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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881.

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I. Zur Orientierung.
er die chinesische Bezeichnung Dschi-pen-Kue*) oder Dschi-pon wie-
der, welche die Japaner in Nippon oder Nihon umgewandelt und all-
gemein als Bezeichnung ihres Landes an Stelle älterer einheimischer
Benennungen angenommen haben. Das Wort Nippon (Nihon) stammt
von nitsu, Sonne, und hon, Aufgang, Ursprung, und wurde von den
Chinesen in demselben Sinne angewandt, in welchem den Europäern
die Bezeichnungen Levante, Orient und Morgenland geläufig wurden,
oder wie Dagoe den Schweden**).

Nippon heisst bei den romanischen Völkern Japon, bei den ger-
manischen Japan, Namen, welche durch die Portugiesen, beziehungs-
weise Holländer eingeführt wurden, von den Japanern (Nippon-jin
d. h. Nippon-Leute) nicht angewandt werden und als Corruptionen
des Wortes Nippon zu betrachten sind. Dieses bezieht der Einge-
borene stets auf das ganze Reich, nie wie die Europäer auf die Haupt-
insel allein, für welche er sonderbarer Weise keinen besonderen Na-
men hat, denn die Ausdrücke Honshin oder Jicata, Hauptland, Hondo,
Haupttheil, welche in der Neuzeit auch von den Japanern wiederholt
angewandt wurden, werden vom Volke nicht gebraucht und erlangen
wohl erst allmählich allgemeines Bürgerrecht.

In dem ältesten deutschen Buche über Nippon von Johann Meyer,
welches 1587 in Dillingen erschien, betitelt: "Neue, wahrhafte aus-
führliche Beschreibung der jüngst abgesandten japanischen Lega-
tionen", einer Uebersetzung aus dem Italienischen, wird das Land
Japon oder Japonien genannt.

Die Japaner sahen in ihrer früheren Abgeschiedenheit, ähnlich
wie so viele andere Völker, ihr Land als Centrum und wichtigsten
Theil der Welt an, freilich einer beschränkten Welt; denn dieselbe
wurde nach ihrer Auffassung begrenzt: im Osten vom Tai-yo oder
Taihei-Kai, dem grossen Weltmeer oder Stillen Ocean, im Norden
durch Makatsu, worunter Karafto (Saghalin) verstanden wird***), im
Westen durch Kara oder Shina (China), nach Süden durch Tenjiku
(Himmels-Stütze) oder Indien, woran man Portugal, Holland und an-
dere Länder, von denen man gehört hatte, unmittelbar anschloss.
Dem Namen Nippon wurde "Dai", gross, vorgesetzt und diese Be-
nennung auch bei Regierungs-Documenten angewandt. So beginnt
z. B. noch der 1876 mit Korea abgeschlossene Vertrag mit den Wor-

*) v. Richthofen schreibt: Ji-pönn-kwo.
**) Die japanische Flagge führt eine rothe Sonne in weissem Felde.
***) Der Name Makatsu findet sich auf dem Denkstein Tagajo-no-hi östlich
von Sendai; siehe meine Notizen darüber im 7. Heft der deutschen ostasiatischen
Gesellschaft.

I. Zur Orientierung.
er die chinesische Bezeichnung Dschi-pen-Kuë*) oder Dschi-pon wie-
der, welche die Japaner in Nippon oder Nihon umgewandelt und all-
gemein als Bezeichnung ihres Landes an Stelle älterer einheimischer
Benennungen angenommen haben. Das Wort Nippon (Nihon) stammt
von nitsu, Sonne, und hon, Aufgang, Ursprung, und wurde von den
Chinesen in demselben Sinne angewandt, in welchem den Europäern
die Bezeichnungen Levante, Orient und Morgenland geläufig wurden,
oder wie Dagoe den Schweden**).

Nippon heisst bei den romanischen Völkern Japón, bei den ger-
manischen Japán, Namen, welche durch die Portugiesen, beziehungs-
weise Holländer eingeführt wurden, von den Japánern (Nippon-jin
d. h. Nippon-Leute) nicht angewandt werden und als Corruptionen
des Wortes Nippon zu betrachten sind. Dieses bezieht der Einge-
borene stets auf das ganze Reich, nie wie die Europäer auf die Haupt-
insel allein, für welche er sonderbarer Weise keinen besonderen Na-
men hat, denn die Ausdrücke Honshin oder Jicata, Hauptland, Hondo,
Haupttheil, welche in der Neuzeit auch von den Japanern wiederholt
angewandt wurden, werden vom Volke nicht gebraucht und erlangen
wohl erst allmählich allgemeines Bürgerrecht.

In dem ältesten deutschen Buche über Nippon von Johann Meyer,
welches 1587 in Dillingen erschien, betitelt: »Neue, wahrhafte aus-
führliche Beschreibung der jüngst abgesandten japanischen Lega-
tionen«, einer Uebersetzung aus dem Italienischen, wird das Land
Japón oder Japónien genannt.

Die Japaner sahen in ihrer früheren Abgeschiedenheit, ähnlich
wie so viele andere Völker, ihr Land als Centrum und wichtigsten
Theil der Welt an, freilich einer beschränkten Welt; denn dieselbe
wurde nach ihrer Auffassung begrenzt: im Osten vom Tai-yô oder
Taihei-Kai, dem grossen Weltmeer oder Stillen Ocean, im Norden
durch Makatsu, worunter Karafto (Saghalin) verstanden wird***), im
Westen durch Kara oder Shina (China), nach Süden durch Tenjiku
(Himmels-Stütze) oder Indien, woran man Portugal, Holland und an-
dere Länder, von denen man gehört hatte, unmittelbar anschloss.
Dem Namen Nippon wurde »Dai«, gross, vorgesetzt und diese Be-
nennung auch bei Regierungs-Documenten angewandt. So beginnt
z. B. noch der 1876 mit Korea abgeschlossene Vertrag mit den Wor-

*) v. Richthofen schreibt: Ji-pönn-kwo.
**) Die japanische Flagge führt eine rothe Sonne in weissem Felde.
***) Der Name Makatsu findet sich auf dem Denkstein Tagajô-no-hi östlich
von Sendai; siehe meine Notizen darüber im 7. Heft der deutschen ostasiatischen
Gesellschaft.
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[6/0026] I. Zur Orientierung. er die chinesische Bezeichnung Dschi-pen-Kuë *) oder Dschi-pon wie- der, welche die Japaner in Nippon oder Nihon umgewandelt und all- gemein als Bezeichnung ihres Landes an Stelle älterer einheimischer Benennungen angenommen haben. Das Wort Nippon (Nihon) stammt von nitsu, Sonne, und hon, Aufgang, Ursprung, und wurde von den Chinesen in demselben Sinne angewandt, in welchem den Europäern die Bezeichnungen Levante, Orient und Morgenland geläufig wurden, oder wie Dagoe den Schweden **). Nippon heisst bei den romanischen Völkern Japón, bei den ger- manischen Japán, Namen, welche durch die Portugiesen, beziehungs- weise Holländer eingeführt wurden, von den Japánern (Nippon-jin d. h. Nippon-Leute) nicht angewandt werden und als Corruptionen des Wortes Nippon zu betrachten sind. Dieses bezieht der Einge- borene stets auf das ganze Reich, nie wie die Europäer auf die Haupt- insel allein, für welche er sonderbarer Weise keinen besonderen Na- men hat, denn die Ausdrücke Honshin oder Jicata, Hauptland, Hondo, Haupttheil, welche in der Neuzeit auch von den Japanern wiederholt angewandt wurden, werden vom Volke nicht gebraucht und erlangen wohl erst allmählich allgemeines Bürgerrecht. In dem ältesten deutschen Buche über Nippon von Johann Meyer, welches 1587 in Dillingen erschien, betitelt: »Neue, wahrhafte aus- führliche Beschreibung der jüngst abgesandten japanischen Lega- tionen«, einer Uebersetzung aus dem Italienischen, wird das Land Japón oder Japónien genannt. Die Japaner sahen in ihrer früheren Abgeschiedenheit, ähnlich wie so viele andere Völker, ihr Land als Centrum und wichtigsten Theil der Welt an, freilich einer beschränkten Welt; denn dieselbe wurde nach ihrer Auffassung begrenzt: im Osten vom Tai-yô oder Taihei-Kai, dem grossen Weltmeer oder Stillen Ocean, im Norden durch Makatsu, worunter Karafto (Saghalin) verstanden wird ***), im Westen durch Kara oder Shina (China), nach Süden durch Tenjiku (Himmels-Stütze) oder Indien, woran man Portugal, Holland und an- dere Länder, von denen man gehört hatte, unmittelbar anschloss. Dem Namen Nippon wurde »Dai«, gross, vorgesetzt und diese Be- nennung auch bei Regierungs-Documenten angewandt. So beginnt z. B. noch der 1876 mit Korea abgeschlossene Vertrag mit den Wor- *) v. Richthofen schreibt: Ji-pönn-kwo. **) Die japanische Flagge führt eine rothe Sonne in weissem Felde. ***) Der Name Makatsu findet sich auf dem Denkstein Tagajô-no-hi östlich von Sendai; siehe meine Notizen darüber im 7. Heft der deutschen ostasiatischen Gesellschaft.

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/26>, abgerufen am 23.04.2024.