Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803.

Bild:
<< vorherige Seite

ven dienen als Organe des Gemeingefühls und der
Bewegung. Einige derselben scheinen ausserdem
noch einen bedeutenden Einfluss auf die Erregung
der Triebe und Instinkte zu haben. Das Gehirn
ist eigentliche Werkstätte des Denkens und ver-
ständigen Wollens, das ganze System Organ des
Gefühls. Die Funktionen kreuzen sie also über-
all, selten kommen isolirte Störungen vor; und
wo es geschieht, können wir aus denselben nicht
auf eine bestimmte Natur derjenigen Krankheit
schliessen, von welcher sie Product sind.

Die Seele, als vorstellende Kraft,
stellt sich den Zustand ihres Körpers durch den
Inbegriff des ganzen Nervensystems, die Welt
durch die Sinnorgane vor, und reproducirt in
einer mannichfaltigen Ordnung diese Vorstellun-
gen des Gemeingefühls und der Sinnorgane, ohne
äusseres Object, vorzüglich wol durch die Mit-
wirkung des Gehirns. Nach Maassgabe dieser
verschiedenen Organe entstehn Vorstellungen des
Gemeingefühls, der Sinnorgane und der
Imagination. Durch dieselben wird sie sich
ihres dreifachen Zustandes, ihrer Verbin-
dung mit ihrem Körper, als mit dem ihrigen, mit
der Welt, und ihrer eignen Veränderungen be-
wusst, sofern sie nemlich obige Vorstellungen als
subjektive Zustände in sich zu denken genöthigt
ist. Es entstehn innere Gründe, die zum Handeln
nöthigen, theils im Gefolge obiger Vorstellungen,
theils ohne dieselben, von bloss thierischen, oft

R

ven dienen als Organe des Gemeingefühls und der
Bewegung. Einige derſelben ſcheinen auſserdem
noch einen bedeutenden Einfluſs auf die Erregung
der Triebe und Inſtinkte zu haben. Das Gehirn
iſt eigentliche Werkſtätte des Denkens und ver-
ſtändigen Wollens, das ganze Syſtem Organ des
Gefühls. Die Funktionen kreuzen ſie alſo über-
all, ſelten kommen iſolirte Störungen vor; und
wo es geſchieht, können wir aus denſelben nicht
auf eine beſtimmte Natur derjenigen Krankheit
ſchlieſsen, von welcher ſie Product ſind.

Die Seele, als vorſtellende Kraft,
ſtellt ſich den Zuſtand ihres Körpers durch den
Inbegriff des ganzen Nervenſyſtems, die Welt
durch die Sinnorgane vor, und reproducirt in
einer mannichfaltigen Ordnung dieſe Vorſtellun-
gen des Gemeingefühls und der Sinnorgane, ohne
äuſseres Object, vorzüglich wol durch die Mit-
wirkung des Gehirns. Nach Maaſsgabe dieſer
verſchiedenen Organe entſtehn Vorſtellungen des
Gemeingefühls, der Sinnorgane und der
Imagination. Durch dieſelben wird ſie ſich
ihres dreifachen Zuſtandes, ihrer Verbin-
dung mit ihrem Körper, als mit dem ihrigen, mit
der Welt, und ihrer eignen Veränderungen be-
wuſst, ſofern ſie nemlich obige Vorſtellungen als
ſubjektive Zuſtände in ſich zu denken genöthigt
iſt. Es entſtehn innere Gründe, die zum Handeln
nöthigen, theils im Gefolge obiger Vorſtellungen,
theils ohne dieſelben, von bloſs thieriſchen, oft

R
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0262" n="257"/>
ven dienen als Organe des Gemeingefühls und der<lb/>
Bewegung. Einige der&#x017F;elben &#x017F;cheinen au&#x017F;serdem<lb/>
noch einen bedeutenden Einflu&#x017F;s auf die Erregung<lb/>
der Triebe und In&#x017F;tinkte zu haben. Das Gehirn<lb/>
i&#x017F;t eigentliche Werk&#x017F;tätte des Denkens und ver-<lb/>
&#x017F;tändigen Wollens, das ganze Sy&#x017F;tem Organ des<lb/>
Gefühls. Die Funktionen kreuzen &#x017F;ie al&#x017F;o über-<lb/>
all, &#x017F;elten kommen i&#x017F;olirte Störungen vor; und<lb/>
wo es ge&#x017F;chieht, können wir aus den&#x017F;elben nicht<lb/>
auf eine be&#x017F;timmte Natur derjenigen Krankheit<lb/>
&#x017F;chlie&#x017F;sen, von welcher &#x017F;ie Product &#x017F;ind.</p><lb/>
          <p>Die Seele, als <hi rendition="#g">vor&#x017F;tellende Kraft</hi>,<lb/>
&#x017F;tellt &#x017F;ich den Zu&#x017F;tand ihres Körpers durch den<lb/>
Inbegriff des ganzen Nerven&#x017F;y&#x017F;tems, die Welt<lb/>
durch die Sinnorgane vor, und reproducirt in<lb/>
einer mannichfaltigen Ordnung die&#x017F;e Vor&#x017F;tellun-<lb/>
gen des Gemeingefühls und der Sinnorgane, ohne<lb/>
äu&#x017F;seres Object, vorzüglich wol durch die Mit-<lb/>
wirkung des Gehirns. Nach Maa&#x017F;sgabe die&#x017F;er<lb/>
ver&#x017F;chiedenen Organe ent&#x017F;tehn Vor&#x017F;tellungen des<lb/><hi rendition="#g">Gemeingefühls</hi>, der <hi rendition="#g">Sinnorgane</hi> und der<lb/><hi rendition="#g">Imagination</hi>. Durch die&#x017F;elben wird &#x017F;ie &#x017F;ich<lb/>
ihres dreifachen Zu&#x017F;tandes, ihrer Verbin-<lb/>
dung mit ihrem Körper, als mit dem ihrigen, mit<lb/>
der Welt, und ihrer eignen Veränderungen be-<lb/>
wu&#x017F;st, &#x017F;ofern &#x017F;ie nemlich obige Vor&#x017F;tellungen als<lb/>
&#x017F;ubjektive Zu&#x017F;tände in &#x017F;ich zu denken genöthigt<lb/>
i&#x017F;t. Es ent&#x017F;tehn innere Gründe, die zum Handeln<lb/>
nöthigen, theils im Gefolge obiger Vor&#x017F;tellungen,<lb/>
theils ohne die&#x017F;elben, von blo&#x017F;s thieri&#x017F;chen, oft<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">R</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[257/0262] ven dienen als Organe des Gemeingefühls und der Bewegung. Einige derſelben ſcheinen auſserdem noch einen bedeutenden Einfluſs auf die Erregung der Triebe und Inſtinkte zu haben. Das Gehirn iſt eigentliche Werkſtätte des Denkens und ver- ſtändigen Wollens, das ganze Syſtem Organ des Gefühls. Die Funktionen kreuzen ſie alſo über- all, ſelten kommen iſolirte Störungen vor; und wo es geſchieht, können wir aus denſelben nicht auf eine beſtimmte Natur derjenigen Krankheit ſchlieſsen, von welcher ſie Product ſind. Die Seele, als vorſtellende Kraft, ſtellt ſich den Zuſtand ihres Körpers durch den Inbegriff des ganzen Nervenſyſtems, die Welt durch die Sinnorgane vor, und reproducirt in einer mannichfaltigen Ordnung dieſe Vorſtellun- gen des Gemeingefühls und der Sinnorgane, ohne äuſseres Object, vorzüglich wol durch die Mit- wirkung des Gehirns. Nach Maaſsgabe dieſer verſchiedenen Organe entſtehn Vorſtellungen des Gemeingefühls, der Sinnorgane und der Imagination. Durch dieſelben wird ſie ſich ihres dreifachen Zuſtandes, ihrer Verbin- dung mit ihrem Körper, als mit dem ihrigen, mit der Welt, und ihrer eignen Veränderungen be- wuſst, ſofern ſie nemlich obige Vorſtellungen als ſubjektive Zuſtände in ſich zu denken genöthigt iſt. Es entſtehn innere Gründe, die zum Handeln nöthigen, theils im Gefolge obiger Vorſtellungen, theils ohne dieſelben, von bloſs thieriſchen, oft R

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/reil_curmethode_1803
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/reil_curmethode_1803/262
Zitationshilfe: Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reil_curmethode_1803/262>, abgerufen am 24.11.2024.