tet, aus eines braven Mannes Brust den Dämon der Melancholie verscheucht und das kochende Blut eines rasenden Orlando's abgekühlt zu haben, der ohne mich in Banden geschmiedet und in seiner eignen Gluth erstickt wäre, sey meine Bürgerkrone, die bloss den ehrt, der sie giebt den nicht ehren kann, der sie empfängt; die Hoffnung, dass der Faden, den ich angesponnen habe, ins Unendliche ausgesponnen werde und mit jedem Schritte vorwärts den Klauen des Tollhau- ses einen seiner Bewohner entreisse, sey mein Nachruhm, in dem ich fortlebe, wenn der Sturm über meine Gebeine saust. So läuft ein Gedanke unsterblich durch Menschenketten fort, wenn längst das Organ zerstört ist, das ihn zuerst aus- sprach und tritt in neue Associationen wie der Staub in neue Gestalten hervor.
Noch eins, ehe ich schliesse. Ich habe in- nerhalb des Gebiets der Arzneikunde geschrieben und den Dilettanten in Regionen geführt, von de- nen er vielleicht nicht ahndete, dass sie inner- halb ihres Bezirks enthalten wären. Möchte dies die mikrologischen und verächtlichen Be- griffe von ihr tödten, die von dem Tross abstie- ben, der mit der Unwissenheit seiner Pepiniere ihre Frechheit erbte. Als höhere Physik, auf den bestimmten Zweck des Heilgeschäffts an- gewandt, kann sie sich nur von ihren Schlacken reinigen und ihre Grenzen erweitern, in dem Maasse, als jene aus ihrem Helldunkel immer
H h
tet, aus eines braven Mannes Bruſt den Dämon der Melancholie verſcheucht und das kochende Blut eines raſenden Orlando’s abgekühlt zu haben, der ohne mich in Banden geſchmiedet und in ſeiner eignen Gluth erſtickt wäre, ſey meine Bürgerkrone, die bloſs den ehrt, der ſie giebt den nicht ehren kann, der ſie empfängt; die Hoffnung, daſs der Faden, den ich angeſponnen habe, ins Unendliche ausgeſponnen werde und mit jedem Schritte vorwärts den Klauen des Tollhau- ſes einen ſeiner Bewohner entreiſſe, ſey mein Nachruhm, in dem ich fortlebe, wenn der Sturm über meine Gebeine ſauſt. So läuft ein Gedanke unſterblich durch Menſchenketten fort, wenn längſt das Organ zerſtört iſt, das ihn zuerſt aus- ſprach und tritt in neue Aſſociationen wie der Staub in neue Geſtalten hervor.
Noch eins, ehe ich ſchlieſse. Ich habe in- nerhalb des Gebiets der Arzneikunde geſchrieben und den Dilettanten in Regionen geführt, von de- nen er vielleicht nicht ahndete, daſs ſie inner- halb ihres Bezirks enthalten wären. Möchte dies die mikrologiſchen und verächtlichen Be- griffe von ihr tödten, die von dem Troſs abſtie- ben, der mit der Unwiſſenheit ſeiner Pepiniere ihre Frechheit erbte. Als höhere Phyſik, auf den beſtimmten Zweck des Heilgeſchäffts an- gewandt, kann ſie ſich nur von ihren Schlacken reinigen und ihre Grenzen erweitern, in dem Maaſse, als jene aus ihrem Helldunkel immer
H h
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0486"n="481"/>
tet, aus eines braven Mannes Bruſt den Dämon<lb/>
der Melancholie verſcheucht und das kochende<lb/>
Blut eines raſenden <hirendition="#g">Orlando</hi>’s abgekühlt zu<lb/>
haben, der ohne mich in Banden geſchmiedet und<lb/>
in ſeiner eignen Gluth erſtickt wäre, ſey meine<lb/>
Bürgerkrone, die bloſs den ehrt, der ſie giebt<lb/>
den nicht ehren kann, der ſie empfängt; die<lb/>
Hoffnung, daſs der Faden, den ich angeſponnen<lb/>
habe, ins Unendliche ausgeſponnen werde und mit<lb/>
jedem Schritte vorwärts den Klauen des Tollhau-<lb/>ſes einen ſeiner Bewohner entreiſſe, ſey mein<lb/>
Nachruhm, in dem ich fortlebe, wenn der Sturm<lb/>
über meine Gebeine ſauſt. So läuft ein Gedanke<lb/>
unſterblich durch Menſchenketten fort, wenn<lb/>
längſt das Organ zerſtört iſt, das ihn zuerſt aus-<lb/>ſprach und tritt in neue Aſſociationen wie der<lb/>
Staub in neue Geſtalten hervor.</p><lb/><p>Noch eins, ehe ich ſchlieſse. Ich habe in-<lb/>
nerhalb des Gebiets der Arzneikunde geſchrieben<lb/>
und den Dilettanten in Regionen geführt, von de-<lb/>
nen er vielleicht nicht ahndete, daſs ſie inner-<lb/>
halb ihres Bezirks enthalten wären. Möchte<lb/>
dies die mikrologiſchen und verächtlichen Be-<lb/>
griffe von ihr tödten, die von dem Troſs abſtie-<lb/>
ben, der mit der Unwiſſenheit ſeiner Pepiniere<lb/>
ihre Frechheit erbte. Als höhere Phyſik, auf<lb/>
den beſtimmten Zweck des Heilgeſchäffts an-<lb/>
gewandt, kann ſie ſich nur von ihren Schlacken<lb/>
reinigen und ihre Grenzen erweitern, in dem<lb/>
Maaſse, als jene aus ihrem Helldunkel immer<lb/><fwplace="bottom"type="sig">H h</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[481/0486]
tet, aus eines braven Mannes Bruſt den Dämon
der Melancholie verſcheucht und das kochende
Blut eines raſenden Orlando’s abgekühlt zu
haben, der ohne mich in Banden geſchmiedet und
in ſeiner eignen Gluth erſtickt wäre, ſey meine
Bürgerkrone, die bloſs den ehrt, der ſie giebt
den nicht ehren kann, der ſie empfängt; die
Hoffnung, daſs der Faden, den ich angeſponnen
habe, ins Unendliche ausgeſponnen werde und mit
jedem Schritte vorwärts den Klauen des Tollhau-
ſes einen ſeiner Bewohner entreiſſe, ſey mein
Nachruhm, in dem ich fortlebe, wenn der Sturm
über meine Gebeine ſauſt. So läuft ein Gedanke
unſterblich durch Menſchenketten fort, wenn
längſt das Organ zerſtört iſt, das ihn zuerſt aus-
ſprach und tritt in neue Aſſociationen wie der
Staub in neue Geſtalten hervor.
Noch eins, ehe ich ſchlieſse. Ich habe in-
nerhalb des Gebiets der Arzneikunde geſchrieben
und den Dilettanten in Regionen geführt, von de-
nen er vielleicht nicht ahndete, daſs ſie inner-
halb ihres Bezirks enthalten wären. Möchte
dies die mikrologiſchen und verächtlichen Be-
griffe von ihr tödten, die von dem Troſs abſtie-
ben, der mit der Unwiſſenheit ſeiner Pepiniere
ihre Frechheit erbte. Als höhere Phyſik, auf
den beſtimmten Zweck des Heilgeſchäffts an-
gewandt, kann ſie ſich nur von ihren Schlacken
reinigen und ihre Grenzen erweitern, in dem
Maaſse, als jene aus ihrem Helldunkel immer
H h
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803, S. 481. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reil_curmethode_1803/486>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.