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Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803.

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in der Cur fortschreitet. Anfangs beschäfftiget
man bloss den Körper, nachher auch die Seele;
man schreitet von Handarbeiten zu Kunstarbeiten,
und von da zu Geistesarbeiten fort. Ein Uhr-
macher, dessen ich oben schon erwähnt habe,
kam durch anhaltendes Nachsinnen über die Er-
findung eines Perpetuum mobile um seinen Ver-
stand und bildete sich ein, sein Kopf sey ihm ver-
tauscht. Man gab ihm Uhrmacher-Werkzeug
und Materialien zur Verarbeitung. Dies leitete
ihn von seiner fixen Idee ab, und führte ihn wie-
der auf seine ursprüngliche Narrheit, ein Perpe-
tuum mobile zu erfinden, zurück, von der er
nachher auch geheilt wurde *). In einer spani-
schen Stadt Saragossa besteht für Kranke und
vorzüglich für Wahnsinnige aller Länder und
Religionen ein offener Zufluchtsort mit der ein-
fachen Inschrift: Urbis et Orbis. Die Stifter
derselben suchten nicht bloss durch mechanische
Arbeiten, sondern vorzüglich durch das An-
lockende des Feldbaues den Verirrungen des
Geistes ein Gegenmittel entgegen zu stellen. Am
Morgen sieht man, wie einige Kranke die Dienste
des Hauses versehn, andere sich in ihre Werkstätte
begeben. Die meisten derselben vertheilen sich,
mit Frohsinn, in verschiedene Haufen, unter der
Leitung verständiger Aufseher ins Feld, das
zum Hospital gehört und übernehmen mit

*) Pinel l. c. 71 S.

in der Cur fortſchreitet. Anfangs beſchäfftiget
man bloſs den Körper, nachher auch die Seele;
man ſchreitet von Handarbeiten zu Kunſtarbeiten,
und von da zu Geiſtesarbeiten fort. Ein Uhr-
macher, deſſen ich oben ſchon erwähnt habe,
kam durch anhaltendes Nachſinnen über die Er-
findung eines Perpetuum mobile um ſeinen Ver-
ſtand und bildete ſich ein, ſein Kopf ſey ihm ver-
tauſcht. Man gab ihm Uhrmacher-Werkzeug
und Materialien zur Verarbeitung. Dies leitete
ihn von ſeiner fixen Idee ab, und führte ihn wie-
der auf ſeine urſprüngliche Narrheit, ein Perpe-
tuum mobile zu erfinden, zurück, von der er
nachher auch geheilt wurde *). In einer ſpani-
ſchen Stadt Saragoſſa beſteht für Kranke und
vorzüglich für Wahnſinnige aller Länder und
Religionen ein offener Zufluchtsort mit der ein-
fachen Inſchrift: Urbis et Orbis. Die Stifter
derſelben ſuchten nicht bloſs durch mechaniſche
Arbeiten, ſondern vorzüglich durch das An-
lockende des Feldbaues den Verirrungen des
Geiſtes ein Gegenmittel entgegen zu ſtellen. Am
Morgen ſieht man, wie einige Kranke die Dienſte
des Hauſes verſehn, andere ſich in ihre Werkſtätte
begeben. Die meiſten derſelben vertheilen ſich,
mit Frohſinn, in verſchiedene Haufen, unter der
Leitung verſtändiger Aufſeher ins Feld, das
zum Hoſpital gehört und übernehmen mit

*) Pinel l. c. 71 S.
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[242/0247] in der Cur fortſchreitet. Anfangs beſchäfftiget man bloſs den Körper, nachher auch die Seele; man ſchreitet von Handarbeiten zu Kunſtarbeiten, und von da zu Geiſtesarbeiten fort. Ein Uhr- macher, deſſen ich oben ſchon erwähnt habe, kam durch anhaltendes Nachſinnen über die Er- findung eines Perpetuum mobile um ſeinen Ver- ſtand und bildete ſich ein, ſein Kopf ſey ihm ver- tauſcht. Man gab ihm Uhrmacher-Werkzeug und Materialien zur Verarbeitung. Dies leitete ihn von ſeiner fixen Idee ab, und führte ihn wie- der auf ſeine urſprüngliche Narrheit, ein Perpe- tuum mobile zu erfinden, zurück, von der er nachher auch geheilt wurde *). In einer ſpani- ſchen Stadt Saragoſſa beſteht für Kranke und vorzüglich für Wahnſinnige aller Länder und Religionen ein offener Zufluchtsort mit der ein- fachen Inſchrift: Urbis et Orbis. Die Stifter derſelben ſuchten nicht bloſs durch mechaniſche Arbeiten, ſondern vorzüglich durch das An- lockende des Feldbaues den Verirrungen des Geiſtes ein Gegenmittel entgegen zu ſtellen. Am Morgen ſieht man, wie einige Kranke die Dienſte des Hauſes verſehn, andere ſich in ihre Werkſtätte begeben. Die meiſten derſelben vertheilen ſich, mit Frohſinn, in verſchiedene Haufen, unter der Leitung verſtändiger Aufſeher ins Feld, das zum Hoſpital gehört und übernehmen mit *) Pinel l. c. 71 S.

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Zitationshilfe: Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reil_curmethode_1803/247>, abgerufen am 04.05.2024.