Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803.

Bild:
<< vorherige Seite

wirken sie zuverlässig mit bey der Begründung
der Sympathie in der Organisation, und mögen
daher oft Ursache der anomalen Beziehungen seyn,
die in Krankheiten sichtbar werden.

Ein solcher Heerd liegt im Generations-
system
, das dem Gehirn gegenüber steht, nebst
demselben die Pole der Organisation bestimmt,
von welchen die Gliedmaassen als Strahlen aus-
gehn. Beide Endpunkte stehn mit einander in
mannichfaltigen Beziehungen. Je vollständiger
die Generationstheile ausgeprägt sind, desto un-
wirksamer pflegt das Gehirn zu seyn. Wo sie sich
in den Individuen ausbilden, entstehn neue Ge-
fühle, Triebe, Spiele der Phantasie. Sie wirken
auf Unkosten des Gehirns; Saamenergiessungen
erregen die Anfälle des Alps und der Fallsucht.
Welche nahe Beziehung sie auf die Seelenvermö-
gen haben, lehrt die Brunst einiger Thiere, die
mit Wuth verbunden ist, der Saamenkoller der
Pferde, die Nymphomanie des weiblichen und
die Satyriasis des männlichen Geschlechts. Fast
nie entsteht der Wahnsinn vor der Pubertät. Da-
her hat man auch die Castration wider denselben *)
ja sogar wider moralische Krankheiten der Seele
in Vorschlag gebracht. In England sollten nem-
lich die Diebe castrirt werden, um ihnen das
Stehlen abzugewöhnen **). Eine besondere Be-

*) Cabanis rapports du Physique et du Moral de
l'homme, a Paris 1802. T. I. p. 369.
**) Lichtenberg's verm. Schr. 2. Bd. 447 S.

wirken ſie zuverläſſig mit bey der Begründung
der Sympathie in der Organiſation, und mögen
daher oft Urſache der anomalen Beziehungen ſeyn,
die in Krankheiten ſichtbar werden.

Ein ſolcher Heerd liegt im Generations-
ſyſtem
, das dem Gehirn gegenüber ſteht, nebſt
demſelben die Pole der Organiſation beſtimmt,
von welchen die Gliedmaaſsen als Strahlen aus-
gehn. Beide Endpunkte ſtehn mit einander in
mannichfaltigen Beziehungen. Je vollſtändiger
die Generationstheile ausgeprägt ſind, deſto un-
wirkſamer pflegt das Gehirn zu ſeyn. Wo ſie ſich
in den Individuen ausbilden, entſtehn neue Ge-
fühle, Triebe, Spiele der Phantaſie. Sie wirken
auf Unkoſten des Gehirns; Saamenergieſsungen
erregen die Anfälle des Alps und der Fallſucht.
Welche nahe Beziehung ſie auf die Seelenvermö-
gen haben, lehrt die Brunſt einiger Thiere, die
mit Wuth verbunden iſt, der Saamenkoller der
Pferde, die Nymphomanie des weiblichen und
die Satyriaſis des männlichen Geſchlechts. Faſt
nie entſteht der Wahnſinn vor der Pubertät. Da-
her hat man auch die Caſtration wider denſelben *)
ja ſogar wider moraliſche Krankheiten der Seele
in Vorſchlag gebracht. In England ſollten nem-
lich die Diebe caſtrirt werden, um ihnen das
Stehlen abzugewöhnen **). Eine beſondere Be-

*) Cabanis rapports du Phyſique et du Moral de
l’homme, à Paris 1802. T. I. p. 369.
**) Lichtenberg’s verm. Schr. 2. Bd. 447 S.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0266" n="261"/>
wirken &#x017F;ie zuverlä&#x017F;&#x017F;ig mit bey der Begründung<lb/>
der Sympathie in der Organi&#x017F;ation, und mögen<lb/>
daher oft Ur&#x017F;ache der anomalen Beziehungen &#x017F;eyn,<lb/>
die in Krankheiten &#x017F;ichtbar werden.</p><lb/>
          <p>Ein &#x017F;olcher Heerd liegt im <hi rendition="#g">Generations-<lb/>
&#x017F;y&#x017F;tem</hi>, das dem Gehirn gegenüber &#x017F;teht, neb&#x017F;t<lb/>
dem&#x017F;elben die Pole der Organi&#x017F;ation be&#x017F;timmt,<lb/>
von welchen die Gliedmaa&#x017F;sen als Strahlen aus-<lb/>
gehn. Beide Endpunkte &#x017F;tehn mit einander in<lb/>
mannichfaltigen Beziehungen. Je voll&#x017F;tändiger<lb/>
die Generationstheile ausgeprägt &#x017F;ind, de&#x017F;to un-<lb/>
wirk&#x017F;amer pflegt das Gehirn zu &#x017F;eyn. Wo &#x017F;ie &#x017F;ich<lb/>
in den Individuen ausbilden, ent&#x017F;tehn neue Ge-<lb/>
fühle, Triebe, Spiele der Phanta&#x017F;ie. Sie wirken<lb/>
auf Unko&#x017F;ten des Gehirns; Saamenergie&#x017F;sungen<lb/>
erregen die Anfälle des Alps und der Fall&#x017F;ucht.<lb/>
Welche nahe Beziehung &#x017F;ie auf die Seelenvermö-<lb/>
gen haben, lehrt die Brun&#x017F;t einiger Thiere, die<lb/>
mit Wuth verbunden i&#x017F;t, der Saamenkoller der<lb/>
Pferde, die Nymphomanie des weiblichen und<lb/>
die Satyria&#x017F;is des männlichen Ge&#x017F;chlechts. Fa&#x017F;t<lb/>
nie ent&#x017F;teht der Wahn&#x017F;inn vor der Pubertät. Da-<lb/>
her hat man auch die Ca&#x017F;tration wider den&#x017F;elben <note place="foot" n="*)"><hi rendition="#g">Cabanis</hi> rapports du Phy&#x017F;ique et du Moral de<lb/>
l&#x2019;homme, à Paris 1802. T. I. p. 369.</note><lb/>
ja &#x017F;ogar wider morali&#x017F;che Krankheiten der Seele<lb/>
in Vor&#x017F;chlag gebracht. In England &#x017F;ollten nem-<lb/>
lich die Diebe ca&#x017F;trirt werden, um ihnen das<lb/>
Stehlen abzugewöhnen <note place="foot" n="**)"><hi rendition="#g">Lichtenberg&#x2019;s</hi> verm. Schr. 2. Bd. 447 S.</note>. Eine be&#x017F;ondere Be-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[261/0266] wirken ſie zuverläſſig mit bey der Begründung der Sympathie in der Organiſation, und mögen daher oft Urſache der anomalen Beziehungen ſeyn, die in Krankheiten ſichtbar werden. Ein ſolcher Heerd liegt im Generations- ſyſtem, das dem Gehirn gegenüber ſteht, nebſt demſelben die Pole der Organiſation beſtimmt, von welchen die Gliedmaaſsen als Strahlen aus- gehn. Beide Endpunkte ſtehn mit einander in mannichfaltigen Beziehungen. Je vollſtändiger die Generationstheile ausgeprägt ſind, deſto un- wirkſamer pflegt das Gehirn zu ſeyn. Wo ſie ſich in den Individuen ausbilden, entſtehn neue Ge- fühle, Triebe, Spiele der Phantaſie. Sie wirken auf Unkoſten des Gehirns; Saamenergieſsungen erregen die Anfälle des Alps und der Fallſucht. Welche nahe Beziehung ſie auf die Seelenvermö- gen haben, lehrt die Brunſt einiger Thiere, die mit Wuth verbunden iſt, der Saamenkoller der Pferde, die Nymphomanie des weiblichen und die Satyriaſis des männlichen Geſchlechts. Faſt nie entſteht der Wahnſinn vor der Pubertät. Da- her hat man auch die Caſtration wider denſelben *) ja ſogar wider moraliſche Krankheiten der Seele in Vorſchlag gebracht. In England ſollten nem- lich die Diebe caſtrirt werden, um ihnen das Stehlen abzugewöhnen **). Eine beſondere Be- *) Cabanis rapports du Phyſique et du Moral de l’homme, à Paris 1802. T. I. p. 369. **) Lichtenberg’s verm. Schr. 2. Bd. 447 S.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/reil_curmethode_1803
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/reil_curmethode_1803/266
Zitationshilfe: Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reil_curmethode_1803/266>, abgerufen am 22.05.2024.