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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881.

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IV. Orographie.
im Juli und August von Pilgern viel besucht. Am Fusse bei Ichinose
gibt eine eisenreiche Therme manchen Kranken der Umgegend Hoff-
nung auf Genesung.

Zwischen Biwa-See und Wakasa-wan bildet die vorhin erwähnte
grosse oceanische Wasserscheide nur einen niedrigen Rücken, auf
welchem die Uebergänge kaum 300 Meter hoch liegen, so Hoosaka-
toge
auf dem Wege von Imadzu nach Obama und Fukasaka-toge
an der Strasse von Shiwotsu nach dem Hafen Tsuruga. Ansehnlicher
sind verschiedene südlich gerichtete Höhenzüge, welche von hier aus-
gehen und mit dem Gebirge von Yamato in Verbindung stehen. Es
sind ihrer drei, welche die Ostgrenze von Omi, sowie die Ost- und
die Westgrenze von Yamashiro bilden. An den Grenzen von Omi hin
bemerken wir zunächst zwei Bergzüge, welche zugleich das Becken des
Biwa-ko nach zwei Seiten umgürten, deren einzelne Glieder zum Theil
eine Rolle in der Geschichte und Sage Japans spielten und desshalb
bekannter sind, als manche viel ansehnlichere Gipfel. Auf der Ost-
seite des Biwa-Sees ragt unter diesen Höhen vor allem der Ibuki-
yama
hervor. Seine Höhe beträgt etwa 1300 Meter, und da er einen
niedrigen Vordergrund hat und ziemlich steil emporsteigt, ist er die
imponierendste Berggestalt weit und breit. Er wurde bei den alten
Japanern immer als Residenz des Teufels angesehen. Wahrscheinlich
bot er in alten Zeiten berüchtigten Räubern sichere Schlupfwinkel,
von denen aus sie bald den Reisenden auf der nahen Landstrasse
(Nakasendo) überfielen, bald den friedlichen Bürgern der umliegenden
Städte (Hikone, Kioto etc.) ihre nächtlichen Besuche abstatteten. So
bezwang schon Yamato-dake, der Sage nach, als er den Nakasendo
entlang aus dem Kuwanto zurückkehrte, einen Berggeist des Ibuki-
yama. In der früheren japanischen Arzneimittellehre hatte der
Ibuki-yama als Lieferant vieler officineller Kräuter einen hervorragen-
den Platz. Einige Vorberge des Ibuki-yama reichen bis zum Naka-
sendo. An ihrem Abhange liegt hier Sekigahara, das berühmte
Schlachtfeld vom Jahre 1600. Weiter südwärts ragen wieder Berge
von 1000--1200 Meter Höhe empor, so der Riozen, Hotokegai
und noch mehr im Süden der Kamiga-take. Der Höhenzug
nimmt hier die Richtung nach Südwesten an, folgt der Grenze von
Ise, erst gegen Omi, dann gegen Iga, und geht schliesslich in die
Berge von Yamato über. Die Berge auf der Westseite des Biwa-Sees,
welche die Ostgrenze der Ebene von Yamashiro bilden, sind nur 800
bis 900 Meter hoch. Die drei bekanntesten heissen Hirano-yama,
Hiye-san
und Ko-yama. Sie bilden die höchsten Gipfel (900,
825 und 420 Meter) in der Wasserscheide zwischen Kamo-gawa und

IV. Orographie.
im Juli und August von Pilgern viel besucht. Am Fusse bei Ichinose
gibt eine eisenreiche Therme manchen Kranken der Umgegend Hoff-
nung auf Genesung.

Zwischen Biwa-See und Wakasa-wan bildet die vorhin erwähnte
grosse oceanische Wasserscheide nur einen niedrigen Rücken, auf
welchem die Uebergänge kaum 300 Meter hoch liegen, so Hoosaka-
tôge
auf dem Wege von Imadzu nach Obama und Fukasaka-tôge
an der Strasse von Shiwotsu nach dem Hafen Tsuruga. Ansehnlicher
sind verschiedene südlich gerichtete Höhenzüge, welche von hier aus-
gehen und mit dem Gebirge von Yamato in Verbindung stehen. Es
sind ihrer drei, welche die Ostgrenze von Omi, sowie die Ost- und
die Westgrenze von Yamashiro bilden. An den Grenzen von Omi hin
bemerken wir zunächst zwei Bergzüge, welche zugleich das Becken des
Biwa-ko nach zwei Seiten umgürten, deren einzelne Glieder zum Theil
eine Rolle in der Geschichte und Sage Japans spielten und desshalb
bekannter sind, als manche viel ansehnlichere Gipfel. Auf der Ost-
seite des Biwa-Sees ragt unter diesen Höhen vor allem der Ibuki-
yama
hervor. Seine Höhe beträgt etwa 1300 Meter, und da er einen
niedrigen Vordergrund hat und ziemlich steil emporsteigt, ist er die
imponierendste Berggestalt weit und breit. Er wurde bei den alten
Japanern immer als Residenz des Teufels angesehen. Wahrscheinlich
bot er in alten Zeiten berüchtigten Räubern sichere Schlupfwinkel,
von denen aus sie bald den Reisenden auf der nahen Landstrasse
(Nakasendô) überfielen, bald den friedlichen Bürgern der umliegenden
Städte (Hikone, Kiôto etc.) ihre nächtlichen Besuche abstatteten. So
bezwang schon Yamato-dake, der Sage nach, als er den Nakasendô
entlang aus dem Kuwantô zurückkehrte, einen Berggeist des Ibuki-
yama. In der früheren japanischen Arzneimittellehre hatte der
Ibuki-yama als Lieferant vieler officineller Kräuter einen hervorragen-
den Platz. Einige Vorberge des Ibuki-yama reichen bis zum Naka-
sendô. An ihrem Abhange liegt hier Sekigahara, das berühmte
Schlachtfeld vom Jahre 1600. Weiter südwärts ragen wieder Berge
von 1000—1200 Meter Höhe empor, so der Riozen, Hotokegai
und noch mehr im Süden der Kamiga-take. Der Höhenzug
nimmt hier die Richtung nach Südwesten an, folgt der Grenze von
Ise, erst gegen Omi, dann gegen Iga, und geht schliesslich in die
Berge von Yamato über. Die Berge auf der Westseite des Biwa-Sees,
welche die Ostgrenze der Ebene von Yamashiro bilden, sind nur 800
bis 900 Meter hoch. Die drei bekanntesten heissen Hirano-yama,
Hiye-san
und Ko-yama. Sie bilden die höchsten Gipfel (900,
825 und 420 Meter) in der Wasserscheide zwischen Kamo-gawa und

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[88/0110] IV. Orographie. im Juli und August von Pilgern viel besucht. Am Fusse bei Ichinose gibt eine eisenreiche Therme manchen Kranken der Umgegend Hoff- nung auf Genesung. Zwischen Biwa-See und Wakasa-wan bildet die vorhin erwähnte grosse oceanische Wasserscheide nur einen niedrigen Rücken, auf welchem die Uebergänge kaum 300 Meter hoch liegen, so Hoosaka- tôge auf dem Wege von Imadzu nach Obama und Fukasaka-tôge an der Strasse von Shiwotsu nach dem Hafen Tsuruga. Ansehnlicher sind verschiedene südlich gerichtete Höhenzüge, welche von hier aus- gehen und mit dem Gebirge von Yamato in Verbindung stehen. Es sind ihrer drei, welche die Ostgrenze von Omi, sowie die Ost- und die Westgrenze von Yamashiro bilden. An den Grenzen von Omi hin bemerken wir zunächst zwei Bergzüge, welche zugleich das Becken des Biwa-ko nach zwei Seiten umgürten, deren einzelne Glieder zum Theil eine Rolle in der Geschichte und Sage Japans spielten und desshalb bekannter sind, als manche viel ansehnlichere Gipfel. Auf der Ost- seite des Biwa-Sees ragt unter diesen Höhen vor allem der Ibuki- yama hervor. Seine Höhe beträgt etwa 1300 Meter, und da er einen niedrigen Vordergrund hat und ziemlich steil emporsteigt, ist er die imponierendste Berggestalt weit und breit. Er wurde bei den alten Japanern immer als Residenz des Teufels angesehen. Wahrscheinlich bot er in alten Zeiten berüchtigten Räubern sichere Schlupfwinkel, von denen aus sie bald den Reisenden auf der nahen Landstrasse (Nakasendô) überfielen, bald den friedlichen Bürgern der umliegenden Städte (Hikone, Kiôto etc.) ihre nächtlichen Besuche abstatteten. So bezwang schon Yamato-dake, der Sage nach, als er den Nakasendô entlang aus dem Kuwantô zurückkehrte, einen Berggeist des Ibuki- yama. In der früheren japanischen Arzneimittellehre hatte der Ibuki-yama als Lieferant vieler officineller Kräuter einen hervorragen- den Platz. Einige Vorberge des Ibuki-yama reichen bis zum Naka- sendô. An ihrem Abhange liegt hier Sekigahara, das berühmte Schlachtfeld vom Jahre 1600. Weiter südwärts ragen wieder Berge von 1000—1200 Meter Höhe empor, so der Riozen, Hotokegai und noch mehr im Süden der Kamiga-take. Der Höhenzug nimmt hier die Richtung nach Südwesten an, folgt der Grenze von Ise, erst gegen Omi, dann gegen Iga, und geht schliesslich in die Berge von Yamato über. Die Berge auf der Westseite des Biwa-Sees, welche die Ostgrenze der Ebene von Yamashiro bilden, sind nur 800 bis 900 Meter hoch. Die drei bekanntesten heissen Hirano-yama, Hiye-san und Ko-yama. Sie bilden die höchsten Gipfel (900, 825 und 420 Meter) in der Wasserscheide zwischen Kamo-gawa und

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/110>, abgerufen am 07.05.2024.