Niigata S.-, SW.-, W.- und NW.-Winde, in Tokio N.- und NO.-Winde, in Nagasaki N.- und NW.-Winde.
In Tokio dauert der Nordostwind zuweilen eine Woche an und bringt bei hohem Barometerstande schönes, klares Wetter mit leichtem Frost während der Nacht. Seiner Drehung nach O. und SO. folgt gewöhnlich Regen, doch sind Winde aus dieser letzten Richtung im Winter gerade nicht häufig.
Staubstürme, wie sie im Winter China so häufig heimsuchen, kommen in Japan nur selten vor. Doch erlebte ich einen solchen in Tokio am 4. Februar 1875. Das Thermometer war Nachts auf --6,5°C. gefallen und erhob sich auch im Laufe des Tages nicht über +4,5°C., das Wetterglas ging gegen 11 Uhr Morgens auf 743,4 mm herunter. Von Norden her wehte ein kalter, heftiger Wind, die Häuser schaukelten bei seinen Stössen, und die Gegenstände an den Wänden vibrierten, wie bei einem starken Erdbeben. Nach wochen- langer Trockenheit war durch ihn der leichte, lockere Staub von Feldern und Wegen zu bedeutender Höhe emporgewirbelt worden, so dass, obgleich der Himmel wolkenleer zu sein schien, von dem- selben keine Spur zu sehen war, mit Ausnahme eines kleinen matt- begrenzten Ringes um die Sonne. Diese selbst schien herabgestiegen zu sein und als eine gelbrothe Kugel im Staubmeere zu schwimmen; ihre Strahlen vermochten die Erde nicht zu erreichen und keine Schatten zu werfen. Die Erde selbst war wie in einen dichten Nebel gehüllt, nur dass das Grau des letzteren sich mit einem eigenthüm- lichen Feuergelb der von oben beschienenen Staubtheile mischte.
Die im Winter auf dem Japanischen Meere herrschenden N.- und W.-Winde wehen hier und an der ganzen Küste mit solcher Heftig- keit, dass die Westküste Japans in dieser Zeit von Schiffen gemieden wird und selbst die Dampfschiffverbindungen, z. B. von Niigata mit Hakodate, unterbrochen werden. Obgleich sie von Asien her über das breite wärmere Meer streichen und hier viel Feuchtigkeit auf- nehmen, machen sie sich doch längs der japanischen Küste als rauhe, durchdringende Winde in empfindlicher Weise geltend, so dass die Bewohner besondere Vorkehrungen gegen sie treffen, wie nirgends sonst im Lande. So sah ich zwischen Akita und Niigata im November 1874 in vielen Küstenorten die Leute damit beschäftigt, längs der Seeseite ihrer Häuser und in 2--3 Fuss oder mehr Entfernung von denselben für den Winter aus Balkengerüst Wände zu errichten und die Zwischenräume mit Reisig, Moos und dergleichen auszufüllen.
Vom April oder Mai bis zum September wehen warme südliche Winde. Auf dem Japanischen Meere sind es vorherrschend Südwest-
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Luftdruck und Winde.
Niigata S.-, SW.-, W.- und NW.-Winde, in Tôkio N.- und NO.-Winde, in Nagasaki N.- und NW.-Winde.
In Tôkio dauert der Nordostwind zuweilen eine Woche an und bringt bei hohem Barometerstande schönes, klares Wetter mit leichtem Frost während der Nacht. Seiner Drehung nach O. und SO. folgt gewöhnlich Regen, doch sind Winde aus dieser letzten Richtung im Winter gerade nicht häufig.
Staubstürme, wie sie im Winter China so häufig heimsuchen, kommen in Japan nur selten vor. Doch erlebte ich einen solchen in Tôkio am 4. Februar 1875. Das Thermometer war Nachts auf —6,5°C. gefallen und erhob sich auch im Laufe des Tages nicht über +4,5°C., das Wetterglas ging gegen 11 Uhr Morgens auf 743,4 mm herunter. Von Norden her wehte ein kalter, heftiger Wind, die Häuser schaukelten bei seinen Stössen, und die Gegenstände an den Wänden vibrierten, wie bei einem starken Erdbeben. Nach wochen- langer Trockenheit war durch ihn der leichte, lockere Staub von Feldern und Wegen zu bedeutender Höhe emporgewirbelt worden, so dass, obgleich der Himmel wolkenleer zu sein schien, von dem- selben keine Spur zu sehen war, mit Ausnahme eines kleinen matt- begrenzten Ringes um die Sonne. Diese selbst schien herabgestiegen zu sein und als eine gelbrothe Kugel im Staubmeere zu schwimmen; ihre Strahlen vermochten die Erde nicht zu erreichen und keine Schatten zu werfen. Die Erde selbst war wie in einen dichten Nebel gehüllt, nur dass das Grau des letzteren sich mit einem eigenthüm- lichen Feuergelb der von oben beschienenen Staubtheile mischte.
Die im Winter auf dem Japanischen Meere herrschenden N.- und W.-Winde wehen hier und an der ganzen Küste mit solcher Heftig- keit, dass die Westküste Japans in dieser Zeit von Schiffen gemieden wird und selbst die Dampfschiffverbindungen, z. B. von Niigata mit Hakodate, unterbrochen werden. Obgleich sie von Asien her über das breite wärmere Meer streichen und hier viel Feuchtigkeit auf- nehmen, machen sie sich doch längs der japanischen Küste als rauhe, durchdringende Winde in empfindlicher Weise geltend, so dass die Bewohner besondere Vorkehrungen gegen sie treffen, wie nirgends sonst im Lande. So sah ich zwischen Akita und Niigata im November 1874 in vielen Küstenorten die Leute damit beschäftigt, längs der Seeseite ihrer Häuser und in 2—3 Fuss oder mehr Entfernung von denselben für den Winter aus Balkengerüst Wände zu errichten und die Zwischenräume mit Reisig, Moos und dergleichen auszufüllen.
Vom April oder Mai bis zum September wehen warme südliche Winde. Auf dem Japanischen Meere sind es vorherrschend Südwest-
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Luftdruck und Winde.
Niigata S.-, SW.-, W.- und NW.-Winde, in Tôkio N.- und NO.-Winde,
in Nagasaki N.- und NW.-Winde.
In Tôkio dauert der Nordostwind zuweilen eine Woche an und
bringt bei hohem Barometerstande schönes, klares Wetter mit leichtem
Frost während der Nacht. Seiner Drehung nach O. und SO. folgt
gewöhnlich Regen, doch sind Winde aus dieser letzten Richtung im
Winter gerade nicht häufig.
Staubstürme, wie sie im Winter China so häufig heimsuchen,
kommen in Japan nur selten vor. Doch erlebte ich einen solchen
in Tôkio am 4. Februar 1875. Das Thermometer war Nachts auf
—6,5°C. gefallen und erhob sich auch im Laufe des Tages nicht über
+4,5°C., das Wetterglas ging gegen 11 Uhr Morgens auf 743,4 mm
herunter. Von Norden her wehte ein kalter, heftiger Wind, die
Häuser schaukelten bei seinen Stössen, und die Gegenstände an den
Wänden vibrierten, wie bei einem starken Erdbeben. Nach wochen-
langer Trockenheit war durch ihn der leichte, lockere Staub von
Feldern und Wegen zu bedeutender Höhe emporgewirbelt worden,
so dass, obgleich der Himmel wolkenleer zu sein schien, von dem-
selben keine Spur zu sehen war, mit Ausnahme eines kleinen matt-
begrenzten Ringes um die Sonne. Diese selbst schien herabgestiegen
zu sein und als eine gelbrothe Kugel im Staubmeere zu schwimmen;
ihre Strahlen vermochten die Erde nicht zu erreichen und keine
Schatten zu werfen. Die Erde selbst war wie in einen dichten Nebel
gehüllt, nur dass das Grau des letzteren sich mit einem eigenthüm-
lichen Feuergelb der von oben beschienenen Staubtheile mischte.
Die im Winter auf dem Japanischen Meere herrschenden N.- und
W.-Winde wehen hier und an der ganzen Küste mit solcher Heftig-
keit, dass die Westküste Japans in dieser Zeit von Schiffen gemieden
wird und selbst die Dampfschiffverbindungen, z. B. von Niigata mit
Hakodate, unterbrochen werden. Obgleich sie von Asien her über
das breite wärmere Meer streichen und hier viel Feuchtigkeit auf-
nehmen, machen sie sich doch längs der japanischen Küste als rauhe,
durchdringende Winde in empfindlicher Weise geltend, so dass die
Bewohner besondere Vorkehrungen gegen sie treffen, wie nirgends
sonst im Lande. So sah ich zwischen Akita und Niigata im November
1874 in vielen Küstenorten die Leute damit beschäftigt, längs der
Seeseite ihrer Häuser und in 2—3 Fuss oder mehr Entfernung von
denselben für den Winter aus Balkengerüst Wände zu errichten und
die Zwischenräume mit Reisig, Moos und dergleichen auszufüllen.
Vom April oder Mai bis zum September wehen warme südliche
Winde. Auf dem Japanischen Meere sind es vorherrschend Südwest-
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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/153>, abgerufen am 24.11.2024.
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