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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881.

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Gebirge der Insel Kiushiu.
prächtige Berg nimmt die ganze Insel ein und steigt darin -- auf der
Süd- und Ostseite steiler als von Norden her -- bis zu etwa 1000 Meter
Höhe empor. Betrachtet man die Insel von Tano-ura an der Nord-
küste aus mit einem Feldstecher, so erkennt man deutlich die sorg-
sam gepflegten Felder, welche Kagoshima mit Gemüse und nament-
lich mit gepriesenen Rettigen versorgen, sowie die mit Talg- und
Orangenbäumen bepflanzten Terrassen. Hinter der allmählich sich
erhebenden Culturregion steigt der Berg dann steiler empor, erscheint
als eine ausserordentlich zerrissene gewaltige graue Masse, die stellen-
weise, namentlich in den unteren Schluchten, gut bewaldet ist, nach
oben aber kahl und stumpf endet. Noch vor hundert Jahren soll der
Krater dieses schönen Vulkans Dampfwolken entsandt haben.

Als die Kratere von Kirishima-yama, Sakura-jima und verschie-
denen andern vulkanischen Gipfeln im südlichen Kiushiu vor Jahr-
hunderten und länger ihre vulkanischen Laven, Bomben und Aschen-
regen entsandten, bedeckten diese Massen einen grossen Theil des
ehemals fruchtbaren Gebietes von Satsuma, Osumi und dem südlichen
Hiuga (den alten Humusboden kann man vielfach noch unter der
Decke von Tuff und Asche erkennen), und es entstand ein Hügelland,
in welchem die guten Wege jetzt zuweilen durch 10--25 Meter tiefe
Erosionsschluchten oder durch künstliche Einschnitte in die flachen
Hügelrücken aus grauweissen Aschen- und Tuffablagerungen führen.
Im Frühling zieren die Blüthen zahlreicher Azalien, Deutzien und
anderer Büsche, sowie schöne Farrenkräuter die Böschungen dieser
Hügel und Wege. Stellenweise trifft man auch Kiefernhaine und
Pflanzungen von Talgbäumen an, im ganzen aber ist der Boden un-
productiv und der Ackerbau auf die meist engen Thälchen, welche die
Erosion der Regengüsse und vom Gebirge kommender Bäche gebildet
hat, beschränkt. Dennoch entbehren auch diese Landestheile nicht
der Abwechselung. Sie wird durch die Sorgfalt der Cultur des dazu
geeigneten Bodens geboten, insbesondere aber durch jene prächtigen
Haine aus Bambusrohr und allerlei Zierbäumen, worunter 6--8 Meter
hohe und bis zu 1,5 Meter Umfang erlangende Camellienbäume be-
sonders auffallen. In diesen Hainen versteckt sich wie anderwärts
hier und da ein Wohnhaus, Tempelchen oder ein ganzer Ort. Hiuga
ist im allgemeinen viel fruchtbarer als Satsuma, namentlich am Meere
hin in der Ebene, welche sich über den Unterlauf verschiedener Flüsse
erstreckt. Die gesegnetsten Theile der Insel gehören jedoch Higo,
Chikugo, Chikuzen und Bungo an, in deren Ebenen und flachen
Hügellandschaften sich vielfach Verwitterungsproducte vulkanischen
Gesteins mit dem Alluvialboden der Flüsse zu einem sehr productiven

Rein, Japan I. 7

Gebirge der Insel Kiushiu.
prächtige Berg nimmt die ganze Insel ein und steigt darin — auf der
Süd- und Ostseite steiler als von Norden her — bis zu etwa 1000 Meter
Höhe empor. Betrachtet man die Insel von Tano-ura an der Nord-
küste aus mit einem Feldstecher, so erkennt man deutlich die sorg-
sam gepflegten Felder, welche Kagoshima mit Gemüse und nament-
lich mit gepriesenen Rettigen versorgen, sowie die mit Talg- und
Orangenbäumen bepflanzten Terrassen. Hinter der allmählich sich
erhebenden Culturregion steigt der Berg dann steiler empor, erscheint
als eine ausserordentlich zerrissene gewaltige graue Masse, die stellen-
weise, namentlich in den unteren Schluchten, gut bewaldet ist, nach
oben aber kahl und stumpf endet. Noch vor hundert Jahren soll der
Krater dieses schönen Vulkans Dampfwolken entsandt haben.

Als die Kratere von Kirishima-yama, Sakura-jima und verschie-
denen andern vulkanischen Gipfeln im südlichen Kiushiu vor Jahr-
hunderten und länger ihre vulkanischen Laven, Bomben und Aschen-
regen entsandten, bedeckten diese Massen einen grossen Theil des
ehemals fruchtbaren Gebietes von Satsuma, Ôsumi und dem südlichen
Hiuga (den alten Humusboden kann man vielfach noch unter der
Decke von Tuff und Asche erkennen), und es entstand ein Hügelland,
in welchem die guten Wege jetzt zuweilen durch 10—25 Meter tiefe
Erosionsschluchten oder durch künstliche Einschnitte in die flachen
Hügelrücken aus grauweissen Aschen- und Tuffablagerungen führen.
Im Frühling zieren die Blüthen zahlreicher Azalien, Deutzien und
anderer Büsche, sowie schöne Farrenkräuter die Böschungen dieser
Hügel und Wege. Stellenweise trifft man auch Kiefernhaine und
Pflanzungen von Talgbäumen an, im ganzen aber ist der Boden un-
productiv und der Ackerbau auf die meist engen Thälchen, welche die
Erosion der Regengüsse und vom Gebirge kommender Bäche gebildet
hat, beschränkt. Dennoch entbehren auch diese Landestheile nicht
der Abwechselung. Sie wird durch die Sorgfalt der Cultur des dazu
geeigneten Bodens geboten, insbesondere aber durch jene prächtigen
Haine aus Bambusrohr und allerlei Zierbäumen, worunter 6—8 Meter
hohe und bis zu 1,5 Meter Umfang erlangende Camellienbäume be-
sonders auffallen. In diesen Hainen versteckt sich wie anderwärts
hier und da ein Wohnhaus, Tempelchen oder ein ganzer Ort. Hiuga
ist im allgemeinen viel fruchtbarer als Satsuma, namentlich am Meere
hin in der Ebene, welche sich über den Unterlauf verschiedener Flüsse
erstreckt. Die gesegnetsten Theile der Insel gehören jedoch Higo,
Chikugo, Chikuzen und Bungo an, in deren Ebenen und flachen
Hügellandschaften sich vielfach Verwitterungsproducte vulkanischen
Gesteins mit dem Alluvialboden der Flüsse zu einem sehr productiven

Rein, Japan I. 7
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[97/0119] Gebirge der Insel Kiushiu. prächtige Berg nimmt die ganze Insel ein und steigt darin — auf der Süd- und Ostseite steiler als von Norden her — bis zu etwa 1000 Meter Höhe empor. Betrachtet man die Insel von Tano-ura an der Nord- küste aus mit einem Feldstecher, so erkennt man deutlich die sorg- sam gepflegten Felder, welche Kagoshima mit Gemüse und nament- lich mit gepriesenen Rettigen versorgen, sowie die mit Talg- und Orangenbäumen bepflanzten Terrassen. Hinter der allmählich sich erhebenden Culturregion steigt der Berg dann steiler empor, erscheint als eine ausserordentlich zerrissene gewaltige graue Masse, die stellen- weise, namentlich in den unteren Schluchten, gut bewaldet ist, nach oben aber kahl und stumpf endet. Noch vor hundert Jahren soll der Krater dieses schönen Vulkans Dampfwolken entsandt haben. Als die Kratere von Kirishima-yama, Sakura-jima und verschie- denen andern vulkanischen Gipfeln im südlichen Kiushiu vor Jahr- hunderten und länger ihre vulkanischen Laven, Bomben und Aschen- regen entsandten, bedeckten diese Massen einen grossen Theil des ehemals fruchtbaren Gebietes von Satsuma, Ôsumi und dem südlichen Hiuga (den alten Humusboden kann man vielfach noch unter der Decke von Tuff und Asche erkennen), und es entstand ein Hügelland, in welchem die guten Wege jetzt zuweilen durch 10—25 Meter tiefe Erosionsschluchten oder durch künstliche Einschnitte in die flachen Hügelrücken aus grauweissen Aschen- und Tuffablagerungen führen. Im Frühling zieren die Blüthen zahlreicher Azalien, Deutzien und anderer Büsche, sowie schöne Farrenkräuter die Böschungen dieser Hügel und Wege. Stellenweise trifft man auch Kiefernhaine und Pflanzungen von Talgbäumen an, im ganzen aber ist der Boden un- productiv und der Ackerbau auf die meist engen Thälchen, welche die Erosion der Regengüsse und vom Gebirge kommender Bäche gebildet hat, beschränkt. Dennoch entbehren auch diese Landestheile nicht der Abwechselung. Sie wird durch die Sorgfalt der Cultur des dazu geeigneten Bodens geboten, insbesondere aber durch jene prächtigen Haine aus Bambusrohr und allerlei Zierbäumen, worunter 6—8 Meter hohe und bis zu 1,5 Meter Umfang erlangende Camellienbäume be- sonders auffallen. In diesen Hainen versteckt sich wie anderwärts hier und da ein Wohnhaus, Tempelchen oder ein ganzer Ort. Hiuga ist im allgemeinen viel fruchtbarer als Satsuma, namentlich am Meere hin in der Ebene, welche sich über den Unterlauf verschiedener Flüsse erstreckt. Die gesegnetsten Theile der Insel gehören jedoch Higo, Chikugo, Chikuzen und Bungo an, in deren Ebenen und flachen Hügellandschaften sich vielfach Verwitterungsproducte vulkanischen Gesteins mit dem Alluvialboden der Flüsse zu einem sehr productiven Rein, Japan I. 7

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/119>, abgerufen am 07.05.2024.