sinn am nächsten liegt, finden wir dies Symptom, dass die Kranken mit sich selbst reden *). End- lich ist der Blödsinnige in diesem Grade nicht im Stande, eine Gedankenreihe im Zusammen- hang zu verfolgen, weil seine Aufmerksamkeit starrt oder unstätt ist, sondern er springt ab auf Dinge, die mit dem gegenwärtigen entweder gar keine oder eine entfernte Verbindung haben. Dabey findet er sich nicht wieder auf seinen vo- rigen Standpunkt zurück, weil er in dem folgen- den Augenblick vergessen hat, was er in diesem that **).
In dem äussersten Grade des Blödsinns, von welchem der vollkommne Kretin das leben- dige Beispiel ist, fehlen alle Wahrnehmungen der Sinne, weil sie stumpf sind, oder die Seele keinen ihrer Eindrücke beachtet. Der Kranke hört ein wildes Geräusch, aber überall keinen verständ- lichen Ton, weil er nicht im Stande ist, einen aus der Menge auszuheben, ihn nicht auf seine Ursache zurückzuführen, und dadurch seine Be- deutung einzusehn. Er sieht eine unordentliche Zusammenstellung von Farben und Gestalten, von welchen er keine besonders unterscheidet. Seine Seele ähnelt einem Spiegel, in welchem sich ein todtes Bild der Welt abprägt. Er ist ohne Be- griffe, Urtheile, Gefühle, Leidenschaften, also
*)Seims in den Samml. auserl. Abh. für practische Aerzte, 19 B. 597 S.
**)Hoffbauer l. c. 2 B. 91-101 S.
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ſinn am nächſten liegt, finden wir dies Symptom, daſs die Kranken mit ſich ſelbſt reden *). End- lich iſt der Blödſinnige in dieſem Grade nicht im Stande, eine Gedankenreihe im Zuſammen- hang zu verfolgen, weil ſeine Aufmerkſamkeit ſtarrt oder unſtätt iſt, ſondern er ſpringt ab auf Dinge, die mit dem gegenwärtigen entweder gar keine oder eine entfernte Verbindung haben. Dabey findet er ſich nicht wieder auf ſeinen vo- rigen Standpunkt zurück, weil er in dem folgen- den Augenblick vergeſſen hat, was er in dieſem that **).
In dem äuſserſten Grade des Blödſinns, von welchem der vollkommne Kretin das leben- dige Beiſpiel iſt, fehlen alle Wahrnehmungen der Sinne, weil ſie ſtumpf ſind, oder die Seele keinen ihrer Eindrücke beachtet. Der Kranke hört ein wildes Geräuſch, aber überall keinen verſtänd- lichen Ton, weil er nicht im Stande iſt, einen aus der Menge auszuheben, ihn nicht auf ſeine Urſache zurückzuführen, und dadurch ſeine Be- deutung einzuſehn. Er ſieht eine unordentliche Zuſammenſtellung von Farben und Geſtalten, von welchen er keine beſonders unterſcheidet. Seine Seele ähnelt einem Spiegel, in welchem ſich ein todtes Bild der Welt abprägt. Er iſt ohne Be- griffe, Urtheile, Gefühle, Leidenſchaften, alſo
*)Seims in den Samml. auserl. Abh. für practiſche Aerzte, 19 B. 597 S.
**)Hoffbauer l. c. 2 B. 91-101 S.
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ſinn am nächſten liegt, finden wir dies Symptom,
daſs die Kranken mit ſich ſelbſt reden *). End-
lich iſt der Blödſinnige in dieſem Grade nicht
im Stande, eine Gedankenreihe im Zuſammen-
hang zu verfolgen, weil ſeine Aufmerkſamkeit
ſtarrt oder unſtätt iſt, ſondern er ſpringt ab auf
Dinge, die mit dem gegenwärtigen entweder gar
keine oder eine entfernte Verbindung haben.
Dabey findet er ſich nicht wieder auf ſeinen vo-
rigen Standpunkt zurück, weil er in dem folgen-
den Augenblick vergeſſen hat, was er in dieſem
that **).
In dem äuſserſten Grade des Blödſinns,
von welchem der vollkommne Kretin das leben-
dige Beiſpiel iſt, fehlen alle Wahrnehmungen der
Sinne, weil ſie ſtumpf ſind, oder die Seele keinen
ihrer Eindrücke beachtet. Der Kranke hört ein
wildes Geräuſch, aber überall keinen verſtänd-
lichen Ton, weil er nicht im Stande iſt, einen
aus der Menge auszuheben, ihn nicht auf ſeine
Urſache zurückzuführen, und dadurch ſeine Be-
deutung einzuſehn. Er ſieht eine unordentliche
Zuſammenſtellung von Farben und Geſtalten, von
welchen er keine beſonders unterſcheidet. Seine
Seele ähnelt einem Spiegel, in welchem ſich ein
todtes Bild der Welt abprägt. Er iſt ohne Be-
griffe, Urtheile, Gefühle, Leidenſchaften, alſo
*) Seims in den Samml. auserl. Abh. für practiſche
Aerzte, 19 B. 597 S.
**) Hoffbauer l. c. 2 B. 91-101 S.
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Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803, S. 417. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reil_curmethode_1803/422>, abgerufen am 22.11.2024.
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