Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803.

Bild:
<< vorherige Seite

der lassen wir eine ununterbrochene Folge von
Objekten, wie die Bilder einer magischen Lampe,
vor den Sinnorganen vorübergehn, bey deren An-
schauung die Seele sich passiv verhält, bloss von
aussen bestimmt und durch die Folge der Vor-
stellungen in ihrer Spannung gehalten wird.
Oder wir halten nur ein Object vor und rechnen
auf die eigenmächtigen Erregungen, die durch
die Anschauung desselben in der Seele geweckt
werden, auf den Uebergang der Anschauung zur
Einbildungskraft, dem Gefühls- und dem Begeh-
rungsvermögen.

In dem letzten Fall, wenn die Sinnesan-
schauungen auf die Erregung des gesammten Spiels
der Seelenkräfte berechnet sind, muss man
ihnen durch ein mitgetheiltes Inter-
esse
Leben, und dies auf eine zweckmässige
Art zu verschaffen wissen. Sonst lässt der Kranke
die Objekte bey Seite liegen, ohne sie besonders
zu beachten. Es werden daher auch für diese
Reize Kranke erfordert, deren Besonnenheit
schon einigermaassen geweckt ist. Ihnen dadurch,
dass man sie in Verknüpfung mit der Verrückt-
heit des Kranken bringt, Interesse zu verschaffen,
ist meistens nicht zweckmässig. Wir müssen da-
her dasselbe auf einem andern Wege zu gewinnen
suchen. Wir wählen Sinnes- Eindrücke, die an
sich und direct angenehme oder unangenehme
körperliche Gefühle durch die Action erregen,
die sie in den Nerven hervorbringen. Der Art

der laſſen wir eine ununterbrochene Folge von
Objekten, wie die Bilder einer magiſchen Lampe,
vor den Sinnorganen vorübergehn, bey deren An-
ſchauung die Seele ſich paſſiv verhält, bloſs von
auſsen beſtimmt und durch die Folge der Vor-
ſtellungen in ihrer Spannung gehalten wird.
Oder wir halten nur ein Object vor und rechnen
auf die eigenmächtigen Erregungen, die durch
die Anſchauung deſſelben in der Seele geweckt
werden, auf den Uebergang der Anſchauung zur
Einbildungskraft, dem Gefühls- und dem Begeh-
rungsvermögen.

In dem letzten Fall, wenn die Sinnesan-
ſchauungen auf die Erregung des geſammten Spiels
der Seelenkräfte berechnet ſind, muſs man
ihnen durch ein mitgetheiltes Inter-
eſſe
Leben, und dies auf eine zweckmäſsige
Art zu verſchaffen wiſſen. Sonſt läſst der Kranke
die Objekte bey Seite liegen, ohne ſie beſonders
zu beachten. Es werden daher auch für dieſe
Reize Kranke erfordert, deren Beſonnenheit
ſchon einigermaaſsen geweckt iſt. Ihnen dadurch,
daſs man ſie in Verknüpfung mit der Verrückt-
heit des Kranken bringt, Intereſſe zu verſchaffen,
iſt meiſtens nicht zweckmäſsig. Wir müſſen da-
her daſſelbe auf einem andern Wege zu gewinnen
ſuchen. Wir wählen Sinnes- Eindrücke, die an
ſich und direct angenehme oder unangenehme
körperliche Gefühle durch die Action erregen,
die ſie in den Nerven hervorbringen. Der Art

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0204" n="199"/>
der la&#x017F;&#x017F;en wir eine ununterbrochene Folge von<lb/>
Objekten, wie die Bilder einer magi&#x017F;chen Lampe,<lb/>
vor den Sinnorganen vorübergehn, bey deren An-<lb/>
&#x017F;chauung die Seele &#x017F;ich pa&#x017F;&#x017F;iv verhält, blo&#x017F;s von<lb/>
au&#x017F;sen be&#x017F;timmt und durch die Folge der Vor-<lb/>
&#x017F;tellungen in ihrer Spannung gehalten wird.<lb/>
Oder wir halten nur ein Object vor und rechnen<lb/>
auf die eigenmächtigen Erregungen, die durch<lb/>
die An&#x017F;chauung de&#x017F;&#x017F;elben in der Seele geweckt<lb/>
werden, auf den Uebergang der An&#x017F;chauung zur<lb/>
Einbildungskraft, dem Gefühls- und dem Begeh-<lb/>
rungsvermögen.</p><lb/>
          <p>In dem letzten Fall, wenn die Sinnesan-<lb/>
&#x017F;chauungen auf die Erregung des ge&#x017F;ammten Spiels<lb/>
der Seelenkräfte berechnet &#x017F;ind, mu&#x017F;s man<lb/>
ihnen <hi rendition="#g">durch ein mitgetheiltes Inter-<lb/>
e&#x017F;&#x017F;e</hi> Leben, und dies auf eine zweckmä&#x017F;sige<lb/>
Art zu ver&#x017F;chaffen wi&#x017F;&#x017F;en. Son&#x017F;t lä&#x017F;st der Kranke<lb/>
die Objekte bey Seite liegen, ohne &#x017F;ie be&#x017F;onders<lb/>
zu beachten. Es werden daher auch für die&#x017F;e<lb/>
Reize Kranke erfordert, deren Be&#x017F;onnenheit<lb/>
&#x017F;chon einigermaa&#x017F;sen geweckt i&#x017F;t. Ihnen dadurch,<lb/>
da&#x017F;s man &#x017F;ie in Verknüpfung mit der Verrückt-<lb/>
heit des Kranken bringt, Intere&#x017F;&#x017F;e zu ver&#x017F;chaffen,<lb/>
i&#x017F;t mei&#x017F;tens nicht zweckmä&#x017F;sig. Wir mü&#x017F;&#x017F;en da-<lb/>
her da&#x017F;&#x017F;elbe auf einem andern Wege zu gewinnen<lb/>
&#x017F;uchen. Wir wählen Sinnes- Eindrücke, die an<lb/>
&#x017F;ich und direct angenehme oder unangenehme<lb/>
körperliche Gefühle durch die Action erregen,<lb/>
die &#x017F;ie in den Nerven hervorbringen. Der Art<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[199/0204] der laſſen wir eine ununterbrochene Folge von Objekten, wie die Bilder einer magiſchen Lampe, vor den Sinnorganen vorübergehn, bey deren An- ſchauung die Seele ſich paſſiv verhält, bloſs von auſsen beſtimmt und durch die Folge der Vor- ſtellungen in ihrer Spannung gehalten wird. Oder wir halten nur ein Object vor und rechnen auf die eigenmächtigen Erregungen, die durch die Anſchauung deſſelben in der Seele geweckt werden, auf den Uebergang der Anſchauung zur Einbildungskraft, dem Gefühls- und dem Begeh- rungsvermögen. In dem letzten Fall, wenn die Sinnesan- ſchauungen auf die Erregung des geſammten Spiels der Seelenkräfte berechnet ſind, muſs man ihnen durch ein mitgetheiltes Inter- eſſe Leben, und dies auf eine zweckmäſsige Art zu verſchaffen wiſſen. Sonſt läſst der Kranke die Objekte bey Seite liegen, ohne ſie beſonders zu beachten. Es werden daher auch für dieſe Reize Kranke erfordert, deren Beſonnenheit ſchon einigermaaſsen geweckt iſt. Ihnen dadurch, daſs man ſie in Verknüpfung mit der Verrückt- heit des Kranken bringt, Intereſſe zu verſchaffen, iſt meiſtens nicht zweckmäſsig. Wir müſſen da- her daſſelbe auf einem andern Wege zu gewinnen ſuchen. Wir wählen Sinnes- Eindrücke, die an ſich und direct angenehme oder unangenehme körperliche Gefühle durch die Action erregen, die ſie in den Nerven hervorbringen. Der Art

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/reil_curmethode_1803
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/reil_curmethode_1803/204
Zitationshilfe: Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reil_curmethode_1803/204>, abgerufen am 04.05.2024.