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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881.

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I. Geschichte des japanischen Volkes.

Von sonstigen bemerkenswerthen Begebenheiten aus der Zeit des
Kuwammu-Tenno ist noch ein neuer Aufstand der Emishi im Norden
zu erwähnen, der bald durch Tamura-Maro unterdrückt wurde,
sowie die erste Einführung der Baumwolle. Indier strandeten, wie
die Chronik berichtet, an der Küste von Mikawa. Sie brachten Baum-
wollsamen von ihrem Schiffe an das Land, welchen man in den süd-
lichen und westlichen Provinzen vertheilte. Es scheint jedoch, dass
die Cultur später verloren gegangen ist, denn manche Anzeichen deuten
auf eine nochmalige, viel später erfolgte Einführung aus China hin.

Kuwammu substituierte zuerst den chinesischen Titel Tenno für
den alten japanischen Sumera oder Sumera-Mikoto.


Ueberblicken wir nochmals die Ereignisse, welche in den 14 Jahr-
hunderten seit der Begründung der Herrschaft Yamato durch Jimmu
Tenno bis zu Kuwammu-Tenno's Verlegung der Residenz nach Kioto
in den Vordergrund treten, so stehen die theilweise Eroberung von
Korea durch Jingu-Kogo um das Jahr 202 n. Chr. und ihre Folgen
ohne Zweifel allen anderen weit voran. Wenn auch in den folgenden
Jahrhunderten sich noch manche Expedition und viele Kämpfe an
diesen überseeischen Besitz knüpfen und das Abhängigkeitsverhältniss
der koreanischen Fürsten von Japan sich mehr und mehr bis zur
völligen Auflösung lockert, so wurden diese Jahrhunderte langen Be-
ziehungen zum asiatischen Festlande doch das Mittel, durch welches
neues Leben in die alten barbarischen Zustände Japans strömte. Es
ist der Strom der chinesischen Civilisation, der sich über Korea nach
dem Lande des Sonnenaufganges ergoss. Chinesische Staatseinrich-
tungen und Rechtspflege, chinesische Schrift und Literatur, chinesische
Ethik und Heilkunde, chinesische Künste und Gewerbe gelangten
meist auf diesem Wege nach Japan und fanden hier eine günstige
Aufnahme. Der Träger dieser eigenartigen Civilisation ist, weit mehr
als die einflussreiche Philosophie der chinesischen Weisen, der Buddhis-
mus. Dieser in Indien wurzelnde mächtige Baum breitete im 6. Jahr-
hundert unserer Zeitrechnung seine Aeste auch über Japan aus. Unter
seinem Schatten keimten und entwickelten sich weiter die Früchte,
wie er sie in China bereits gereift hatte. Der Machtentfaltung des
japanischen Volkes nach Aussen folgte nun die Verfeinerung des
Lebens nach Innen und das Bedürfniss, die vielen eingetragenen
Samen sich in Ruhe entwickeln zu lassen. Bisher hatte innerhalb
des Gokinai fast jeder neue Mikado sich eine andere Residenz ge-
wählt. Solch ein steter Wechsel des Regierungssitzes war von nun

I. Geschichte des japanischen Volkes.

Von sonstigen bemerkenswerthen Begebenheiten aus der Zeit des
Kuwammu-Tennô ist noch ein neuer Aufstand der Emishi im Norden
zu erwähnen, der bald durch Tamura-Maro unterdrückt wurde,
sowie die erste Einführung der Baumwolle. Indier strandeten, wie
die Chronik berichtet, an der Küste von Mikawa. Sie brachten Baum-
wollsamen von ihrem Schiffe an das Land, welchen man in den süd-
lichen und westlichen Provinzen vertheilte. Es scheint jedoch, dass
die Cultur später verloren gegangen ist, denn manche Anzeichen deuten
auf eine nochmalige, viel später erfolgte Einführung aus China hin.

Kuwammu substituierte zuerst den chinesischen Titel Tennô für
den alten japanischen Sumera oder Sumera-Mikoto.


Ueberblicken wir nochmals die Ereignisse, welche in den 14 Jahr-
hunderten seit der Begründung der Herrschaft Yamato durch Jimmu
Tennô bis zu Kuwammu-Tennô’s Verlegung der Residenz nach Kiôto
in den Vordergrund treten, so stehen die theilweise Eroberung von
Korea durch Jingu-Kôgô um das Jahr 202 n. Chr. und ihre Folgen
ohne Zweifel allen anderen weit voran. Wenn auch in den folgenden
Jahrhunderten sich noch manche Expedition und viele Kämpfe an
diesen überseeischen Besitz knüpfen und das Abhängigkeitsverhältniss
der koreanischen Fürsten von Japan sich mehr und mehr bis zur
völligen Auflösung lockert, so wurden diese Jahrhunderte langen Be-
ziehungen zum asiatischen Festlande doch das Mittel, durch welches
neues Leben in die alten barbarischen Zustände Japans strömte. Es
ist der Strom der chinesischen Civilisation, der sich über Korea nach
dem Lande des Sonnenaufganges ergoss. Chinesische Staatseinrich-
tungen und Rechtspflege, chinesische Schrift und Literatur, chinesische
Ethik und Heilkunde, chinesische Künste und Gewerbe gelangten
meist auf diesem Wege nach Japan und fanden hier eine günstige
Aufnahme. Der Träger dieser eigenartigen Civilisation ist, weit mehr
als die einflussreiche Philosophie der chinesischen Weisen, der Buddhis-
mus. Dieser in Indien wurzelnde mächtige Baum breitete im 6. Jahr-
hundert unserer Zeitrechnung seine Aeste auch über Japan aus. Unter
seinem Schatten keimten und entwickelten sich weiter die Früchte,
wie er sie in China bereits gereift hatte. Der Machtentfaltung des
japanischen Volkes nach Aussen folgte nun die Verfeinerung des
Lebens nach Innen und das Bedürfniss, die vielen eingetragenen
Samen sich in Ruhe entwickeln zu lassen. Bisher hatte innerhalb
des Gokinai fast jeder neue Mikado sich eine andere Residenz ge-
wählt. Solch ein steter Wechsel des Regierungssitzes war von nun

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[256/0282] I. Geschichte des japanischen Volkes. Von sonstigen bemerkenswerthen Begebenheiten aus der Zeit des Kuwammu-Tennô ist noch ein neuer Aufstand der Emishi im Norden zu erwähnen, der bald durch Tamura-Maro unterdrückt wurde, sowie die erste Einführung der Baumwolle. Indier strandeten, wie die Chronik berichtet, an der Küste von Mikawa. Sie brachten Baum- wollsamen von ihrem Schiffe an das Land, welchen man in den süd- lichen und westlichen Provinzen vertheilte. Es scheint jedoch, dass die Cultur später verloren gegangen ist, denn manche Anzeichen deuten auf eine nochmalige, viel später erfolgte Einführung aus China hin. Kuwammu substituierte zuerst den chinesischen Titel Tennô für den alten japanischen Sumera oder Sumera-Mikoto. Ueberblicken wir nochmals die Ereignisse, welche in den 14 Jahr- hunderten seit der Begründung der Herrschaft Yamato durch Jimmu Tennô bis zu Kuwammu-Tennô’s Verlegung der Residenz nach Kiôto in den Vordergrund treten, so stehen die theilweise Eroberung von Korea durch Jingu-Kôgô um das Jahr 202 n. Chr. und ihre Folgen ohne Zweifel allen anderen weit voran. Wenn auch in den folgenden Jahrhunderten sich noch manche Expedition und viele Kämpfe an diesen überseeischen Besitz knüpfen und das Abhängigkeitsverhältniss der koreanischen Fürsten von Japan sich mehr und mehr bis zur völligen Auflösung lockert, so wurden diese Jahrhunderte langen Be- ziehungen zum asiatischen Festlande doch das Mittel, durch welches neues Leben in die alten barbarischen Zustände Japans strömte. Es ist der Strom der chinesischen Civilisation, der sich über Korea nach dem Lande des Sonnenaufganges ergoss. Chinesische Staatseinrich- tungen und Rechtspflege, chinesische Schrift und Literatur, chinesische Ethik und Heilkunde, chinesische Künste und Gewerbe gelangten meist auf diesem Wege nach Japan und fanden hier eine günstige Aufnahme. Der Träger dieser eigenartigen Civilisation ist, weit mehr als die einflussreiche Philosophie der chinesischen Weisen, der Buddhis- mus. Dieser in Indien wurzelnde mächtige Baum breitete im 6. Jahr- hundert unserer Zeitrechnung seine Aeste auch über Japan aus. Unter seinem Schatten keimten und entwickelten sich weiter die Früchte, wie er sie in China bereits gereift hatte. Der Machtentfaltung des japanischen Volkes nach Aussen folgte nun die Verfeinerung des Lebens nach Innen und das Bedürfniss, die vielen eingetragenen Samen sich in Ruhe entwickeln zu lassen. Bisher hatte innerhalb des Gokinai fast jeder neue Mikado sich eine andere Residenz ge- wählt. Solch ein steter Wechsel des Regierungssitzes war von nun

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/282>, abgerufen am 17.05.2024.