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Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803.

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Organisation überhaupt berücksichtiget werden.
Allein in Betreff dieses Gegenstandes fehlt es noch
zu sehr an genauen Beobachtungen. Ich führe
nur eine derselben an, die sich, so weit wir es
einsehn, auf eine Abstufung in der Zartheit
derselben bezieht. Es giebt Menschen, die mei-
stens ein blondes Haar, ein grosses blaues Auge
und eine sanfte Haut haben, welche so delikat
organisirt sind, dass sie schon Sugillationen be-
kommen, wenn man sie nur derb anfasst. Ande-
re, die meistens eine harte Haut, ein festes Fleisch
und schwarzes Haar haben, sind von entgegenge-
setzter Natur. Zwischen beiden findet eine ana-
loge Verschiedenheit statt, wie zwischen dem
Fleisch einer Pfirsche und eines Apfels. Diese
haben einen starren Sinn; jene sind biegsam, em-
pfänglich für das Leiden der Menschheit und mit
einer sanft schwärmenden Phantasie begabt.
Beide Arten haben ihre eignen Anlagen zu Gei-
steskrankheiten. Dann sind einige Nerven des
Systems, in Rücksicht ihres Einflusses auf das
Seelenorgan, von vorzüglicher Dignität und be-
sonders dazu geeignet, diese oder jene Triebe und
Leidenschaften zu erregen. Es giebt nemlich
Heerde in demselben, welche als untergeordnete
Brennpunkte die zum Gehirn eilenden Eindrücke
erst in sich sammlen und sie dann verbunden zu
demselben fortschicken. Vielleicht reflektiren sie
auch einige Eindrücke, ohne sie dem Gehirn
und dem Bewusstseyn mitzutheilen. Endlich

Organiſation überhaupt berückſichtiget werden.
Allein in Betreff dieſes Gegenſtandes fehlt es noch
zu ſehr an genauen Beobachtungen. Ich führe
nur eine derſelben an, die ſich, ſo weit wir es
einſehn, auf eine Abſtufung in der Zartheit
derſelben bezieht. Es giebt Menſchen, die mei-
ſtens ein blondes Haar, ein groſses blaues Auge
und eine ſanfte Haut haben, welche ſo delikat
organiſirt ſind, daſs ſie ſchon Sugillationen be-
kommen, wenn man ſie nur derb anfaſst. Ande-
re, die meiſtens eine harte Haut, ein feſtes Fleiſch
und ſchwarzes Haar haben, ſind von entgegenge-
ſetzter Natur. Zwiſchen beiden findet eine ana-
loge Verſchiedenheit ſtatt, wie zwiſchen dem
Fleiſch einer Pfirſche und eines Apfels. Dieſe
haben einen ſtarren Sinn; jene ſind biegſam, em-
pfänglich für das Leiden der Menſchheit und mit
einer ſanft ſchwärmenden Phantaſie begabt.
Beide Arten haben ihre eignen Anlagen zu Gei-
ſteskrankheiten. Dann ſind einige Nerven des
Syſtems, in Rückſicht ihres Einfluſſes auf das
Seelenorgan, von vorzüglicher Dignität und be-
ſonders dazu geeignet, dieſe oder jene Triebe und
Leidenſchaften zu erregen. Es giebt nemlich
Heerde in demſelben, welche als untergeordnete
Brennpunkte die zum Gehirn eilenden Eindrücke
erſt in ſich ſammlen und ſie dann verbunden zu
demſelben fortſchicken. Vielleicht reflektiren ſie
auch einige Eindrücke, ohne ſie dem Gehirn
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[260/0265] Organiſation überhaupt berückſichtiget werden. Allein in Betreff dieſes Gegenſtandes fehlt es noch zu ſehr an genauen Beobachtungen. Ich führe nur eine derſelben an, die ſich, ſo weit wir es einſehn, auf eine Abſtufung in der Zartheit derſelben bezieht. Es giebt Menſchen, die mei- ſtens ein blondes Haar, ein groſses blaues Auge und eine ſanfte Haut haben, welche ſo delikat organiſirt ſind, daſs ſie ſchon Sugillationen be- kommen, wenn man ſie nur derb anfaſst. Ande- re, die meiſtens eine harte Haut, ein feſtes Fleiſch und ſchwarzes Haar haben, ſind von entgegenge- ſetzter Natur. Zwiſchen beiden findet eine ana- loge Verſchiedenheit ſtatt, wie zwiſchen dem Fleiſch einer Pfirſche und eines Apfels. Dieſe haben einen ſtarren Sinn; jene ſind biegſam, em- pfänglich für das Leiden der Menſchheit und mit einer ſanft ſchwärmenden Phantaſie begabt. Beide Arten haben ihre eignen Anlagen zu Gei- ſteskrankheiten. Dann ſind einige Nerven des Syſtems, in Rückſicht ihres Einfluſſes auf das Seelenorgan, von vorzüglicher Dignität und be- ſonders dazu geeignet, dieſe oder jene Triebe und Leidenſchaften zu erregen. Es giebt nemlich Heerde in demſelben, welche als untergeordnete Brennpunkte die zum Gehirn eilenden Eindrücke erſt in ſich ſammlen und ſie dann verbunden zu demſelben fortſchicken. Vielleicht reflektiren ſie auch einige Eindrücke, ohne ſie dem Gehirn und dem Bewuſstſeyn mitzutheilen. Endlich

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Zitationshilfe: Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803, S. 260. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reil_curmethode_1803/265>, abgerufen am 18.05.2024.