nicht beharren lassen, da die Zeit noch nicht ver- flossen war, die die Natur als Bedürfniss für sich, durch ihre Voraussagung, angekündiget hatte. Wer soll diese Geschichte erklären; der Mate- rialist oder der Spiritualist nach den reinen Grundsätzen der Psychologie? Ich fürchte seine Kunst scheitert an diesem Phänomen. Waren hier nicht etwan die elektrischen Lebensströme mit der beharrlichen Materie in Missverhältniss gerathen und dadurch die Polaritäten der Organi- sation umgetauscht? Schon die Annäherungen der Fingerspitzen des Magnetiseurs in ihre Atmo- sphäre veränderten den Standpunkt ihrer Seele. Die innere positive und die äussere negative tauschten sich um.
Daun kann noch das Bewusstseyn, sofern es sich durch ein Zusammenfassen al- ler unserer Verhältnisse zur Einheit einer Person äussert, von der Norm ab- weichen. Die Angel der Verknüpfung ist gleich- sam abgezogen, die Maschine in ihre Theilganze aufgelöst, jedes Getriebe wirkt abgesondert für sich, nirgends ist ein gemeinschaftlicher Vereini- gungspunkt und die Produkte schwimmen los- gebunden, gleichsam Niemandem angehörig, in dem Ocean des Universums herum. Die Per- sönlichkeit der Seele geht wie die Individualität des Körpers im Bewusstseyn verlohren. In dem Träumer wirkt die Phantasie allein; in dem Schlafredner Phantasie und Muskelsystem. In
nicht beharren laſſen, da die Zeit noch nicht ver- floſſen war, die die Natur als Bedürfniſs für ſich, durch ihre Vorausſagung, angekündiget hatte. Wer ſoll dieſe Geſchichte erklären; der Mate- rialiſt oder der Spiritualiſt nach den reinen Grundſätzen der Pſychologie? Ich fürchte ſeine Kunſt ſcheitert an dieſem Phänomen. Waren hier nicht etwan die elektriſchen Lebensſtröme mit der beharrlichen Materie in Miſsverhältniſs gerathen und dadurch die Polaritäten der Organi- ſation umgetauſcht? Schon die Annäherungen der Fingerſpitzen des Magnetiſeurs in ihre Atmo- ſphäre veränderten den Standpunkt ihrer Seele. Die innere poſitive und die äuſsere negative tauſchten ſich um.
Daun kann noch das Bewuſstſeyn, ſofern es ſich durch ein Zuſammenfaſſen al- ler unſerer Verhältniſſe zur Einheit einer Perſon äuſsert, von der Norm ab- weichen. Die Angel der Verknüpfung iſt gleich- ſam abgezogen, die Maſchine in ihre Theilganze aufgelöſt, jedes Getriebe wirkt abgeſondert für ſich, nirgends iſt ein gemeinſchaftlicher Vereini- gungspunkt und die Produkte ſchwimmen los- gebunden, gleichſam Niemandem angehörig, in dem Ocean des Univerſums herum. Die Per- ſönlichkeit der Seele geht wie die Individualität des Körpers im Bewuſstſeyn verlohren. In dem Träumer wirkt die Phantaſie allein; in dem Schlafredner Phantaſie und Muskelſyſtem. In
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nicht beharren laſſen, da die Zeit noch nicht ver-
floſſen war, die die Natur als Bedürfniſs für ſich,
durch ihre Vorausſagung, angekündiget hatte.
Wer ſoll dieſe Geſchichte erklären; der Mate-
rialiſt oder der Spiritualiſt nach den reinen
Grundſätzen der Pſychologie? Ich fürchte ſeine
Kunſt ſcheitert an dieſem Phänomen. Waren
hier nicht etwan die elektriſchen Lebensſtröme
mit der beharrlichen Materie in Miſsverhältniſs
gerathen und dadurch die Polaritäten der Organi-
ſation umgetauſcht? Schon die Annäherungen
der Fingerſpitzen des Magnetiſeurs in ihre Atmo-
ſphäre veränderten den Standpunkt ihrer Seele.
Die innere poſitive und die äuſsere negative
tauſchten ſich um.
Daun kann noch das Bewuſstſeyn, ſofern
es ſich durch ein Zuſammenfaſſen al-
ler unſerer Verhältniſſe zur Einheit
einer Perſon äuſsert, von der Norm ab-
weichen. Die Angel der Verknüpfung iſt gleich-
ſam abgezogen, die Maſchine in ihre Theilganze
aufgelöſt, jedes Getriebe wirkt abgeſondert für
ſich, nirgends iſt ein gemeinſchaftlicher Vereini-
gungspunkt und die Produkte ſchwimmen los-
gebunden, gleichſam Niemandem angehörig, in
dem Ocean des Univerſums herum. Die Per-
ſönlichkeit der Seele geht wie die Individualität
des Körpers im Bewuſstſeyn verlohren. In dem
Träumer wirkt die Phantaſie allein; in dem
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Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reil_curmethode_1803/83>, abgerufen am 25.11.2024.
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