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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881.

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1. Periode. Von der Gründung des Reiches Yamato etc.
an nicht mehr zulässig und fand mit der Verlegung desselben nach
Kioto durch Kuwammu-Tenno sein Ende. So wurde Kioto (in alten
Werken stets Miako, d. h. Hauptstadt, genannt) gewissermassen das
Herz Japans, von dem viele Jahrhunderte hindurch die Pulsschläge
des nationalen Lebens ausgingen. Osaka (Naniwa) aber war die
grosse Vorkammer, wenigstens für die materielle Seite desselben.
Wie Pulsadern liefen von Kioto die Hauptstrassen (do) des Landes
von N. und S. zusammen, jede als wichtiger Nahrungsleiter für einen
langgestreckten Körpertheil, für eine durch das Meer und Gebirge
eingefasste Reihe von Provinzen.

Der Einfluss der chinesischen Civilisation auf den Hof war kein
vortheilhafter. Es schwand der alte kriegerische Geist und trat Ver-
weichlichung aller Art an seine Stelle. Man schuf ein ganzes Heer
von Beamten und Titeln, modelte den Schnitt der Kleidung, des
Haares, die Ceremonien und vieles Andere nach dem Range und
überliess die viel wichtigere Sorge um das Land den Beamten und
Generälen. Das Abdicieren in jungen Jahren wurde zur Mode, ent-
weder um geschorenen Kopfes und zurückgezogen als buddhistischer
Mönch das Leben zu verträumen, oder in Ausschweifungen aller Art
es zu vergeuden; doch erfolgte es in den meisten Fällen wohl un-
freiwillig. Auch kam es zur Zeit der Fujiwara vielfach vor, dass
edeldenkende Herrscher, in ihrem Streben nach Selbständigkeit nach
langem vergeblichen Ringen entmuthigt und verzweifelnd, den mäch-
tigen Schutz eines Klosters aufsuchten, blos um den widerwärtigen
Fesseln am Hofe, die keinerlei freie Bewegung zuliessen, entrückt zu
sein. Unmündigen Kindern und ränkesüchtigen Frauen fiel häufig
das Erbe zu, und da dieselben ausser Stande waren, die Geschäfte
des Landes zu leiten, gab es Souveräne, welche herrschten, und be-
vorzugte Familien, denen das Amt des Major domus, des Regierens,
zufiel. Im Streben nach diesem grossen Einfluss suchten sich die
vornehmsten Geschlechter den Rang abzulaufen und brachten dadurch
häufige Bürgerkriege über das Land. Drei Familien, nämlich die
Fujiwara, Taira und Minamoto, spielen in dieser Beziehung
nach einander eine besonders hervorragende Rolle, wie dies im folgen-
den Abschnitte weiter gezeigt werden soll.

In den ersten Jahrhunderten des Reiches Yamato war die Re-
gierungsform sehr einfach. Damals gab es keinen Unterschied zwi-
schen Civil- und Militärbeamten. Jeder kräftige Mann war Soldat
und der Mikado der Führer seines Heeres. Niemals fiel der Ober-
befehl einem Unterthanen zu. War der Krieg vorbei, so löste sich
die Armee auf und es ging ein Jeder wieder seinen gewohnten fried-

Rein, Japan I. 17

1. Periode. Von der Gründung des Reiches Yamato etc.
an nicht mehr zulässig und fand mit der Verlegung desselben nach
Kiôto durch Kuwammu-Tennô sein Ende. So wurde Kiôto (in alten
Werken stets Miako, d. h. Hauptstadt, genannt) gewissermassen das
Herz Japans, von dem viele Jahrhunderte hindurch die Pulsschläge
des nationalen Lebens ausgingen. Ôsaka (Naniwa) aber war die
grosse Vorkammer, wenigstens für die materielle Seite desselben.
Wie Pulsadern liefen von Kiôto die Hauptstrassen (dô) des Landes
von N. und S. zusammen, jede als wichtiger Nahrungsleiter für einen
langgestreckten Körpertheil, für eine durch das Meer und Gebirge
eingefasste Reihe von Provinzen.

Der Einfluss der chinesischen Civilisation auf den Hof war kein
vortheilhafter. Es schwand der alte kriegerische Geist und trat Ver-
weichlichung aller Art an seine Stelle. Man schuf ein ganzes Heer
von Beamten und Titeln, modelte den Schnitt der Kleidung, des
Haares, die Ceremonien und vieles Andere nach dem Range und
überliess die viel wichtigere Sorge um das Land den Beamten und
Generälen. Das Abdicieren in jungen Jahren wurde zur Mode, ent-
weder um geschorenen Kopfes und zurückgezogen als buddhistischer
Mönch das Leben zu verträumen, oder in Ausschweifungen aller Art
es zu vergeuden; doch erfolgte es in den meisten Fällen wohl un-
freiwillig. Auch kam es zur Zeit der Fujiwara vielfach vor, dass
edeldenkende Herrscher, in ihrem Streben nach Selbständigkeit nach
langem vergeblichen Ringen entmuthigt und verzweifelnd, den mäch-
tigen Schutz eines Klosters aufsuchten, blos um den widerwärtigen
Fesseln am Hofe, die keinerlei freie Bewegung zuliessen, entrückt zu
sein. Unmündigen Kindern und ränkesüchtigen Frauen fiel häufig
das Erbe zu, und da dieselben ausser Stande waren, die Geschäfte
des Landes zu leiten, gab es Souveräne, welche herrschten, und be-
vorzugte Familien, denen das Amt des Major domus, des Regierens,
zufiel. Im Streben nach diesem grossen Einfluss suchten sich die
vornehmsten Geschlechter den Rang abzulaufen und brachten dadurch
häufige Bürgerkriege über das Land. Drei Familien, nämlich die
Fujiwara, Taira und Minamoto, spielen in dieser Beziehung
nach einander eine besonders hervorragende Rolle, wie dies im folgen-
den Abschnitte weiter gezeigt werden soll.

In den ersten Jahrhunderten des Reiches Yamato war die Re-
gierungsform sehr einfach. Damals gab es keinen Unterschied zwi-
schen Civil- und Militärbeamten. Jeder kräftige Mann war Soldat
und der Mikado der Führer seines Heeres. Niemals fiel der Ober-
befehl einem Unterthanen zu. War der Krieg vorbei, so löste sich
die Armee auf und es ging ein Jeder wieder seinen gewohnten fried-

Rein, Japan I. 17
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[257/0283] 1. Periode. Von der Gründung des Reiches Yamato etc. an nicht mehr zulässig und fand mit der Verlegung desselben nach Kiôto durch Kuwammu-Tennô sein Ende. So wurde Kiôto (in alten Werken stets Miako, d. h. Hauptstadt, genannt) gewissermassen das Herz Japans, von dem viele Jahrhunderte hindurch die Pulsschläge des nationalen Lebens ausgingen. Ôsaka (Naniwa) aber war die grosse Vorkammer, wenigstens für die materielle Seite desselben. Wie Pulsadern liefen von Kiôto die Hauptstrassen (dô) des Landes von N. und S. zusammen, jede als wichtiger Nahrungsleiter für einen langgestreckten Körpertheil, für eine durch das Meer und Gebirge eingefasste Reihe von Provinzen. Der Einfluss der chinesischen Civilisation auf den Hof war kein vortheilhafter. Es schwand der alte kriegerische Geist und trat Ver- weichlichung aller Art an seine Stelle. Man schuf ein ganzes Heer von Beamten und Titeln, modelte den Schnitt der Kleidung, des Haares, die Ceremonien und vieles Andere nach dem Range und überliess die viel wichtigere Sorge um das Land den Beamten und Generälen. Das Abdicieren in jungen Jahren wurde zur Mode, ent- weder um geschorenen Kopfes und zurückgezogen als buddhistischer Mönch das Leben zu verträumen, oder in Ausschweifungen aller Art es zu vergeuden; doch erfolgte es in den meisten Fällen wohl un- freiwillig. Auch kam es zur Zeit der Fujiwara vielfach vor, dass edeldenkende Herrscher, in ihrem Streben nach Selbständigkeit nach langem vergeblichen Ringen entmuthigt und verzweifelnd, den mäch- tigen Schutz eines Klosters aufsuchten, blos um den widerwärtigen Fesseln am Hofe, die keinerlei freie Bewegung zuliessen, entrückt zu sein. Unmündigen Kindern und ränkesüchtigen Frauen fiel häufig das Erbe zu, und da dieselben ausser Stande waren, die Geschäfte des Landes zu leiten, gab es Souveräne, welche herrschten, und be- vorzugte Familien, denen das Amt des Major domus, des Regierens, zufiel. Im Streben nach diesem grossen Einfluss suchten sich die vornehmsten Geschlechter den Rang abzulaufen und brachten dadurch häufige Bürgerkriege über das Land. Drei Familien, nämlich die Fujiwara, Taira und Minamoto, spielen in dieser Beziehung nach einander eine besonders hervorragende Rolle, wie dies im folgen- den Abschnitte weiter gezeigt werden soll. In den ersten Jahrhunderten des Reiches Yamato war die Re- gierungsform sehr einfach. Damals gab es keinen Unterschied zwi- schen Civil- und Militärbeamten. Jeder kräftige Mann war Soldat und der Mikado der Führer seines Heeres. Niemals fiel der Ober- befehl einem Unterthanen zu. War der Krieg vorbei, so löste sich die Armee auf und es ging ein Jeder wieder seinen gewohnten fried- Rein, Japan I. 17

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/283>, abgerufen am 24.11.2024.