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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881.

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IV. Orographie.

Die beiden bedeutendsten Höhen des Gebirges, der Shiratori-
take
und der Takachiho, werden leicht von Enoyu, beziehungs-
weise Kirishima aus bestiegen. In der Luftlinie sind ihre Gipfel
21/2--3 ri von einander entfernt. Zwischen ihnen, an der steilen
Nordseite des Takachiho hin, führt 1060 Meter hoch der Weg von
Kirishima hinüber nach Nojiri, indem er sich bald durch einen herr-
lichen Mischwald aus immergrünen und blattwechselnden Laubhölzern
und Nadelbäumen senkt. Durch einen ähnlichen Wald steigt er von
Kirishima empor. Hier wachsen Bambus, Camellie und Sternanis noch
in 900 Meter Höhe. 5--6 Meter Umfang zeigende Momi (Abies firma)
und Sugi (Cryptomeria japonica) spielen hier die Rolle der bei uns zer-
streut im jüngeren Laubwald auftretenden alten Eichen. Hat man diesen
prächtigen Wald, in dem es auch an den gewöhnlichen Schlingern,
wie Katsura, Wistaria, Actinidia nicht fehlt, durchwandert, so über-
schreitet man ein altes Lavafeld mit einem sehr lichten Bestande
krüppelhafter Kiefern und Erlen. Man muss nun vom Wege rechts
abbiegen, wenn man den Takachiho ersteigen will. Es geht dann
bald steil aufwärts über Asche und Schlackengeröll, doch ist man
schon eine Stunde später in 1469 Meter Höhe am Rande des Kraters.
Schwefelwasserstoffgeruch und warmer Boden, die man beim Betreten
der nördlichen Wand wahrnimmt, zeigen, dass die vulkanische Thätig-
keit hier noch nicht ganz geschwunden ist. Der Krater mag 700 Meter
Umfang und 30 Meter Tiefe haben. Auf der Westseite, wo einst der
mächtige Lavastrom nach Kirishima hin sich ergoss, geht es allmäh-
lich abwärts in den theilweise mit Schutt und Vegetation bedeckten
Kraterboden. Auf der Ostseite, wo die höhere, steilere Wand, senkt
sich diese nach Aussen zu einem 20 Meter tiefer gelegenen sattel-
förmigen Einschnitt, dann steigt man ostwärts noch etwa eine halbe
Stunde lang steil empor zum Gipfel des Berges, der statt eines Kraters
über einem zusammengetragenen Steinhaufen das berühmte Himmels-
schwert trägt (siehe Näheres im historischen Theile). Die Nordseite
dieses steilen Gipfels ist bedeckt mit braunrothen Schlacken. Der
Shiratori-take erscheint von dem 1672 Meter hohen Takachiho aus
als eine gewaltige, fast gleich hohe, doch weniger spitz zulaufende
Bergmasse. Oben soll ein See sein. Ich halte diese beiden Gipfel
von Kirishima-yama für die höchsten auf Kiushiu.

Von den übrigen hervorragenden Bergen des südlichen Kiushiu,
die wohl sämmtlich Vulkane sind, merken wir den Komatsu-yama
nordwestlich der Stadt Obi, welchen Seekarten zu 1280 Meter angeben;
den Kaimon-take an der Südspitze von Satsuma, und vor allem
den Mi-take auf Sakura-jima in der Bucht von Kagoshima. Dieser

IV. Orographie.

Die beiden bedeutendsten Höhen des Gebirges, der Shiratori-
take
und der Takachiho, werden leicht von Enoyu, beziehungs-
weise Kirishima aus bestiegen. In der Luftlinie sind ihre Gipfel
2½—3 ri von einander entfernt. Zwischen ihnen, an der steilen
Nordseite des Takachiho hin, führt 1060 Meter hoch der Weg von
Kirishima hinüber nach Nojiri, indem er sich bald durch einen herr-
lichen Mischwald aus immergrünen und blattwechselnden Laubhölzern
und Nadelbäumen senkt. Durch einen ähnlichen Wald steigt er von
Kirishima empor. Hier wachsen Bambus, Camellie und Sternanis noch
in 900 Meter Höhe. 5—6 Meter Umfang zeigende Momi (Abies firma)
und Sugi (Cryptomeria japonica) spielen hier die Rolle der bei uns zer-
streut im jüngeren Laubwald auftretenden alten Eichen. Hat man diesen
prächtigen Wald, in dem es auch an den gewöhnlichen Schlingern,
wie Katsura, Wistaria, Actinidia nicht fehlt, durchwandert, so über-
schreitet man ein altes Lavafeld mit einem sehr lichten Bestande
krüppelhafter Kiefern und Erlen. Man muss nun vom Wege rechts
abbiegen, wenn man den Takachiho ersteigen will. Es geht dann
bald steil aufwärts über Asche und Schlackengeröll, doch ist man
schon eine Stunde später in 1469 Meter Höhe am Rande des Kraters.
Schwefelwasserstoffgeruch und warmer Boden, die man beim Betreten
der nördlichen Wand wahrnimmt, zeigen, dass die vulkanische Thätig-
keit hier noch nicht ganz geschwunden ist. Der Krater mag 700 Meter
Umfang und 30 Meter Tiefe haben. Auf der Westseite, wo einst der
mächtige Lavastrom nach Kirishima hin sich ergoss, geht es allmäh-
lich abwärts in den theilweise mit Schutt und Vegetation bedeckten
Kraterboden. Auf der Ostseite, wo die höhere, steilere Wand, senkt
sich diese nach Aussen zu einem 20 Meter tiefer gelegenen sattel-
förmigen Einschnitt, dann steigt man ostwärts noch etwa eine halbe
Stunde lang steil empor zum Gipfel des Berges, der statt eines Kraters
über einem zusammengetragenen Steinhaufen das berühmte Himmels-
schwert trägt (siehe Näheres im historischen Theile). Die Nordseite
dieses steilen Gipfels ist bedeckt mit braunrothen Schlacken. Der
Shiratori-take erscheint von dem 1672 Meter hohen Takachiho aus
als eine gewaltige, fast gleich hohe, doch weniger spitz zulaufende
Bergmasse. Oben soll ein See sein. Ich halte diese beiden Gipfel
von Kirishima-yama für die höchsten auf Kiushiu.

Von den übrigen hervorragenden Bergen des südlichen Kiushiu,
die wohl sämmtlich Vulkane sind, merken wir den Komatsu-yama
nordwestlich der Stadt Obi, welchen Seekarten zu 1280 Meter angeben;
den Kaimon-take an der Südspitze von Satsuma, und vor allem
den Mi-take auf Sakura-jima in der Bucht von Kagoshima. Dieser

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[96/0118] IV. Orographie. Die beiden bedeutendsten Höhen des Gebirges, der Shiratori- take und der Takachiho, werden leicht von Enoyu, beziehungs- weise Kirishima aus bestiegen. In der Luftlinie sind ihre Gipfel 2½—3 ri von einander entfernt. Zwischen ihnen, an der steilen Nordseite des Takachiho hin, führt 1060 Meter hoch der Weg von Kirishima hinüber nach Nojiri, indem er sich bald durch einen herr- lichen Mischwald aus immergrünen und blattwechselnden Laubhölzern und Nadelbäumen senkt. Durch einen ähnlichen Wald steigt er von Kirishima empor. Hier wachsen Bambus, Camellie und Sternanis noch in 900 Meter Höhe. 5—6 Meter Umfang zeigende Momi (Abies firma) und Sugi (Cryptomeria japonica) spielen hier die Rolle der bei uns zer- streut im jüngeren Laubwald auftretenden alten Eichen. Hat man diesen prächtigen Wald, in dem es auch an den gewöhnlichen Schlingern, wie Katsura, Wistaria, Actinidia nicht fehlt, durchwandert, so über- schreitet man ein altes Lavafeld mit einem sehr lichten Bestande krüppelhafter Kiefern und Erlen. Man muss nun vom Wege rechts abbiegen, wenn man den Takachiho ersteigen will. Es geht dann bald steil aufwärts über Asche und Schlackengeröll, doch ist man schon eine Stunde später in 1469 Meter Höhe am Rande des Kraters. Schwefelwasserstoffgeruch und warmer Boden, die man beim Betreten der nördlichen Wand wahrnimmt, zeigen, dass die vulkanische Thätig- keit hier noch nicht ganz geschwunden ist. Der Krater mag 700 Meter Umfang und 30 Meter Tiefe haben. Auf der Westseite, wo einst der mächtige Lavastrom nach Kirishima hin sich ergoss, geht es allmäh- lich abwärts in den theilweise mit Schutt und Vegetation bedeckten Kraterboden. Auf der Ostseite, wo die höhere, steilere Wand, senkt sich diese nach Aussen zu einem 20 Meter tiefer gelegenen sattel- förmigen Einschnitt, dann steigt man ostwärts noch etwa eine halbe Stunde lang steil empor zum Gipfel des Berges, der statt eines Kraters über einem zusammengetragenen Steinhaufen das berühmte Himmels- schwert trägt (siehe Näheres im historischen Theile). Die Nordseite dieses steilen Gipfels ist bedeckt mit braunrothen Schlacken. Der Shiratori-take erscheint von dem 1672 Meter hohen Takachiho aus als eine gewaltige, fast gleich hohe, doch weniger spitz zulaufende Bergmasse. Oben soll ein See sein. Ich halte diese beiden Gipfel von Kirishima-yama für die höchsten auf Kiushiu. Von den übrigen hervorragenden Bergen des südlichen Kiushiu, die wohl sämmtlich Vulkane sind, merken wir den Komatsu-yama nordwestlich der Stadt Obi, welchen Seekarten zu 1280 Meter angeben; den Kaimon-take an der Südspitze von Satsuma, und vor allem den Mi-take auf Sakura-jima in der Bucht von Kagoshima. Dieser

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/118>, abgerufen am 27.11.2024.