bau und die Correction der oberen Seelenkräfte, nehmen den Verstand in Anspruch und suchen ihn mit der Sinnlichkeit in ein normales Verhält- niss zu bringen, um der Verrücktheit ein inneres Hinderniss im Wege zu stellen, da alle andern Mittel sie nur palliativ und durch einen äusseren Zwang zu zähmen scheinen. Dies ist eine Funk- tion, die ihnen ausschliesslich eigen ist und durch alle übrigen Mittel nicht erreicht werden kann. Daher passen sie auch nur für Kranke, die noch soviel Seelenkraft haben, dass sie den Sinn der Zeichen fassen können, die zur radikalen Cur vorbereitet, oder auf dem Wege der Genesung sind.
Diese psychischen Mittel sind besonders dazu geeignet, den absoluten Anomalieen der einzelnen Seelenvermögen und den relativen Fehlern dersel- ben abzuhelfen, die in ihrer Verbindung sich äussern; die vorspringenden Kräfte zu zähmen, den geschwächten und trägen nachzuhelfen; den moralischen Sinn des Kranken zu wecken; beson- dere Zustände der Seele, ihre Aufmerksamkeit und Besonnenheit zu cultiviren; eigenthümlichen Verirrungen, den schädlichen Neigungen und Trieben der Kranken zu begegnen. Dies setzt genaue Kenntniss der Seele überhaupt und des Seelenzustandes der Verrückten, ihrer Associa- ciationen, Gefühle und Begierden und eine be- stimmte Charakteristik der einfachsten Geistesge- brechen voraus. Dann werden nach den Princi-
bau und die Correction der oberen Seelenkräfte, nehmen den Verſtand in Anſpruch und ſuchen ihn mit der Sinnlichkeit in ein normales Verhält- niſs zu bringen, um der Verrücktheit ein inneres Hinderniſs im Wege zu ſtellen, da alle andern Mittel ſie nur palliativ und durch einen äuſseren Zwang zu zähmen ſcheinen. Dies iſt eine Funk- tion, die ihnen ausſchlieſslich eigen iſt und durch alle übrigen Mittel nicht erreicht werden kann. Daher paſſen ſie auch nur für Kranke, die noch ſoviel Seelenkraft haben, daſs ſie den Sinn der Zeichen faſſen können, die zur radikalen Cur vorbereitet, oder auf dem Wege der Geneſung ſind.
Dieſe pſychiſchen Mittel ſind beſonders dazu geeignet, den abſoluten Anomalieen der einzelnen Seelenvermögen und den relativen Fehlern derſel- ben abzuhelfen, die in ihrer Verbindung ſich äuſsern; die vorſpringenden Kräfte zu zähmen, den geſchwächten und trägen nachzuhelfen; den moraliſchen Sinn des Kranken zu wecken; beſon- dere Zuſtände der Seele, ihre Aufmerkſamkeit und Beſonnenheit zu cultiviren; eigenthümlichen Verirrungen, den ſchädlichen Neigungen und Trieben der Kranken zu begegnen. Dies ſetzt genaue Kenntniſs der Seele überhaupt und des Seelenzuſtandes der Verrückten, ihrer Aſſocia- ciationen, Gefühle und Begierden und eine be- ſtimmte Charakteriſtik der einfachſten Geiſtesge- brechen voraus. Dann werden nach den Princi-
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bau und die Correction der oberen Seelenkräfte,
nehmen den Verſtand in Anſpruch und ſuchen
ihn mit der Sinnlichkeit in ein normales Verhält-
niſs zu bringen, um der Verrücktheit ein inneres
Hinderniſs im Wege zu ſtellen, da alle andern
Mittel ſie nur palliativ und durch einen äuſseren
Zwang zu zähmen ſcheinen. Dies iſt eine Funk-
tion, die ihnen ausſchlieſslich eigen iſt und durch
alle übrigen Mittel nicht erreicht werden kann.
Daher paſſen ſie auch nur für Kranke, die noch
ſoviel Seelenkraft haben, daſs ſie den Sinn der
Zeichen faſſen können, die zur radikalen Cur
vorbereitet, oder auf dem Wege der Geneſung
ſind.
Dieſe pſychiſchen Mittel ſind beſonders dazu
geeignet, den abſoluten Anomalieen der einzelnen
Seelenvermögen und den relativen Fehlern derſel-
ben abzuhelfen, die in ihrer Verbindung ſich
äuſsern; die vorſpringenden Kräfte zu zähmen,
den geſchwächten und trägen nachzuhelfen; den
moraliſchen Sinn des Kranken zu wecken; beſon-
dere Zuſtände der Seele, ihre Aufmerkſamkeit
und Beſonnenheit zu cultiviren; eigenthümlichen
Verirrungen, den ſchädlichen Neigungen und
Trieben der Kranken zu begegnen. Dies ſetzt
genaue Kenntniſs der Seele überhaupt und des
Seelenzuſtandes der Verrückten, ihrer Aſſocia-
ciationen, Gefühle und Begierden und eine be-
ſtimmte Charakteriſtik der einfachſten Geiſtesge-
brechen voraus. Dann werden nach den Princi-
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Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reil_curmethode_1803/218>, abgerufen am 25.11.2024.
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