Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881.

Bild:
<< vorherige Seite

I. Geschichte des japanischen Volkes.
Yoshitoki, Yasutoki, Hirotoki, Tsunetoki, Tokiyori, Masatoki, Toki-
mune, Sadatoki, Morotoki, Takatoki und Moritoki) waren ohne Zweifel
tüchtige Männer, welche dem Lande manchen grossen Dienst leisteten,
dennoch ist das Gesammturteil, welches die Nachwelt über die
Tyrannei der Hojo gefällt hat, ein recht ungünstiges; die Familie
steht bei den Japanern in noch schlechterem Andenken als die Taira,
von denen sie abstammten. Sie führten somit ihre Herkunft ebenfalls
auf den fünfzigsten Mikado, Kuwammu-Tenno, zurück und nannten
sich Hojo nach ihrem Stammsitze in Idzu, wo einer ihrer Vorfahren
sich niedergelassen hatte.

Unter den Hojo, insbesondere den besseren, welche während des
13. Jahrhunderts regierten, entwickelten die buddhistischen Mönche
in ihren Klöstern die grösste Macht. Das Bemühen verschiedener
Shukken, dieselbe zu brechen und die Mönche auf die Beschäftigung
mit Wissenschaft und Künsten zu beschränken, blieb erfolglos. Der
Friede, welchen das Land im ganzen während des 13. Jahrhunderts
genoss und in dessen Gefolge ein neuer materieller und geistiger Auf-
schwung unverkennbar ist, wurde zeitweise durch kleine Aufstände
unterbrochen, welche in der Regel von jenen ausgingen, im Volke
keinen Hinterhalt hatten und leicht unterdrückt wurden.

Als Yoriiye 1204 auf Anstiften seines Grossvaters und seiner
eigenen Mutter, wie man allgemein annahm, im Bade ermordet wurde,
zählte sein jüngerer Bruder, der unter dem Namen Sanetomo das
Shogunat ererbt hatte, nur 12 Jahre, während von den beiden hinter-
lassenen Söhnen des Yoriiye der ältere Namens Kugio nur fünf Jahre
alt war. Diesen adoptierte Sanetomo und liess ihn dann in einem
Kloster zum Priester erziehen. Hojo Tokimasa, jetzt 68 Jahre alt,
hatte endlich durch seine vielen verwerflichen Handlungen selbst die
Geduld und das Vertrauen seiner Tochter Masago ganz erschöpft.
Er wurde genöthigt, Kamakura zu verlassen (1205), zog sich nach
Idzu in ein Kloster zurück, wo er als Mönch geschorenen Kopfes
noch 11 Jahre lebte. (Ein solches Klosterleben hatte indess mit den
ascetischen Regeln mancher späteren Buddhaklöster nichts gemein.)
Als Shukken folgte ihm sein Sohn Yoshitoki. Die unmittelbare
Ursache von Tokimasa's Verbannung war indess das Bestreben des-
selben, den Sohn einer Stiefschwester der Masago, welche er einem
gewissen Hiraga Tomomasa zur Frau gegeben hatte, ein unmün-
diges Kind, an Stelle des Sanetomo zu setzen. Schon hatte er vom
Mikado die Verleihung des Namens Minamoto an seinen Enkel Hiraga
erwirkt und war auf dem besten Wege, das Erbe des Yoritomo auf
eine ganz andere Familie überzuspielen, als Masago, entrüstet, dass

I. Geschichte des japanischen Volkes.
Yoshitoki, Yasutoki, Hirotoki, Tsunetoki, Tokiyori, Masatoki, Toki-
mune, Sadatoki, Morotoki, Takatoki und Moritoki) waren ohne Zweifel
tüchtige Männer, welche dem Lande manchen grossen Dienst leisteten,
dennoch ist das Gesammturteil, welches die Nachwelt über die
Tyrannei der Hôjô gefällt hat, ein recht ungünstiges; die Familie
steht bei den Japanern in noch schlechterem Andenken als die Taira,
von denen sie abstammten. Sie führten somit ihre Herkunft ebenfalls
auf den fünfzigsten Mikado, Kuwammu-Tennô, zurück und nannten
sich Hôjô nach ihrem Stammsitze in Idzu, wo einer ihrer Vorfahren
sich niedergelassen hatte.

Unter den Hôjô, insbesondere den besseren, welche während des
13. Jahrhunderts regierten, entwickelten die buddhistischen Mönche
in ihren Klöstern die grösste Macht. Das Bemühen verschiedener
Shukken, dieselbe zu brechen und die Mönche auf die Beschäftigung
mit Wissenschaft und Künsten zu beschränken, blieb erfolglos. Der
Friede, welchen das Land im ganzen während des 13. Jahrhunderts
genoss und in dessen Gefolge ein neuer materieller und geistiger Auf-
schwung unverkennbar ist, wurde zeitweise durch kleine Aufstände
unterbrochen, welche in der Regel von jenen ausgingen, im Volke
keinen Hinterhalt hatten und leicht unterdrückt wurden.

Als Yoriiye 1204 auf Anstiften seines Grossvaters und seiner
eigenen Mutter, wie man allgemein annahm, im Bade ermordet wurde,
zählte sein jüngerer Bruder, der unter dem Namen Sanetomo das
Shôgunat ererbt hatte, nur 12 Jahre, während von den beiden hinter-
lassenen Söhnen des Yoriiye der ältere Namens Kugiô nur fünf Jahre
alt war. Diesen adoptierte Sanetomo und liess ihn dann in einem
Kloster zum Priester erziehen. Hôjô Tôkimasa, jetzt 68 Jahre alt,
hatte endlich durch seine vielen verwerflichen Handlungen selbst die
Geduld und das Vertrauen seiner Tochter Masago ganz erschöpft.
Er wurde genöthigt, Kamakura zu verlassen (1205), zog sich nach
Idzu in ein Kloster zurück, wo er als Mönch geschorenen Kopfes
noch 11 Jahre lebte. (Ein solches Klosterleben hatte indess mit den
ascetischen Regeln mancher späteren Buddhaklöster nichts gemein.)
Als Shukken folgte ihm sein Sohn Yoshitoki. Die unmittelbare
Ursache von Tokimasa’s Verbannung war indess das Bestreben des-
selben, den Sohn einer Stiefschwester der Masago, welche er einem
gewissen Hiraga Tomomasa zur Frau gegeben hatte, ein unmün-
diges Kind, an Stelle des Sanetomo zu setzen. Schon hatte er vom
Mikado die Verleihung des Namens Minamoto an seinen Enkel Hiraga
erwirkt und war auf dem besten Wege, das Erbe des Yoritomo auf
eine ganz andere Familie überzuspielen, als Masago, entrüstet, dass

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0306" n="280"/><fw place="top" type="header">I. Geschichte des japanischen Volkes.</fw><lb/>
Yoshitoki, Yasutoki, Hirotoki, Tsunetoki, Tokiyori, Masatoki, Toki-<lb/>
mune, Sadatoki, Morotoki, Takatoki und Moritoki) waren ohne Zweifel<lb/>
tüchtige Männer, welche dem Lande manchen grossen Dienst leisteten,<lb/>
dennoch ist das Gesammturteil, welches die Nachwelt über die<lb/>
Tyrannei der Hôjô gefällt hat, ein recht ungünstiges; die Familie<lb/>
steht bei den Japanern in noch schlechterem Andenken als die Taira,<lb/>
von denen sie abstammten. Sie führten somit ihre Herkunft ebenfalls<lb/>
auf den fünfzigsten Mikado, Kuwammu-Tennô, zurück und nannten<lb/>
sich Hôjô nach ihrem Stammsitze in Idzu, wo einer ihrer Vorfahren<lb/>
sich niedergelassen hatte.</p><lb/>
            <p>Unter den Hôjô, insbesondere den besseren, welche während des<lb/>
13. Jahrhunderts regierten, entwickelten die buddhistischen Mönche<lb/>
in ihren Klöstern die grösste Macht. Das Bemühen verschiedener<lb/>
Shukken, dieselbe zu brechen und die Mönche auf die Beschäftigung<lb/>
mit Wissenschaft und Künsten zu beschränken, blieb erfolglos. Der<lb/>
Friede, welchen das Land im ganzen während des 13. Jahrhunderts<lb/>
genoss und in dessen Gefolge ein neuer materieller und geistiger Auf-<lb/>
schwung unverkennbar ist, wurde zeitweise durch kleine Aufstände<lb/>
unterbrochen, welche in der Regel von jenen ausgingen, im Volke<lb/>
keinen Hinterhalt hatten und leicht unterdrückt wurden.</p><lb/>
            <p>Als Yoriiye 1204 auf Anstiften seines Grossvaters und seiner<lb/>
eigenen Mutter, wie man allgemein annahm, im Bade ermordet wurde,<lb/>
zählte sein jüngerer Bruder, der unter dem Namen Sanetomo das<lb/>
Shôgunat ererbt hatte, nur 12 Jahre, während von den beiden hinter-<lb/>
lassenen Söhnen des Yoriiye der ältere Namens Kugiô nur fünf Jahre<lb/>
alt war. Diesen adoptierte Sanetomo und liess ihn dann in einem<lb/>
Kloster zum Priester erziehen. Hôjô Tôkimasa, jetzt 68 Jahre alt,<lb/>
hatte endlich durch seine vielen verwerflichen Handlungen selbst die<lb/>
Geduld und das Vertrauen seiner Tochter Masago ganz erschöpft.<lb/>
Er wurde genöthigt, Kamakura zu verlassen (1205), zog sich nach<lb/>
Idzu in ein Kloster zurück, wo er als Mönch geschorenen Kopfes<lb/>
noch 11 Jahre lebte. (Ein solches Klosterleben hatte indess mit den<lb/>
ascetischen Regeln mancher späteren Buddhaklöster nichts gemein.)<lb/>
Als Shukken folgte ihm sein Sohn <hi rendition="#g">Yoshitoki</hi>. Die unmittelbare<lb/>
Ursache von Tokimasa&#x2019;s Verbannung war indess das Bestreben des-<lb/>
selben, den Sohn einer Stiefschwester der Masago, welche er einem<lb/>
gewissen <hi rendition="#g">Hiraga Tomomasa</hi> zur Frau gegeben hatte, ein unmün-<lb/>
diges Kind, an Stelle des Sanetomo zu setzen. Schon hatte er vom<lb/>
Mikado die Verleihung des Namens Minamoto an seinen Enkel Hiraga<lb/>
erwirkt und war auf dem besten Wege, das Erbe des Yoritomo auf<lb/>
eine ganz andere Familie überzuspielen, als Masago, entrüstet, dass<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[280/0306] I. Geschichte des japanischen Volkes. Yoshitoki, Yasutoki, Hirotoki, Tsunetoki, Tokiyori, Masatoki, Toki- mune, Sadatoki, Morotoki, Takatoki und Moritoki) waren ohne Zweifel tüchtige Männer, welche dem Lande manchen grossen Dienst leisteten, dennoch ist das Gesammturteil, welches die Nachwelt über die Tyrannei der Hôjô gefällt hat, ein recht ungünstiges; die Familie steht bei den Japanern in noch schlechterem Andenken als die Taira, von denen sie abstammten. Sie führten somit ihre Herkunft ebenfalls auf den fünfzigsten Mikado, Kuwammu-Tennô, zurück und nannten sich Hôjô nach ihrem Stammsitze in Idzu, wo einer ihrer Vorfahren sich niedergelassen hatte. Unter den Hôjô, insbesondere den besseren, welche während des 13. Jahrhunderts regierten, entwickelten die buddhistischen Mönche in ihren Klöstern die grösste Macht. Das Bemühen verschiedener Shukken, dieselbe zu brechen und die Mönche auf die Beschäftigung mit Wissenschaft und Künsten zu beschränken, blieb erfolglos. Der Friede, welchen das Land im ganzen während des 13. Jahrhunderts genoss und in dessen Gefolge ein neuer materieller und geistiger Auf- schwung unverkennbar ist, wurde zeitweise durch kleine Aufstände unterbrochen, welche in der Regel von jenen ausgingen, im Volke keinen Hinterhalt hatten und leicht unterdrückt wurden. Als Yoriiye 1204 auf Anstiften seines Grossvaters und seiner eigenen Mutter, wie man allgemein annahm, im Bade ermordet wurde, zählte sein jüngerer Bruder, der unter dem Namen Sanetomo das Shôgunat ererbt hatte, nur 12 Jahre, während von den beiden hinter- lassenen Söhnen des Yoriiye der ältere Namens Kugiô nur fünf Jahre alt war. Diesen adoptierte Sanetomo und liess ihn dann in einem Kloster zum Priester erziehen. Hôjô Tôkimasa, jetzt 68 Jahre alt, hatte endlich durch seine vielen verwerflichen Handlungen selbst die Geduld und das Vertrauen seiner Tochter Masago ganz erschöpft. Er wurde genöthigt, Kamakura zu verlassen (1205), zog sich nach Idzu in ein Kloster zurück, wo er als Mönch geschorenen Kopfes noch 11 Jahre lebte. (Ein solches Klosterleben hatte indess mit den ascetischen Regeln mancher späteren Buddhaklöster nichts gemein.) Als Shukken folgte ihm sein Sohn Yoshitoki. Die unmittelbare Ursache von Tokimasa’s Verbannung war indess das Bestreben des- selben, den Sohn einer Stiefschwester der Masago, welche er einem gewissen Hiraga Tomomasa zur Frau gegeben hatte, ein unmün- diges Kind, an Stelle des Sanetomo zu setzen. Schon hatte er vom Mikado die Verleihung des Namens Minamoto an seinen Enkel Hiraga erwirkt und war auf dem besten Wege, das Erbe des Yoritomo auf eine ganz andere Familie überzuspielen, als Masago, entrüstet, dass

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/306
Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/306>, abgerufen am 21.05.2024.