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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881.

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2. Periode. Von der Gründung der Hauptstadt Kioto etc.
welche Kiyomori diesen früher zugedacht hatte, setzten nun die Mina-
moto allenthalben den Taira gegenüber ins Werk. Da wurde kein Alter
noch Geschlecht geschont, und wer nicht mit dem Schwerte in der Hand
sterben konnte, war meist auf andere Weise dem Tode geweiht *).

Munemori und einer seiner Söhne geriethen in Gefangenschaft,
wurden vor Yoritomo in Kamakura geführt und später zu Shinowara
am Nakasendo enthauptet **).

Es wird berichtet, dass Yoritomo seinem Bruder Yoshitsune in
dessen Kämpfen gegen die Taira als eine Art Generalstabschef einen
gewissen Kajiwara zugesellt habe, dessen Rathschlägen der Heer-
führer zuweilen nicht gefolgt sei und auf eigene Eingebung gekämpft
und gesiegt habe. Hierdurch verletzt und verbittert, habe dann Kaji-
wara Alles aufgeboten, um den Helden des Tages in Kamakura zu
verdächtigen und zu verläumden. Man darf wohl annehmen, dass
auch Hojo-Tokimasa seinen grossen Einfluss auf Yoritomo in dieser
Richtung übel anwandte und dessen Argwohn gegen Yoshitsune mit
Erfolg nährte. Als daher letzterer nach der Schlacht bei Danoura
nach Kamakura zog, um dem Haupte seiner Familie und Bruder die
Siegestrophäen vorzulegen, verbot ihm dieser das Betreten der Stadt
und nöthigte ihn, in der Nähe, nämlich in dem Enoshima gegenüber-
liegenden Orte Koshigoye zu bleiben. Der rührende Brief, den
Yoshitsune von hier aus an Yoritomo schrieb, worin er auf alle Mühen
und Strapazen aufmerksam macht, die er in seinem Interesse erduldet
habe, und ihn innig bittet, seinen Argwohn gegen ihn fallen zu lassen
und ihn von der Verläumdung zu befreien, ein Muster brüderlicher
Liebe und Offenheit, ist noch vorhanden. Andere Einflüsse über-
täubten diese Stimme, Yoshitsune musste nach langem vergeblichen
Warten und ohne seinen Bruder gesehen zu haben, nach Kioto, wo er
Oberkommandant war, abziehen.

*) Nach Dixon verfielen viele der in Danoura (Shimonoseki) zurückgeblie-
benen Taira-Frauen aus Noth der Prostitution und erhielten in dieser Stellung
gewisse Vorrechte eingeräumt, die auch auf ihre Nachfolgerinnen bis in die Neu-
zeit übertragen wurden.
**) Die Angabe bei Dixon, dass derselbe nach der Schlacht bei Danoura
nach Tsushima geflohen und diese Insel bis zur Restauration im Besitze seiner
Nachkommen geblieben sei, beruht jedenfalls auf Irrthum. Tsushima war von
Shirakawa-Tenno seinem Günstling Taira-no-Tadamori geschenkt worden als
Zeichen der Anerkennung für die guten Dienste, welche die Taira-Shogune als
Militärgouverneure der südlichen und südwestlichen Provinzen dem Herrscher-
hause geleistet hatten. Wenn die Tso, die Daimiofamilie von Tsushima, wirk-
lich von Taira-Abkunft war, so dürfte dieselbe auf einen jüngeren Sohn des
Tadamori, nicht auf Munemori zurückdatieren.
Rein, Japan I. 18

2. Periode. Von der Gründung der Hauptstadt Kiôto etc.
welche Kiyomori diesen früher zugedacht hatte, setzten nun die Mina-
moto allenthalben den Taira gegenüber ins Werk. Da wurde kein Alter
noch Geschlecht geschont, und wer nicht mit dem Schwerte in der Hand
sterben konnte, war meist auf andere Weise dem Tode geweiht *).

Munemori und einer seiner Söhne geriethen in Gefangenschaft,
wurden vor Yoritomo in Kamakura geführt und später zu Shinowara
am Nakasendô enthauptet **).

Es wird berichtet, dass Yoritomo seinem Bruder Yoshitsune in
dessen Kämpfen gegen die Taira als eine Art Generalstabschef einen
gewissen Kajiwara zugesellt habe, dessen Rathschlägen der Heer-
führer zuweilen nicht gefolgt sei und auf eigene Eingebung gekämpft
und gesiegt habe. Hierdurch verletzt und verbittert, habe dann Kaji-
wara Alles aufgeboten, um den Helden des Tages in Kamakura zu
verdächtigen und zu verläumden. Man darf wohl annehmen, dass
auch Hôjô-Tokimasa seinen grossen Einfluss auf Yoritomo in dieser
Richtung übel anwandte und dessen Argwohn gegen Yoshitsune mit
Erfolg nährte. Als daher letzterer nach der Schlacht bei Danoura
nach Kamakura zog, um dem Haupte seiner Familie und Bruder die
Siegestrophäen vorzulegen, verbot ihm dieser das Betreten der Stadt
und nöthigte ihn, in der Nähe, nämlich in dem Enoshima gegenüber-
liegenden Orte Koshigoye zu bleiben. Der rührende Brief, den
Yoshitsune von hier aus an Yoritomo schrieb, worin er auf alle Mühen
und Strapazen aufmerksam macht, die er in seinem Interesse erduldet
habe, und ihn innig bittet, seinen Argwohn gegen ihn fallen zu lassen
und ihn von der Verläumdung zu befreien, ein Muster brüderlicher
Liebe und Offenheit, ist noch vorhanden. Andere Einflüsse über-
täubten diese Stimme, Yoshitsune musste nach langem vergeblichen
Warten und ohne seinen Bruder gesehen zu haben, nach Kiôto, wo er
Oberkommandant war, abziehen.

*) Nach Dixon verfielen viele der in Danoura (Shimonoseki) zurückgeblie-
benen Taira-Frauen aus Noth der Prostitution und erhielten in dieser Stellung
gewisse Vorrechte eingeräumt, die auch auf ihre Nachfolgerinnen bis in die Neu-
zeit übertragen wurden.
**) Die Angabe bei Dixon, dass derselbe nach der Schlacht bei Danoura
nach Tsushima geflohen und diese Insel bis zur Restauration im Besitze seiner
Nachkommen geblieben sei, beruht jedenfalls auf Irrthum. Tsushima war von
Shirakawa-Tennô seinem Günstling Taira-no-Tadamori geschenkt worden als
Zeichen der Anerkennung für die guten Dienste, welche die Taira-Shôgune als
Militärgouverneure der südlichen und südwestlichen Provinzen dem Herrscher-
hause geleistet hatten. Wenn die Tsô, die Daimiofamilie von Tsushima, wirk-
lich von Taira-Abkunft war, so dürfte dieselbe auf einen jüngeren Sohn des
Tadamori, nicht auf Munemori zurückdatieren.
Rein, Japan I. 18
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[273/0299] 2. Periode. Von der Gründung der Hauptstadt Kiôto etc. welche Kiyomori diesen früher zugedacht hatte, setzten nun die Mina- moto allenthalben den Taira gegenüber ins Werk. Da wurde kein Alter noch Geschlecht geschont, und wer nicht mit dem Schwerte in der Hand sterben konnte, war meist auf andere Weise dem Tode geweiht *). Munemori und einer seiner Söhne geriethen in Gefangenschaft, wurden vor Yoritomo in Kamakura geführt und später zu Shinowara am Nakasendô enthauptet **). Es wird berichtet, dass Yoritomo seinem Bruder Yoshitsune in dessen Kämpfen gegen die Taira als eine Art Generalstabschef einen gewissen Kajiwara zugesellt habe, dessen Rathschlägen der Heer- führer zuweilen nicht gefolgt sei und auf eigene Eingebung gekämpft und gesiegt habe. Hierdurch verletzt und verbittert, habe dann Kaji- wara Alles aufgeboten, um den Helden des Tages in Kamakura zu verdächtigen und zu verläumden. Man darf wohl annehmen, dass auch Hôjô-Tokimasa seinen grossen Einfluss auf Yoritomo in dieser Richtung übel anwandte und dessen Argwohn gegen Yoshitsune mit Erfolg nährte. Als daher letzterer nach der Schlacht bei Danoura nach Kamakura zog, um dem Haupte seiner Familie und Bruder die Siegestrophäen vorzulegen, verbot ihm dieser das Betreten der Stadt und nöthigte ihn, in der Nähe, nämlich in dem Enoshima gegenüber- liegenden Orte Koshigoye zu bleiben. Der rührende Brief, den Yoshitsune von hier aus an Yoritomo schrieb, worin er auf alle Mühen und Strapazen aufmerksam macht, die er in seinem Interesse erduldet habe, und ihn innig bittet, seinen Argwohn gegen ihn fallen zu lassen und ihn von der Verläumdung zu befreien, ein Muster brüderlicher Liebe und Offenheit, ist noch vorhanden. Andere Einflüsse über- täubten diese Stimme, Yoshitsune musste nach langem vergeblichen Warten und ohne seinen Bruder gesehen zu haben, nach Kiôto, wo er Oberkommandant war, abziehen. *) Nach Dixon verfielen viele der in Danoura (Shimonoseki) zurückgeblie- benen Taira-Frauen aus Noth der Prostitution und erhielten in dieser Stellung gewisse Vorrechte eingeräumt, die auch auf ihre Nachfolgerinnen bis in die Neu- zeit übertragen wurden. **) Die Angabe bei Dixon, dass derselbe nach der Schlacht bei Danoura nach Tsushima geflohen und diese Insel bis zur Restauration im Besitze seiner Nachkommen geblieben sei, beruht jedenfalls auf Irrthum. Tsushima war von Shirakawa-Tennô seinem Günstling Taira-no-Tadamori geschenkt worden als Zeichen der Anerkennung für die guten Dienste, welche die Taira-Shôgune als Militärgouverneure der südlichen und südwestlichen Provinzen dem Herrscher- hause geleistet hatten. Wenn die Tsô, die Daimiofamilie von Tsushima, wirk- lich von Taira-Abkunft war, so dürfte dieselbe auf einen jüngeren Sohn des Tadamori, nicht auf Munemori zurückdatieren. Rein, Japan I. 18

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/299>, abgerufen am 17.05.2024.