die Polizeidiener, sich bey hoher Strafe nicht mehr gelüsten zu lassen, ihn zu verfolgen, be- freite ihn von seinem Wahn. Wagner*) er- zählt von einem Kranken, der sich einbildete, die Teufel sässen in seinen Ohren, raunten ihm die schädlichsten Anschläge ein, und wären jetzt im Begriff, ihn zur Hölle abzuholen. Daher er an einem Orte kniete und betete, und von dem- selben nicht aufstand. Der Geistliche kam, be- tastete seinen Hals und segnete ihn ein. Nun stand er zwar von seinem Platz auf, weigerte sich aber zu essen, weil die Teufel es nicht zuliessen. Der Pfarrer nahm den Kranken in das Pfarrhaus, wo der Satan keine Gewalt habe, und segnete die Speisen besonders ein. Der Kranke ass, erhohlte sich, und wurde nach und nach ganz von seinem Wahn befreit. Wahrscheinlich würde der Geist- liche nicht so glücklich gewesen seyn, wenn er seine Grillen unmittelbar angegriffen hätte. Hie- her gehört auch der Vampyrismus, ein Aber- glaube, der ehemals in Ungarn herrschend war. Ein Vampyr ist eine Person, die wieder aus dem Grabe aufsteigt, die Lebenden würgt, oder ihnen das Blut aussaugt. Ausserdem giebt es noch an- dere Plagen, Erscheinungen und Verfolgungen, die von den Todten gefürchtet werden. Diese und andere Ideen können sich bey Personen fixi- ren, die den Glauben dazu haben. Ein Zucker-
*) l. c. 1 B. 284 S.
die Polizeidiener, ſich bey hoher Strafe nicht mehr gelüſten zu laſſen, ihn zu verfolgen, be- freite ihn von ſeinem Wahn. Wagner*) er- zählt von einem Kranken, der ſich einbildete, die Teufel ſäſsen in ſeinen Ohren, raunten ihm die ſchädlichſten Anſchläge ein, und wären jetzt im Begriff, ihn zur Hölle abzuholen. Daher er an einem Orte kniete und betete, und von dem- ſelben nicht aufſtand. Der Geiſtliche kam, be- taſtete ſeinen Hals und ſegnete ihn ein. Nun ſtand er zwar von ſeinem Platz auf, weigerte ſich aber zu eſſen, weil die Teufel es nicht zulieſsen. Der Pfarrer nahm den Kranken in das Pfarrhaus, wo der Satan keine Gewalt habe, und ſegnete die Speiſen beſonders ein. Der Kranke aſs, erhohlte ſich, und wurde nach und nach ganz von ſeinem Wahn befreit. Wahrſcheinlich würde der Geiſt- liche nicht ſo glücklich geweſen ſeyn, wenn er ſeine Grillen unmittelbar angegriffen hätte. Hie- her gehört auch der Vampyriſmus, ein Aber- glaube, der ehemals in Ungarn herrſchend war. Ein Vampyr iſt eine Perſon, die wieder aus dem Grabe aufſteigt, die Lebenden würgt, oder ihnen das Blut ausſaugt. Auſserdem giebt es noch an- dere Plagen, Erſcheinungen und Verfolgungen, die von den Todten gefürchtet werden. Dieſe und andere Ideen können ſich bey Perſonen fixi- ren, die den Glauben dazu haben. Ein Zucker-
*) l. c. 1 B. 284 S.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0349"n="344"/>
die Polizeidiener, ſich bey hoher Strafe nicht<lb/>
mehr gelüſten zu laſſen, ihn zu verfolgen, be-<lb/>
freite ihn von ſeinem Wahn. <hirendition="#g">Wagner</hi><noteplace="foot"n="*)">l. c. 1 B. 284 S.</note> er-<lb/>
zählt von einem Kranken, der ſich einbildete,<lb/>
die Teufel ſäſsen in ſeinen Ohren, raunten ihm<lb/>
die ſchädlichſten Anſchläge ein, und wären jetzt<lb/>
im Begriff, ihn zur Hölle abzuholen. Daher er<lb/>
an einem Orte kniete und betete, und von dem-<lb/>ſelben nicht aufſtand. Der Geiſtliche kam, be-<lb/>
taſtete ſeinen Hals und ſegnete ihn ein. Nun<lb/>ſtand er zwar von ſeinem Platz auf, weigerte ſich<lb/>
aber zu eſſen, weil die Teufel es nicht zulieſsen.<lb/>
Der Pfarrer nahm den Kranken in das Pfarrhaus,<lb/>
wo der Satan keine Gewalt habe, und ſegnete die<lb/>
Speiſen beſonders ein. Der Kranke aſs, erhohlte<lb/>ſich, und wurde nach und nach ganz von ſeinem<lb/>
Wahn befreit. Wahrſcheinlich würde der Geiſt-<lb/>
liche nicht ſo glücklich geweſen ſeyn, wenn er<lb/>ſeine Grillen unmittelbar angegriffen hätte. Hie-<lb/>
her gehört auch der <hirendition="#g">Vampyriſmus</hi>, ein Aber-<lb/>
glaube, der ehemals in Ungarn herrſchend war.<lb/>
Ein Vampyr iſt eine Perſon, die wieder aus dem<lb/>
Grabe aufſteigt, die Lebenden würgt, oder ihnen<lb/>
das Blut ausſaugt. Auſserdem giebt es noch an-<lb/>
dere Plagen, Erſcheinungen und Verfolgungen,<lb/>
die von den Todten gefürchtet werden. Dieſe<lb/>
und andere Ideen können ſich bey Perſonen fixi-<lb/>
ren, die den Glauben dazu haben. Ein Zucker-<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[344/0349]
die Polizeidiener, ſich bey hoher Strafe nicht
mehr gelüſten zu laſſen, ihn zu verfolgen, be-
freite ihn von ſeinem Wahn. Wagner *) er-
zählt von einem Kranken, der ſich einbildete,
die Teufel ſäſsen in ſeinen Ohren, raunten ihm
die ſchädlichſten Anſchläge ein, und wären jetzt
im Begriff, ihn zur Hölle abzuholen. Daher er
an einem Orte kniete und betete, und von dem-
ſelben nicht aufſtand. Der Geiſtliche kam, be-
taſtete ſeinen Hals und ſegnete ihn ein. Nun
ſtand er zwar von ſeinem Platz auf, weigerte ſich
aber zu eſſen, weil die Teufel es nicht zulieſsen.
Der Pfarrer nahm den Kranken in das Pfarrhaus,
wo der Satan keine Gewalt habe, und ſegnete die
Speiſen beſonders ein. Der Kranke aſs, erhohlte
ſich, und wurde nach und nach ganz von ſeinem
Wahn befreit. Wahrſcheinlich würde der Geiſt-
liche nicht ſo glücklich geweſen ſeyn, wenn er
ſeine Grillen unmittelbar angegriffen hätte. Hie-
her gehört auch der Vampyriſmus, ein Aber-
glaube, der ehemals in Ungarn herrſchend war.
Ein Vampyr iſt eine Perſon, die wieder aus dem
Grabe aufſteigt, die Lebenden würgt, oder ihnen
das Blut ausſaugt. Auſserdem giebt es noch an-
dere Plagen, Erſcheinungen und Verfolgungen,
die von den Todten gefürchtet werden. Dieſe
und andere Ideen können ſich bey Perſonen fixi-
ren, die den Glauben dazu haben. Ein Zucker-
*) l. c. 1 B. 284 S.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803, S. 344. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reil_curmethode_1803/349>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.