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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881.

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2. Periode. Von der Gründung der Hauptstadt Kioto etc.
zu beseitigen und in die Verbannung nach Tsukushi (Kiushiu) zu
senden wusste. Dort starb Sugawara-Michizune im Elend, den
Hungertod, wie es heisst. Als Tenjin (Himmelsmensch) wurde der-
selbe später deificiert und Patron der Gelehrsamkeit, welchem man
manchen Tempel errichtet hat und zu dem die japanische Schuljugend
zu beten pflegte. Die Sugawara bildeten übrigens ein sehr altes
Geschlecht, das ebenfalls dem Mikadohause entsprossen war und
dessen Abzweigung fast eben so weit zurück datiert als die der
Fujiwara. Es hat politisch nie eine so hohe Rolle gespielt, wohl
aber wegen der Gelehrsamkeit vieler seiner Mitglieder stets in hohem
Ansehen gestanden. Sechs der alten Kugefamilien leiten von ihm
sich ab.

Von Tokihira ab rückten zwei andere hohe Adelsgeschlechter,
die schon genannten Taira und Minamoto allmählich in den Vorder-
grund; der Stern der Fujiwara fing an langsam zu erblassen. In
Folge der vielen verwandtschaftlichen Bande mit dem Kaiserhause
vermochten sie freilich zunächst ihre alten Ränke noch fortzuspinnen.
So erzählt uns denn die Geschichte, dass, als nach Tokihira's Tode
sein Sohn Tadahira in die Würde des Kuwambaku einrückte, der-
selbe den Daigo-Tenno zur Thronentsagung zu bestimmen wusste und
zu seinem Nachfolger den jüngsten der 11 Söhne desselben, einen
Knaben von 8 Jahren. Dies ist Shujaku-Tenno, der als 61. Mi-
kado von 931--946 den Thron einnahm. Während seiner Regierung
trat in Shiraki ein Dynastie- und Namenswechsel ein, indem auf die
Kinfamilie die Wo folgten und für das Land den Namen der nord-
östlichsten Provinz Korai annahmen, aus dem unser Korea hervor-
gegangen ist.

In diese Zeit fällt auch der grosse Aufstand des Taira-Masa-
kado
, der als Gouverneur des Kuwanto den Plan fasste, sich
unabhängig zu machen, nachdem seine Stellung schon mehrere
Generationen hindurch erblich in seiner Familie gewesen war. Er
nahm den Titel Hei-Shino (neuer Kaiser Hei) an, sammelte um sich
eine Armee, sowie alle mit der Verwaltung der Fujiwara Unzufrie-
denen und befestigte sich zu Sarushima in Shimosa. Gleichzeitig
pflanzte sein Verbündeter, Fujiwara-Sumitomo, in Iyo die Fahne
des Aufstandes auf. Fujiwara-Hidesato, der den Auftrag er-
hielt, die Rebellen zu unterwerfen, nahm für sich den pompösen
Titel Sei-to-tai-shogun (Grosser friedenstiftender Generalissimus des
Ostens) in Anspruch, blieb ruhig in Kioto und sandte zwei Unter-
gebene aus, und zwar den Taira-no-Sadamori gegen Masakado und
Tachibana-no-Toyasu gegen Sumitomo. Die Rebellen wurden ge-

2. Periode. Von der Gründung der Hauptstadt Kiôto etc.
zu beseitigen und in die Verbannung nach Tsukushi (Kiushiu) zu
senden wusste. Dort starb Sugawara-Michizune im Elend, den
Hungertod, wie es heisst. Als Tenjin (Himmelsmensch) wurde der-
selbe später deïficiert und Patron der Gelehrsamkeit, welchem man
manchen Tempel errichtet hat und zu dem die japanische Schuljugend
zu beten pflegte. Die Sugawara bildeten übrigens ein sehr altes
Geschlecht, das ebenfalls dem Mikadohause entsprossen war und
dessen Abzweigung fast eben so weit zurück datiert als die der
Fujiwara. Es hat politisch nie eine so hohe Rolle gespielt, wohl
aber wegen der Gelehrsamkeit vieler seiner Mitglieder stets in hohem
Ansehen gestanden. Sechs der alten Kugefamilien leiten von ihm
sich ab.

Von Tokihira ab rückten zwei andere hohe Adelsgeschlechter,
die schon genannten Taira und Minamoto allmählich in den Vorder-
grund; der Stern der Fujiwara fing an langsam zu erblassen. In
Folge der vielen verwandtschaftlichen Bande mit dem Kaiserhause
vermochten sie freilich zunächst ihre alten Ränke noch fortzuspinnen.
So erzählt uns denn die Geschichte, dass, als nach Tokihira’s Tode
sein Sohn Tadahira in die Würde des Kuwambaku einrückte, der-
selbe den Daigo-Tennô zur Thronentsagung zu bestimmen wusste und
zu seinem Nachfolger den jüngsten der 11 Söhne desselben, einen
Knaben von 8 Jahren. Dies ist Shujaku-Tennô, der als 61. Mi-
kado von 931—946 den Thron einnahm. Während seiner Regierung
trat in Shiraki ein Dynastie- und Namenswechsel ein, indem auf die
Kinfamilie die Wo folgten und für das Land den Namen der nord-
östlichsten Provinz Korai annahmen, aus dem unser Korea hervor-
gegangen ist.

In diese Zeit fällt auch der grosse Aufstand des Taira-Masa-
kado
, der als Gouverneur des Kuwantô den Plan fasste, sich
unabhängig zu machen, nachdem seine Stellung schon mehrere
Generationen hindurch erblich in seiner Familie gewesen war. Er
nahm den Titel Hei-Shinô (neuer Kaiser Hei) an, sammelte um sich
eine Armee, sowie alle mit der Verwaltung der Fujiwara Unzufrie-
denen und befestigte sich zu Sarushima in Shimosa. Gleichzeitig
pflanzte sein Verbündeter, Fujiwara-Sumitomo, in Iyo die Fahne
des Aufstandes auf. Fujiwara-Hidesato, der den Auftrag er-
hielt, die Rebellen zu unterwerfen, nahm für sich den pompösen
Titel Sei-tô-tai-shôgun (Grosser friedenstiftender Generalissimus des
Ostens) in Anspruch, blieb ruhig in Kiôto und sandte zwei Unter-
gebene aus, und zwar den Taira-no-Sadamori gegen Masakado und
Tachibana-no-Tôyasu gegen Sumitomo. Die Rebellen wurden ge-

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[261/0287] 2. Periode. Von der Gründung der Hauptstadt Kiôto etc. zu beseitigen und in die Verbannung nach Tsukushi (Kiushiu) zu senden wusste. Dort starb Sugawara-Michizune im Elend, den Hungertod, wie es heisst. Als Tenjin (Himmelsmensch) wurde der- selbe später deïficiert und Patron der Gelehrsamkeit, welchem man manchen Tempel errichtet hat und zu dem die japanische Schuljugend zu beten pflegte. Die Sugawara bildeten übrigens ein sehr altes Geschlecht, das ebenfalls dem Mikadohause entsprossen war und dessen Abzweigung fast eben so weit zurück datiert als die der Fujiwara. Es hat politisch nie eine so hohe Rolle gespielt, wohl aber wegen der Gelehrsamkeit vieler seiner Mitglieder stets in hohem Ansehen gestanden. Sechs der alten Kugefamilien leiten von ihm sich ab. Von Tokihira ab rückten zwei andere hohe Adelsgeschlechter, die schon genannten Taira und Minamoto allmählich in den Vorder- grund; der Stern der Fujiwara fing an langsam zu erblassen. In Folge der vielen verwandtschaftlichen Bande mit dem Kaiserhause vermochten sie freilich zunächst ihre alten Ränke noch fortzuspinnen. So erzählt uns denn die Geschichte, dass, als nach Tokihira’s Tode sein Sohn Tadahira in die Würde des Kuwambaku einrückte, der- selbe den Daigo-Tennô zur Thronentsagung zu bestimmen wusste und zu seinem Nachfolger den jüngsten der 11 Söhne desselben, einen Knaben von 8 Jahren. Dies ist Shujaku-Tennô, der als 61. Mi- kado von 931—946 den Thron einnahm. Während seiner Regierung trat in Shiraki ein Dynastie- und Namenswechsel ein, indem auf die Kinfamilie die Wo folgten und für das Land den Namen der nord- östlichsten Provinz Korai annahmen, aus dem unser Korea hervor- gegangen ist. In diese Zeit fällt auch der grosse Aufstand des Taira-Masa- kado, der als Gouverneur des Kuwantô den Plan fasste, sich unabhängig zu machen, nachdem seine Stellung schon mehrere Generationen hindurch erblich in seiner Familie gewesen war. Er nahm den Titel Hei-Shinô (neuer Kaiser Hei) an, sammelte um sich eine Armee, sowie alle mit der Verwaltung der Fujiwara Unzufrie- denen und befestigte sich zu Sarushima in Shimosa. Gleichzeitig pflanzte sein Verbündeter, Fujiwara-Sumitomo, in Iyo die Fahne des Aufstandes auf. Fujiwara-Hidesato, der den Auftrag er- hielt, die Rebellen zu unterwerfen, nahm für sich den pompösen Titel Sei-tô-tai-shôgun (Grosser friedenstiftender Generalissimus des Ostens) in Anspruch, blieb ruhig in Kiôto und sandte zwei Unter- gebene aus, und zwar den Taira-no-Sadamori gegen Masakado und Tachibana-no-Tôyasu gegen Sumitomo. Die Rebellen wurden ge-

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/287>, abgerufen am 17.05.2024.