der Nachbarschaft und der ganzen Nordhälfte des alten Continentes, doch ihr eigenartiges Gepräge, wenn es sich auch in den verschie- denen Thierklassen ungleich stark ausspricht. Es zeigt sich in der Abwesenheit mancher continentaler Gattungen, in der Variation gemein- samer Arten und in dem Nochauftreten von anderen, die in den Nach- barländern verschwunden zu sein scheinen und zu alten Stämmen ge- rechnet werden müssen. So lange indess Korea auch in zoologischer Hin- sicht noch terra incognita ist, werden vergleichende Betrachtungen über die Anzahl und Differenzierung japanischer Arten mit denen des Fest- landes auf unsicheren Füssen stehen; denn die Bedeutung, welche jene Halbinsel als vermittelndes Glied hat, wird kaum zu überschätzen sein.
Die allgemeine Regel, wonach Fauna und Flora der Inseln ärmer sind, als beim benachbarten Festlande, dem sie gewöhnlich ent- stammen, ist auf Japan kaum anwendbar. Hier überrascht nament- lich auch die Insectenwelt durch einen grossen Reichthum an Formen und Individuen, dergestalt, dass ein fleissiger Sammler von Käfern, Schmetterlingen, Netzflüglern etc. in einem Umkreise von wenigen Meilen bei Tokio mehr Arten auffindet, als die gesammten britischen Inseln aufweisen, mit denen man wohl zuweilen Japan hinsichtlich seiner Grösse und Lage zum nächsten Festlande vergleicht.
Besonders reich an Arten und meist auch an Individuen, nament- lich bezüglich der Fische, Krusten- und Weichthiere ist die Meeres- fauna. Hier reichen sich wieder, wie bei der Flora, Tropen und Polarregion -- die Philippinen nebst Formosa und Kamtschatka -- gewissermassen die Hand, indem die Lage und Längenausdehnung der Inseln, Meeresströmungen und Klima ein theilweises Berühren und Vermischen beider Zonen bewirken.
Herrscht auf dem Lande und im Süsswasser der Charakter der gemässigten Zone des alten Continentes hinsichtlich der Thierwelt vor, so gilt dies keineswegs auch für die Meeresfauna. Hier überwiegen vielmehr tropische und subtropische Gattungen und Arten und es zeigen sich weit mehr Species, denen man auch in den malayischen und indischen Gewässern begegnet, als solche aus dem Polarmeere. Nebenher läuft eine sehr beträchtliche Anzahl specifisch japanischer Arten, obgleich man annehmen darf, dass eine gründliche Erforschung benachbarter Gebiete für manche derselben einen viel grösseren Ver- breitungsbezirk ergeben wird.
Wenn in den malakozoischen Arbeiten von Woodward, Adams, Liesche, von Schrenk und Anderen Japan als besondere Provinz aufgestellt wird, so dürfte diese nach Norden durch die Tsugaru- Strasse für die Ostseite und durch die La Perouse-Strasse für die
VIII. Fauna.
der Nachbarschaft und der ganzen Nordhälfte des alten Continentes, doch ihr eigenartiges Gepräge, wenn es sich auch in den verschie- denen Thierklassen ungleich stark ausspricht. Es zeigt sich in der Abwesenheit mancher continentaler Gattungen, in der Variation gemein- samer Arten und in dem Nochauftreten von anderen, die in den Nach- barländern verschwunden zu sein scheinen und zu alten Stämmen ge- rechnet werden müssen. So lange indess Korea auch in zoologischer Hin- sicht noch terra incognita ist, werden vergleichende Betrachtungen über die Anzahl und Differenzierung japanischer Arten mit denen des Fest- landes auf unsicheren Füssen stehen; denn die Bedeutung, welche jene Halbinsel als vermittelndes Glied hat, wird kaum zu überschätzen sein.
Die allgemeine Regel, wonach Fauna und Flora der Inseln ärmer sind, als beim benachbarten Festlande, dem sie gewöhnlich ent- stammen, ist auf Japan kaum anwendbar. Hier überrascht nament- lich auch die Insectenwelt durch einen grossen Reichthum an Formen und Individuen, dergestalt, dass ein fleissiger Sammler von Käfern, Schmetterlingen, Netzflüglern etc. in einem Umkreise von wenigen Meilen bei Tôkio mehr Arten auffindet, als die gesammten britischen Inseln aufweisen, mit denen man wohl zuweilen Japan hinsichtlich seiner Grösse und Lage zum nächsten Festlande vergleicht.
Besonders reich an Arten und meist auch an Individuen, nament- lich bezüglich der Fische, Krusten- und Weichthiere ist die Meeres- fauna. Hier reichen sich wieder, wie bei der Flora, Tropen und Polarregion — die Philippinen nebst Formosa und Kamtschatka — gewissermassen die Hand, indem die Lage und Längenausdehnung der Inseln, Meeresströmungen und Klima ein theilweises Berühren und Vermischen beider Zonen bewirken.
Herrscht auf dem Lande und im Süsswasser der Charakter der gemässigten Zone des alten Continentes hinsichtlich der Thierwelt vor, so gilt dies keineswegs auch für die Meeresfauna. Hier überwiegen vielmehr tropische und subtropische Gattungen und Arten und es zeigen sich weit mehr Species, denen man auch in den malayischen und indischen Gewässern begegnet, als solche aus dem Polarmeere. Nebenher läuft eine sehr beträchtliche Anzahl specifisch japanischer Arten, obgleich man annehmen darf, dass eine gründliche Erforschung benachbarter Gebiete für manche derselben einen viel grösseren Ver- breitungsbezirk ergeben wird.
Wenn in den malakozoischen Arbeiten von Woodward, Adams, Liesche, von Schrenk und Anderen Japan als besondere Provinz aufgestellt wird, so dürfte diese nach Norden durch die Tsugaru- Strasse für die Ostseite und durch die La Pérouse-Strasse für die
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VIII. Fauna.
der Nachbarschaft und der ganzen Nordhälfte des alten Continentes,
doch ihr eigenartiges Gepräge, wenn es sich auch in den verschie-
denen Thierklassen ungleich stark ausspricht. Es zeigt sich in der
Abwesenheit mancher continentaler Gattungen, in der Variation gemein-
samer Arten und in dem Nochauftreten von anderen, die in den Nach-
barländern verschwunden zu sein scheinen und zu alten Stämmen ge-
rechnet werden müssen. So lange indess Korea auch in zoologischer Hin-
sicht noch terra incognita ist, werden vergleichende Betrachtungen über
die Anzahl und Differenzierung japanischer Arten mit denen des Fest-
landes auf unsicheren Füssen stehen; denn die Bedeutung, welche jene
Halbinsel als vermittelndes Glied hat, wird kaum zu überschätzen sein.
Die allgemeine Regel, wonach Fauna und Flora der Inseln ärmer
sind, als beim benachbarten Festlande, dem sie gewöhnlich ent-
stammen, ist auf Japan kaum anwendbar. Hier überrascht nament-
lich auch die Insectenwelt durch einen grossen Reichthum an Formen
und Individuen, dergestalt, dass ein fleissiger Sammler von Käfern,
Schmetterlingen, Netzflüglern etc. in einem Umkreise von wenigen
Meilen bei Tôkio mehr Arten auffindet, als die gesammten britischen
Inseln aufweisen, mit denen man wohl zuweilen Japan hinsichtlich
seiner Grösse und Lage zum nächsten Festlande vergleicht.
Besonders reich an Arten und meist auch an Individuen, nament-
lich bezüglich der Fische, Krusten- und Weichthiere ist die Meeres-
fauna. Hier reichen sich wieder, wie bei der Flora, Tropen und
Polarregion — die Philippinen nebst Formosa und Kamtschatka —
gewissermassen die Hand, indem die Lage und Längenausdehnung
der Inseln, Meeresströmungen und Klima ein theilweises Berühren
und Vermischen beider Zonen bewirken.
Herrscht auf dem Lande und im Süsswasser der Charakter der
gemässigten Zone des alten Continentes hinsichtlich der Thierwelt vor,
so gilt dies keineswegs auch für die Meeresfauna. Hier überwiegen
vielmehr tropische und subtropische Gattungen und Arten und es
zeigen sich weit mehr Species, denen man auch in den malayischen
und indischen Gewässern begegnet, als solche aus dem Polarmeere.
Nebenher läuft eine sehr beträchtliche Anzahl specifisch japanischer
Arten, obgleich man annehmen darf, dass eine gründliche Erforschung
benachbarter Gebiete für manche derselben einen viel grösseren Ver-
breitungsbezirk ergeben wird.
Wenn in den malakozoischen Arbeiten von Woodward, Adams,
Liesche, von Schrenk und Anderen Japan als besondere Provinz
aufgestellt wird, so dürfte diese nach Norden durch die Tsugaru-
Strasse für die Ostseite und durch die La Pérouse-Strasse für die
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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/224>, abgerufen am 03.12.2024.
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