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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881.

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I. Geschichte des japanischen Volkes.
eifrig ergeben, intelligent und sehr unterrichtet geschildert wird.
Seinem Einflusse, wahrscheinlich aber mehr noch dem der Bonzen,
ist es zuzuschreiben, dass die blutigen Kämpfe in Korea bald ein
Ende nahmen, bessere Beziehungen zu den Staaten jener Halbinsel
hergestellt wurden und Koma sogar einen Beitrag von 300 rios zu
einer Buddhastatue einsandte, ausserdem aber mehrere Priester. Einer
derselben, Doncho, ein grosser Gelehrter und Techniker zugleich,
lehrt die Japaner Papier und Tusche bereiten, sowie den Gebrauch
der Mühlsteine (gegen 600 n. Chr.). Aus Kudara kommt ein Tanz-
und Musiklehrer, und auch das himmlische Reich sendet seine Civili-
satoren. Ueberhaupt scheint unter der Herrschaft der Kaiserin Suiko
ein ziemlich lebhafter Verkehr zwischen China und Japan stattge-
funden zu haben, was auch aus einer chinesischen Geschichtsquelle,
durch Hervey de Saint-Denys ins Französische übersetzt, her-
vorgeht. Suiko-Tenno führte unter anderem auch die am chine-
sischen Hofe gebräuchlichen Aemter und Ceremonien ein, mit einer
scharf durchgeführten Rangordnung. Der Regent starb 10 Jahre
früher als die Kaiserin und erhielt den posthumen Titel Shotoku-
Taishi (Grosser Meister der strahlenden Tugendlehre). Bei seinem
Tode gab es nach dem Nihonshi bereits 46 Tera (Buddhatempel) und
816 Bozu (Bonzen oder Buddhapriester), sowie 569 Mönche in Japan.

Innere Kämpfe um die Thronfolge schwächten nach dem Tode
der Kaiserin das Land, und auch während der bemerkenswertheren
Regierung des 36. Mikado, Kotoku-Tenno, sowie seines Nachfolgers
war Japan unter einer Dictatur und die eigentliche Regierung nicht
in den Händen des Landesfürsten. Verschiedene Einrichtungen, fast
insgesammt China entnommen, dessen Staatsverfassung mehr und
mehr zum Muster gewählt wurde, sind aus der Zeit von Kotoku-Tenno
(645--654) besonders anzuführen, Institutionen, welche sich theilweise
bis zur Gegenwart erhalten haben. Hierher gehört vor allem die
Einführung des Kalenders und der Zeitrechnung der Chinesen mit
ihren Jahrperioden (Nengo), dem Thierkreis und Anderem mehr,
ferner der höchsten Aemter des Sadaijin, Udaijin und Naidaijin *).
Auch die genauere Eintheilung Japans in das Kinai und die 7 Do
schreibt man der Regierung des 36. Mikado zu, wie nicht minder
ein strenges Verbot gegen die uralte Sitte der Beerdigung lebender
Diener (Sklaven) und Frauen mit den Leichnamen ihrer Herren, woraus

*) Daijin = grosser Minister, Sa = links, U = rechts, Nai = innere, privat.
Die linke Seite geht in Japan vor der rechten und so steht der Sadaijin höher
als der Udaijin.

I. Geschichte des japanischen Volkes.
eifrig ergeben, intelligent und sehr unterrichtet geschildert wird.
Seinem Einflusse, wahrscheinlich aber mehr noch dem der Bonzen,
ist es zuzuschreiben, dass die blutigen Kämpfe in Korea bald ein
Ende nahmen, bessere Beziehungen zu den Staaten jener Halbinsel
hergestellt wurden und Koma sogar einen Beitrag von 300 rios zu
einer Buddhastatue einsandte, ausserdem aber mehrere Priester. Einer
derselben, Donchô, ein grosser Gelehrter und Techniker zugleich,
lehrt die Japaner Papier und Tusche bereiten, sowie den Gebrauch
der Mühlsteine (gegen 600 n. Chr.). Aus Kudara kommt ein Tanz-
und Musiklehrer, und auch das himmlische Reich sendet seine Civili-
satoren. Ueberhaupt scheint unter der Herrschaft der Kaiserin Suikô
ein ziemlich lebhafter Verkehr zwischen China und Japan stattge-
funden zu haben, was auch aus einer chinesischen Geschichtsquelle,
durch Hervey de Saint-Denys ins Französische übersetzt, her-
vorgeht. Suikô-Tennô führte unter anderem auch die am chine-
sischen Hofe gebräuchlichen Aemter und Ceremonien ein, mit einer
scharf durchgeführten Rangordnung. Der Regent starb 10 Jahre
früher als die Kaiserin und erhielt den posthumen Titel Shotoku-
Taishi (Grosser Meister der strahlenden Tugendlehre). Bei seinem
Tode gab es nach dem Nihonshi bereits 46 Tera (Buddhatempel) und
816 Bozu (Bonzen oder Buddhapriester), sowie 569 Mönche in Japan.

Innere Kämpfe um die Thronfolge schwächten nach dem Tode
der Kaiserin das Land, und auch während der bemerkenswertheren
Regierung des 36. Mikado, Kôtoku-Tennô, sowie seines Nachfolgers
war Japan unter einer Dictatur und die eigentliche Regierung nicht
in den Händen des Landesfürsten. Verschiedene Einrichtungen, fast
insgesammt China entnommen, dessen Staatsverfassung mehr und
mehr zum Muster gewählt wurde, sind aus der Zeit von Kôtoku-Tennô
(645—654) besonders anzuführen, Institutionen, welche sich theilweise
bis zur Gegenwart erhalten haben. Hierher gehört vor allem die
Einführung des Kalenders und der Zeitrechnung der Chinesen mit
ihren Jahrperioden (Nengô), dem Thierkreis und Anderem mehr,
ferner der höchsten Aemter des Sadaijin, Udaijin und Naidaijin *).
Auch die genauere Eintheilung Japans in das Kinai und die 7 Dô
schreibt man der Regierung des 36. Mikado zu, wie nicht minder
ein strenges Verbot gegen die uralte Sitte der Beerdigung lebender
Diener (Sklaven) und Frauen mit den Leichnamen ihrer Herren, woraus

*) Daijin = grosser Minister, Sa = links, U = rechts, Nai = innere, privat.
Die linke Seite geht in Japan vor der rechten und so steht der Sadaijin höher
als der Udaijin.
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[252/0278] I. Geschichte des japanischen Volkes. eifrig ergeben, intelligent und sehr unterrichtet geschildert wird. Seinem Einflusse, wahrscheinlich aber mehr noch dem der Bonzen, ist es zuzuschreiben, dass die blutigen Kämpfe in Korea bald ein Ende nahmen, bessere Beziehungen zu den Staaten jener Halbinsel hergestellt wurden und Koma sogar einen Beitrag von 300 rios zu einer Buddhastatue einsandte, ausserdem aber mehrere Priester. Einer derselben, Donchô, ein grosser Gelehrter und Techniker zugleich, lehrt die Japaner Papier und Tusche bereiten, sowie den Gebrauch der Mühlsteine (gegen 600 n. Chr.). Aus Kudara kommt ein Tanz- und Musiklehrer, und auch das himmlische Reich sendet seine Civili- satoren. Ueberhaupt scheint unter der Herrschaft der Kaiserin Suikô ein ziemlich lebhafter Verkehr zwischen China und Japan stattge- funden zu haben, was auch aus einer chinesischen Geschichtsquelle, durch Hervey de Saint-Denys ins Französische übersetzt, her- vorgeht. Suikô-Tennô führte unter anderem auch die am chine- sischen Hofe gebräuchlichen Aemter und Ceremonien ein, mit einer scharf durchgeführten Rangordnung. Der Regent starb 10 Jahre früher als die Kaiserin und erhielt den posthumen Titel Shotoku- Taishi (Grosser Meister der strahlenden Tugendlehre). Bei seinem Tode gab es nach dem Nihonshi bereits 46 Tera (Buddhatempel) und 816 Bozu (Bonzen oder Buddhapriester), sowie 569 Mönche in Japan. Innere Kämpfe um die Thronfolge schwächten nach dem Tode der Kaiserin das Land, und auch während der bemerkenswertheren Regierung des 36. Mikado, Kôtoku-Tennô, sowie seines Nachfolgers war Japan unter einer Dictatur und die eigentliche Regierung nicht in den Händen des Landesfürsten. Verschiedene Einrichtungen, fast insgesammt China entnommen, dessen Staatsverfassung mehr und mehr zum Muster gewählt wurde, sind aus der Zeit von Kôtoku-Tennô (645—654) besonders anzuführen, Institutionen, welche sich theilweise bis zur Gegenwart erhalten haben. Hierher gehört vor allem die Einführung des Kalenders und der Zeitrechnung der Chinesen mit ihren Jahrperioden (Nengô), dem Thierkreis und Anderem mehr, ferner der höchsten Aemter des Sadaijin, Udaijin und Naidaijin *). Auch die genauere Eintheilung Japans in das Kinai und die 7 Dô schreibt man der Regierung des 36. Mikado zu, wie nicht minder ein strenges Verbot gegen die uralte Sitte der Beerdigung lebender Diener (Sklaven) und Frauen mit den Leichnamen ihrer Herren, woraus *) Daijin = grosser Minister, Sa = links, U = rechts, Nai = innere, privat. Die linke Seite geht in Japan vor der rechten und so steht der Sadaijin höher als der Udaijin.

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/278>, abgerufen am 24.11.2024.