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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881.

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VIII. Fauna.
Pfeilen. Sie bereiten das Gift aus Udzu, den Wurzeln des Tori-kabuto
(Aconitum Fischeri Rehb., A. napellus Thbg.). Früher pflegten sie
mit den Schädeln der erlegten Thiere die Pfähle der todten Zäune
um ihre Wohnungen zu krönen, während junge Bären oft von ihnen
aufgezogen und wie übernatürliche Wesen göttlich verehrt wurden.

Der japanische Dachs (Meles Anakuma Tem.) ist namentlich in
Echigo und Akita häufig, doch auch sonst weit verbreitet. Man jagt
ihn im Herbst mit Hunden, geniesst das fette Fleisch und benutzt
das schöne Pelzwerk, welches an das des Waschbären erinnert, zum
Schutze gegen die Kälte. Sein Siebold'scher Name Anakuma
(Höhlenbär) ist wenig gebräuchlich, wohl aber nennt man ihn Sasa-
kuma (Bambusbär) nach Bambusa Kumasasa Zoll., doch ist die ge-
wöhnliche Benennung Mujina, welche nicht für Nyctereutes viverrinus
gilt, wie Siebold angibt.

Wenig aufgeklärt ist noch das Vorkommen und die Lebensweise
von Canis hodopylax, dem japanischen Wolf oder Yama-inu (Berg-
hund), der seinem europäischen Verwandten an Grösse weit nachsteht
und zu den seltensten Säugethieren des Landes gehört, doch soll man
in den Bergwaldungen von Yamato sein Heulen oft vernehmen.

Eine wohl bekannte, überaus häufige und sehr interessante Ge-
stalt ist die des Kitsune oder Fuchses (Canis vulpes L.), der selbst
den Gärten der grossen Städte nicht fehlt und seiner Schlauheit und
diebischen Neigungen wegen eine noch viel populärere Rolle spielt,
als im Volksmunde Europas. Seiner Klugheit wegen wurde Kitsune
unter die Wächter der Tempel aufgenommen und, aus Holz oder Stein
in sitzender Stellung nachgebildet, an die Eingänge postiert, während
er anderseits als Ernte- und Reisgott unter dem Namen Inari-sama
göttliche Verehrung geniesst. Die ihm geweihten Tempelchen treffen
wir häufig auf kleinen Erhöhungen inmitten der Felder, von Bambus-
gebüsch oder einigen Bäumen, vornehmlich Kiefern, umgeben, und
werden durch zwei in Stein ausgehauene sitzende Füchse zu beiden
Seiten des schmalen Pfades, der von unserem Wege ab zu demselben
führt, darauf aufmerksam. Eine besonders bevorzugte Stellung in
der Dienerschaft Inari-sama's haben weisse Füchse, und wer einem
solchen seltenen Albino einmal in seinem Leben begegnet, deutet sich
dies als ein besonders glückliches Ereigniss. Bei der Huldigung, die
man Inari-sama darbringt, scheint indess der Landwirth mehr das
Böse eines gefürchteten Teufels verhüten als einem segenspendenden
Gotte dienen zu wollen.

Allgemein verbreitet bei Hoch und Niedrig ist der Glaube an die
Fähigkeit des Fuchses, den Wanderer vom rechten Wege ablenken,

VIII. Fauna.
Pfeilen. Sie bereiten das Gift aus Udzu, den Wurzeln des Tori-kabuto
(Aconitum Fischeri Rehb., A. napellus Thbg.). Früher pflegten sie
mit den Schädeln der erlegten Thiere die Pfähle der todten Zäune
um ihre Wohnungen zu krönen, während junge Bären oft von ihnen
aufgezogen und wie übernatürliche Wesen göttlich verehrt wurden.

Der japanische Dachs (Meles Anakuma Tem.) ist namentlich in
Echigo und Akita häufig, doch auch sonst weit verbreitet. Man jagt
ihn im Herbst mit Hunden, geniesst das fette Fleisch und benutzt
das schöne Pelzwerk, welches an das des Waschbären erinnert, zum
Schutze gegen die Kälte. Sein Siebold’scher Name Anakuma
(Höhlenbär) ist wenig gebräuchlich, wohl aber nennt man ihn Sasa-
kuma (Bambusbär) nach Bambusa Kumasasa Zoll., doch ist die ge-
wöhnliche Benennung Mujina, welche nicht für Nyctereutes viverrinus
gilt, wie Siebold angibt.

Wenig aufgeklärt ist noch das Vorkommen und die Lebensweise
von Canis hodopylax, dem japanischen Wolf oder Yama-inu (Berg-
hund), der seinem europäischen Verwandten an Grösse weit nachsteht
und zu den seltensten Säugethieren des Landes gehört, doch soll man
in den Bergwaldungen von Yamato sein Heulen oft vernehmen.

Eine wohl bekannte, überaus häufige und sehr interessante Ge-
stalt ist die des Kitsune oder Fuchses (Canis vulpes L.), der selbst
den Gärten der grossen Städte nicht fehlt und seiner Schlauheit und
diebischen Neigungen wegen eine noch viel populärere Rolle spielt,
als im Volksmunde Europas. Seiner Klugheit wegen wurde Kitsune
unter die Wächter der Tempel aufgenommen und, aus Holz oder Stein
in sitzender Stellung nachgebildet, an die Eingänge postiert, während
er anderseits als Ernte- und Reisgott unter dem Namen Inari-sama
göttliche Verehrung geniesst. Die ihm geweihten Tempelchen treffen
wir häufig auf kleinen Erhöhungen inmitten der Felder, von Bambus-
gebüsch oder einigen Bäumen, vornehmlich Kiefern, umgeben, und
werden durch zwei in Stein ausgehauene sitzende Füchse zu beiden
Seiten des schmalen Pfades, der von unserem Wege ab zu demselben
führt, darauf aufmerksam. Eine besonders bevorzugte Stellung in
der Dienerschaft Inari-sama’s haben weisse Füchse, und wer einem
solchen seltenen Albino einmal in seinem Leben begegnet, deutet sich
dies als ein besonders glückliches Ereigniss. Bei der Huldigung, die
man Inari-sama darbringt, scheint indess der Landwirth mehr das
Böse eines gefürchteten Teufels verhüten als einem segenspendenden
Gotte dienen zu wollen.

Allgemein verbreitet bei Hoch und Niedrig ist der Glaube an die
Fähigkeit des Fuchses, den Wanderer vom rechten Wege ablenken,

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[204/0228] VIII. Fauna. Pfeilen. Sie bereiten das Gift aus Udzu, den Wurzeln des Tori-kabuto (Aconitum Fischeri Rehb., A. napellus Thbg.). Früher pflegten sie mit den Schädeln der erlegten Thiere die Pfähle der todten Zäune um ihre Wohnungen zu krönen, während junge Bären oft von ihnen aufgezogen und wie übernatürliche Wesen göttlich verehrt wurden. Der japanische Dachs (Meles Anakuma Tem.) ist namentlich in Echigo und Akita häufig, doch auch sonst weit verbreitet. Man jagt ihn im Herbst mit Hunden, geniesst das fette Fleisch und benutzt das schöne Pelzwerk, welches an das des Waschbären erinnert, zum Schutze gegen die Kälte. Sein Siebold’scher Name Anakuma (Höhlenbär) ist wenig gebräuchlich, wohl aber nennt man ihn Sasa- kuma (Bambusbär) nach Bambusa Kumasasa Zoll., doch ist die ge- wöhnliche Benennung Mujina, welche nicht für Nyctereutes viverrinus gilt, wie Siebold angibt. Wenig aufgeklärt ist noch das Vorkommen und die Lebensweise von Canis hodopylax, dem japanischen Wolf oder Yama-inu (Berg- hund), der seinem europäischen Verwandten an Grösse weit nachsteht und zu den seltensten Säugethieren des Landes gehört, doch soll man in den Bergwaldungen von Yamato sein Heulen oft vernehmen. Eine wohl bekannte, überaus häufige und sehr interessante Ge- stalt ist die des Kitsune oder Fuchses (Canis vulpes L.), der selbst den Gärten der grossen Städte nicht fehlt und seiner Schlauheit und diebischen Neigungen wegen eine noch viel populärere Rolle spielt, als im Volksmunde Europas. Seiner Klugheit wegen wurde Kitsune unter die Wächter der Tempel aufgenommen und, aus Holz oder Stein in sitzender Stellung nachgebildet, an die Eingänge postiert, während er anderseits als Ernte- und Reisgott unter dem Namen Inari-sama göttliche Verehrung geniesst. Die ihm geweihten Tempelchen treffen wir häufig auf kleinen Erhöhungen inmitten der Felder, von Bambus- gebüsch oder einigen Bäumen, vornehmlich Kiefern, umgeben, und werden durch zwei in Stein ausgehauene sitzende Füchse zu beiden Seiten des schmalen Pfades, der von unserem Wege ab zu demselben führt, darauf aufmerksam. Eine besonders bevorzugte Stellung in der Dienerschaft Inari-sama’s haben weisse Füchse, und wer einem solchen seltenen Albino einmal in seinem Leben begegnet, deutet sich dies als ein besonders glückliches Ereigniss. Bei der Huldigung, die man Inari-sama darbringt, scheint indess der Landwirth mehr das Böse eines gefürchteten Teufels verhüten als einem segenspendenden Gotte dienen zu wollen. Allgemein verbreitet bei Hoch und Niedrig ist der Glaube an die Fähigkeit des Fuchses, den Wanderer vom rechten Wege ablenken,

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/228>, abgerufen am 06.05.2024.