Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803.

Bild:
<< vorherige Seite

Stücke vor. Dies machte einen solchen angeneh-
men Eindruck auf ihn, dass er sich aufrichtete,
und mit den Armen die Manieren des Stücks aus-
drückte. Das Rasen hörte auf, der Kranke fiel
in einen tiefen Schlaf und während desselben stellte
sich eine Crisis ein, durch welche er genas.

Den Beschluss dieses Abschnitts mache ich
mit Objekten für den Sinn des Ge-
sichts
, der der Seele am nächsten liegt und auf
die Erregung ihrer Vermögen am kräftigsten ein-
wirkt. Eindrücke auf diesen Sinn wirken selten
direct aufs Gefühl, sondern vorzüglich aufs Vor-
stellungsvermögen, durch dasselbe auf die Einbil-
dungskraft, wecken den Vorrath von Ideen und
gehn auf diesem Wege zum Gefühls- und Begeh-
rungsvermögen über. Hier liegt noch ein grosses
Feld zur Bearbeitung für die psychische Heilmit-
tellehre offen. Allein da die Objekte für diesen
Sinn so mannichfaltig und ihr Gebrauch von den
verschiedenen Zuständen des Kranken ganz ab-
hängig ist, so kann ich mich auf ihr Detail nicht
einlassen. Ich bemerke bloss im Allgemeinen,
dass jedes Tollhaus zum Behuf ihrer imposanten
Anwendung und zweckmässigen Zusammenstel-
lung ein für diese Zwecke besonders eingerichtetes,
durchaus praktikabeles Theater haben könnte,
das mit allen nöthigen Apparaten, Masquen,
Maschinerien und Decorationen versehen wäre.
Auf demselben müssten die Hausofficianten hin-
länglich eingespielt seyn, damit sie jede Rolle

O

Stücke vor. Dies machte einen ſolchen angeneh-
men Eindruck auf ihn, daſs er ſich aufrichtete,
und mit den Armen die Manieren des Stücks aus-
drückte. Das Raſen hörte auf, der Kranke fiel
in einen tiefen Schlaf und während deſſelben ſtellte
ſich eine Criſis ein, durch welche er genas.

Den Beſchluſs dieſes Abſchnitts mache ich
mit Objekten für den Sinn des Ge-
ſichts
, der der Seele am nächſten liegt und auf
die Erregung ihrer Vermögen am kräftigſten ein-
wirkt. Eindrücke auf dieſen Sinn wirken ſelten
direct aufs Gefühl, ſondern vorzüglich aufs Vor-
ſtellungsvermögen, durch daſſelbe auf die Einbil-
dungskraft, wecken den Vorrath von Ideen und
gehn auf dieſem Wege zum Gefühls- und Begeh-
rungsvermögen über. Hier liegt noch ein groſses
Feld zur Bearbeitung für die pſychiſche Heilmit-
tellehre offen. Allein da die Objekte für dieſen
Sinn ſo mannichfaltig und ihr Gebrauch von den
verſchiedenen Zuſtänden des Kranken ganz ab-
hängig iſt, ſo kann ich mich auf ihr Detail nicht
einlaſſen. Ich bemerke bloſs im Allgemeinen,
daſs jedes Tollhaus zum Behuf ihrer impoſanten
Anwendung und zweckmäſsigen Zuſammenſtel-
lung ein für dieſe Zwecke beſonders eingerichtetes,
durchaus praktikabeles Theater haben könnte,
das mit allen nöthigen Apparaten, Masquen,
Maſchinerien und Decorationen verſehen wäre.
Auf demſelben müſsten die Hausofficianten hin-
länglich eingeſpielt ſeyn, damit ſie jede Rolle

O
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0214" n="209"/>
Stücke vor. Dies machte einen &#x017F;olchen angeneh-<lb/>
men Eindruck auf ihn, da&#x017F;s er &#x017F;ich aufrichtete,<lb/>
und mit den Armen die Manieren des Stücks aus-<lb/>
drückte. Das Ra&#x017F;en hörte auf, der Kranke fiel<lb/>
in einen tiefen Schlaf und während de&#x017F;&#x017F;elben &#x017F;tellte<lb/>
&#x017F;ich eine Cri&#x017F;is ein, durch welche er genas.</p><lb/>
          <p>Den Be&#x017F;chlu&#x017F;s die&#x017F;es Ab&#x017F;chnitts mache ich<lb/>
mit <hi rendition="#g">Objekten für den Sinn des Ge-<lb/>
&#x017F;ichts</hi>, der der Seele am näch&#x017F;ten liegt und auf<lb/>
die Erregung ihrer Vermögen am kräftig&#x017F;ten ein-<lb/>
wirkt. Eindrücke auf die&#x017F;en Sinn wirken &#x017F;elten<lb/>
direct aufs Gefühl, &#x017F;ondern vorzüglich aufs Vor-<lb/>
&#x017F;tellungsvermögen, durch da&#x017F;&#x017F;elbe auf die Einbil-<lb/>
dungskraft, wecken den Vorrath von Ideen und<lb/>
gehn auf die&#x017F;em Wege zum Gefühls- und Begeh-<lb/>
rungsvermögen über. Hier liegt noch ein gro&#x017F;ses<lb/>
Feld zur Bearbeitung für die p&#x017F;ychi&#x017F;che Heilmit-<lb/>
tellehre offen. Allein da die Objekte für die&#x017F;en<lb/>
Sinn &#x017F;o mannichfaltig und ihr Gebrauch von den<lb/>
ver&#x017F;chiedenen Zu&#x017F;tänden des Kranken ganz ab-<lb/>
hängig i&#x017F;t, &#x017F;o kann ich mich auf ihr Detail nicht<lb/>
einla&#x017F;&#x017F;en. Ich bemerke blo&#x017F;s im Allgemeinen,<lb/>
da&#x017F;s jedes Tollhaus zum Behuf ihrer impo&#x017F;anten<lb/>
Anwendung und zweckmä&#x017F;sigen Zu&#x017F;ammen&#x017F;tel-<lb/>
lung ein für die&#x017F;e Zwecke be&#x017F;onders eingerichtetes,<lb/>
durchaus praktikabeles Theater haben könnte,<lb/>
das mit allen nöthigen Apparaten, Masquen,<lb/>
Ma&#x017F;chinerien und Decorationen ver&#x017F;ehen wäre.<lb/>
Auf dem&#x017F;elben mü&#x017F;sten die Hausofficianten hin-<lb/>
länglich einge&#x017F;pielt &#x017F;eyn, damit &#x017F;ie jede Rolle<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">O</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[209/0214] Stücke vor. Dies machte einen ſolchen angeneh- men Eindruck auf ihn, daſs er ſich aufrichtete, und mit den Armen die Manieren des Stücks aus- drückte. Das Raſen hörte auf, der Kranke fiel in einen tiefen Schlaf und während deſſelben ſtellte ſich eine Criſis ein, durch welche er genas. Den Beſchluſs dieſes Abſchnitts mache ich mit Objekten für den Sinn des Ge- ſichts, der der Seele am nächſten liegt und auf die Erregung ihrer Vermögen am kräftigſten ein- wirkt. Eindrücke auf dieſen Sinn wirken ſelten direct aufs Gefühl, ſondern vorzüglich aufs Vor- ſtellungsvermögen, durch daſſelbe auf die Einbil- dungskraft, wecken den Vorrath von Ideen und gehn auf dieſem Wege zum Gefühls- und Begeh- rungsvermögen über. Hier liegt noch ein groſses Feld zur Bearbeitung für die pſychiſche Heilmit- tellehre offen. Allein da die Objekte für dieſen Sinn ſo mannichfaltig und ihr Gebrauch von den verſchiedenen Zuſtänden des Kranken ganz ab- hängig iſt, ſo kann ich mich auf ihr Detail nicht einlaſſen. Ich bemerke bloſs im Allgemeinen, daſs jedes Tollhaus zum Behuf ihrer impoſanten Anwendung und zweckmäſsigen Zuſammenſtel- lung ein für dieſe Zwecke beſonders eingerichtetes, durchaus praktikabeles Theater haben könnte, das mit allen nöthigen Apparaten, Masquen, Maſchinerien und Decorationen verſehen wäre. Auf demſelben müſsten die Hausofficianten hin- länglich eingeſpielt ſeyn, damit ſie jede Rolle O

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/reil_curmethode_1803
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/reil_curmethode_1803/214
Zitationshilfe: Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reil_curmethode_1803/214>, abgerufen am 04.05.2024.