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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881.

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2. Periode. Von der Gründung der Hauptstadt Kioto etc.

Kaiser Toba verbot den Samurai verschiedener Provinzen, sich
als Vasallen der Minamoto und der Taira zu constituieren. Es war
ein Kämpfen gegen den Wind. Das Feudalwesen hatte sich allmäh-
lich so entwickelt und gekräftigt, dass solche Autoritäten, wie sie in
Kioto vertreten waren, den Anhängern der Minamoto und Taira nicht
mehr imponieren konnten. Die Rivalität beider Häuser wuchs mit
ihrem Gefühle der Selbständigkeit und Unabhängigkeit. Nicht aus
Loyalität, sondern um dem eigenen Streben nach Herrschaft eine
rechtliche Form zu geben, gehorchte bald die eine, bald die andere
Partei den Befehlen des Hofes, um sie gegen den Gegner zu ver-
werthen.

Es währte nicht mehr lange, und über die Häupter der Herrscher-
familie und ihres Beamtenheeres hinweg raste der Sturm, wüthete der
lang vorbereitete Kampf zwischen Taira und Minamoto um die höchste
Macht. In der japanischen Geschichte führt er den Namen Gen-Pei-
Kassen
*). Die Kämpfe der Welfen und Ghibelinen, der rothen und
weissen Rose und andere bemerkenswerthe Bürgerkriege erscheinen
kurz gegen diese Jahrhunderte lang dauernde bittere Fehde des japa-
nischen Mittelalters. Ihre Geschichte ist jedem Japaner geläufig. Es
knüpft sich daran die Erinnerung an die grössten Verwirrungen, die
aufregendsten Ereignisse und die blutigsten Kämpfe, welche sich je
in Japan abwickelten. Neben der Entfaltung grosser Tapferkeit und
eines wahrhaft bewundernswerthen Heldenmuthes werden die denkbar
gemeinsten Mittel, wie Arglist, lang vorbereitete Rache und Meuchel-
mord nicht verschmäht, um den gefürchteten Concurrenten oder ver-
hassten Gegner zu vernichten. Man hat diesen Streit um den Vorrang
in der Feudalherrschaft in historischen Romanen viel beschrieben;
auch gibt es eine besondere Geschichte der Minamoto (Genji mono-
gatari) sowohl, als der Taira (Heike monogatari) **). In dem Folgen-
den wird eine kurze Darstellung seiner Entwickelung und seines Ver-
laufes gegeben.

*) Der Name Gen-Pei-Kassen kommt von den chinesischen Worten Gen
oder Genji, Quelle (japanisch Minamoto), Hei (Pei) oder Heika, Friede (japanisch
Taira) und Kassen, Kampf oder Fehde. Die Hauptkämpfe fallen in die zweite
Hälfte des 12. Jahrhunderts. Mehrere Minamoto zeichneten sich dabei durch
grosse Tapferkeit aus und gewannen den Sieg. Für sie schwärmte die japanische
Jugend. Wenn, wie es häufig vorkam, in den Kriegsspielen der jungen Samurai
das Gen-Pei-Kassen aufgeführt wurde, wollte jeder Minamoto, keiner Taira sein,
so dass die Parteien durch das Loos bestimmt werden mussten.
**) Diese "l'Histoire des Taira" hat F. Turrettini in Genf ins Französische
übersetzt.
2. Periode. Von der Gründung der Hauptstadt Kiôto etc.

Kaiser Toba verbot den Samurai verschiedener Provinzen, sich
als Vasallen der Minamoto und der Taira zu constituieren. Es war
ein Kämpfen gegen den Wind. Das Feudalwesen hatte sich allmäh-
lich so entwickelt und gekräftigt, dass solche Autoritäten, wie sie in
Kiôto vertreten waren, den Anhängern der Minamoto und Taira nicht
mehr imponieren konnten. Die Rivalität beider Häuser wuchs mit
ihrem Gefühle der Selbständigkeit und Unabhängigkeit. Nicht aus
Loyalität, sondern um dem eigenen Streben nach Herrschaft eine
rechtliche Form zu geben, gehorchte bald die eine, bald die andere
Partei den Befehlen des Hofes, um sie gegen den Gegner zu ver-
werthen.

Es währte nicht mehr lange, und über die Häupter der Herrscher-
familie und ihres Beamtenheeres hinweg raste der Sturm, wüthete der
lang vorbereitete Kampf zwischen Taira und Minamoto um die höchste
Macht. In der japanischen Geschichte führt er den Namen Gen-Pei-
Kassen
*). Die Kämpfe der Welfen und Ghibelinen, der rothen und
weissen Rose und andere bemerkenswerthe Bürgerkriege erscheinen
kurz gegen diese Jahrhunderte lang dauernde bittere Fehde des japa-
nischen Mittelalters. Ihre Geschichte ist jedem Japaner geläufig. Es
knüpft sich daran die Erinnerung an die grössten Verwirrungen, die
aufregendsten Ereignisse und die blutigsten Kämpfe, welche sich je
in Japan abwickelten. Neben der Entfaltung grosser Tapferkeit und
eines wahrhaft bewundernswerthen Heldenmuthes werden die denkbar
gemeinsten Mittel, wie Arglist, lang vorbereitete Rache und Meuchel-
mord nicht verschmäht, um den gefürchteten Concurrenten oder ver-
hassten Gegner zu vernichten. Man hat diesen Streit um den Vorrang
in der Feudalherrschaft in historischen Romanen viel beschrieben;
auch gibt es eine besondere Geschichte der Minamoto (Genji mono-
gatari) sowohl, als der Taira (Heike monogatari) **). In dem Folgen-
den wird eine kurze Darstellung seiner Entwickelung und seines Ver-
laufes gegeben.

*) Der Name Gen-Pei-Kassen kommt von den chinesischen Worten Gen
oder Genji, Quelle (japanisch Minamoto), Hei (Pei) oder Heika, Friede (japanisch
Taira) und Kassen, Kampf oder Fehde. Die Hauptkämpfe fallen in die zweite
Hälfte des 12. Jahrhunderts. Mehrere Minamoto zeichneten sich dabei durch
grosse Tapferkeit aus und gewannen den Sieg. Für sie schwärmte die japanische
Jugend. Wenn, wie es häufig vorkam, in den Kriegsspielen der jungen Samurai
das Gen-Pei-Kassen aufgeführt wurde, wollte jeder Minamoto, keiner Taira sein,
so dass die Parteien durch das Loos bestimmt werden mussten.
**) Diese »l’Histoire des Taira« hat F. Turrettini in Genf ins Französische
übersetzt.
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[265/0291] 2. Periode. Von der Gründung der Hauptstadt Kiôto etc. Kaiser Toba verbot den Samurai verschiedener Provinzen, sich als Vasallen der Minamoto und der Taira zu constituieren. Es war ein Kämpfen gegen den Wind. Das Feudalwesen hatte sich allmäh- lich so entwickelt und gekräftigt, dass solche Autoritäten, wie sie in Kiôto vertreten waren, den Anhängern der Minamoto und Taira nicht mehr imponieren konnten. Die Rivalität beider Häuser wuchs mit ihrem Gefühle der Selbständigkeit und Unabhängigkeit. Nicht aus Loyalität, sondern um dem eigenen Streben nach Herrschaft eine rechtliche Form zu geben, gehorchte bald die eine, bald die andere Partei den Befehlen des Hofes, um sie gegen den Gegner zu ver- werthen. Es währte nicht mehr lange, und über die Häupter der Herrscher- familie und ihres Beamtenheeres hinweg raste der Sturm, wüthete der lang vorbereitete Kampf zwischen Taira und Minamoto um die höchste Macht. In der japanischen Geschichte führt er den Namen Gen-Pei- Kassen *). Die Kämpfe der Welfen und Ghibelinen, der rothen und weissen Rose und andere bemerkenswerthe Bürgerkriege erscheinen kurz gegen diese Jahrhunderte lang dauernde bittere Fehde des japa- nischen Mittelalters. Ihre Geschichte ist jedem Japaner geläufig. Es knüpft sich daran die Erinnerung an die grössten Verwirrungen, die aufregendsten Ereignisse und die blutigsten Kämpfe, welche sich je in Japan abwickelten. Neben der Entfaltung grosser Tapferkeit und eines wahrhaft bewundernswerthen Heldenmuthes werden die denkbar gemeinsten Mittel, wie Arglist, lang vorbereitete Rache und Meuchel- mord nicht verschmäht, um den gefürchteten Concurrenten oder ver- hassten Gegner zu vernichten. Man hat diesen Streit um den Vorrang in der Feudalherrschaft in historischen Romanen viel beschrieben; auch gibt es eine besondere Geschichte der Minamoto (Genji mono- gatari) sowohl, als der Taira (Heike monogatari) **). In dem Folgen- den wird eine kurze Darstellung seiner Entwickelung und seines Ver- laufes gegeben. *) Der Name Gen-Pei-Kassen kommt von den chinesischen Worten Gen oder Genji, Quelle (japanisch Minamoto), Hei (Pei) oder Heika, Friede (japanisch Taira) und Kassen, Kampf oder Fehde. Die Hauptkämpfe fallen in die zweite Hälfte des 12. Jahrhunderts. Mehrere Minamoto zeichneten sich dabei durch grosse Tapferkeit aus und gewannen den Sieg. Für sie schwärmte die japanische Jugend. Wenn, wie es häufig vorkam, in den Kriegsspielen der jungen Samurai das Gen-Pei-Kassen aufgeführt wurde, wollte jeder Minamoto, keiner Taira sein, so dass die Parteien durch das Loos bestimmt werden mussten. **) Diese »l’Histoire des Taira« hat F. Turrettini in Genf ins Französische übersetzt.

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881, S. 265. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/291>, abgerufen am 23.11.2024.