war desshalb unmündig an Geist und Willen, auch dann noch, als er dem Alter und Gesetze nach hätte selbständig sein können. Nichts destoweniger befürchtete Yoshitoki, seinen Ein- fluss zu verlieren, und trachtete danach, ihn zu beseitigen. Das Mittel war wieder der Mord und der Ausführende jener Priester Kugiô, der Neffe des Sanetomo, der mittlerweile zum Manne herangewachsen war. Er hatte immer Sanetomo als Mörder seines Vaters angesehen und diesen zu rächen als grösste Kindespflicht und Ziel seines Lebens erkannt und war darin von Yoshitoki insgeheim bestärkt worden, obwohl dieser sich sagen konnte, dass nicht der zwölfjährige Sanetomo, sondern sein Grossvater Tokimasa der intellectuelle Urheber der Er- mordung des Yoshiiye gewesen war. Das Nähere über das Ende des Shôgun Sanetomo berichtet Rai Saniyo im Nihon Guai-shi *), wie folgt: Sanetomo hatte den 27. Januar 1219 Abends 9 Uhr als die Zeit bestimmt, zu welcher er sich, einer alten Sitte seiner Vorgänger folgend, zum Tempel (des Kriegsgottes Hachiman) Tsurugaoka, an welchem Kugiô Priester war, begeben wollte, um seine Andacht zu verrichten. Vor seinem Weggang aus dem Schlosse trat sein alter Diener Hirotomo an ihn heran und sagte: »Bisher hat dein Diener selten Thränen vergossen und jetzt vergiesst er sie, ohne irgend eine Ursache angeben zu können. Furcht erfüllt deinen Diener. Als der verstorbene taishô (grosse General, nämlich Yoritomo) den Tôdaiji (Tempel in Nara) einweihte, trug er aus Vorsicht einen Panzer unter seinen Kleidern. Mögest du, mein Fürst, dieses Beispiel nachahmen und nicht zu rasch handeln!« Minamoto no Nakaakira ant- wortete (anstatt des Shôgun): »Daijin **) und taishô können keine *) Das Geschichtswerk Nihon Guai-shi erschien im Jahre 1827. Sein Ver- fasser hatte 20 Jahre daran gearbeitet. Es ist das Hauptwerk über die Geschichte der Militärfamilien Taira, Minamoto. Hôjô, Ashikaga etc. Der leitende Gedanke, in welchem es verfasst wurde, ist der, dass der Mikado der eigentliche recht- mässige Herrscher des Landes ist und die Stellungen der Feudalherren mit dem Shôgun an der Spitze usurpierte sind. **) Sanetomo hatte vom Mikado den Civilrang U-daijin und den Militärrang Shôgun oder Taishô.

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881, S. 281. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/307>, abgerufen am 21.05.2024.