schieben, die durch ihre Grösse und Majestät die Besonnenheit wecken. Den innern Sinn und das Denkvermögen des Kranken können wir nicht direct erregen. Der verkehrte Verstand verarbei- tet den gegebenen Stoff nach den anomalen Denk- gesetzen, die durch die Revolution im Gehirn zu Stande gekommen sind. Zur Anschauung der eignen Persönlichkeit gehört ein leises Gefühl und eine Freiheit der Aufmerksamkeit, die dem Ver- rückten fehlt. Eben so können wir auch die reproduktiven Vorstellungskräfte nicht direct in Thätigkeit setzen, und noch weniger ihre Asso- ciation leiten. Sie springen ab auf den Gegenstand des Wahns, von dem wir sie doch zu entfernen suchen. In dieser Rücksicht muss jedesmal der Phantasie, sobald sie auf eine Ideenreihe abspringt, von der wir nicht wollen, dass sie dieselbe ver- folgen soll, ein Stoss von aussen mitgetheilt wer- den, durch welchen sie gleichsam erschrocken zusammenfährt und darüber den Gegenstand fal- len lässt, über welchen sie hinbrütet.
Die angemerkten Erregungen im Innern werden, mit dem Bewusstseyn eines thätigen Bestrebens in uns, welches wir das Begeh- rungsvermögen nennen, nach aussen reflek- tirt. Auf dies Vermögen, sofern es gleichsam der Refrain unserer innern Bestimmungen ist, können wir daher auch nicht unmittelbar, son- dern bloss durch die Organisation, das Gefühls- und Vorstellungsvermögens wirken. Nun giebt
ſchieben, die durch ihre Gröſse und Majeſtät die Beſonnenheit wecken. Den innern Sinn und das Denkvermögen des Kranken können wir nicht direct erregen. Der verkehrte Verſtand verarbei- tet den gegebenen Stoff nach den anomalen Denk- geſetzen, die durch die Revolution im Gehirn zu Stande gekommen ſind. Zur Anſchauung der eignen Perſönlichkeit gehört ein leiſes Gefühl und eine Freiheit der Aufmerkſamkeit, die dem Ver- rückten fehlt. Eben ſo können wir auch die reproduktiven Vorſtellungskräfte nicht direct in Thätigkeit ſetzen, und noch weniger ihre Aſſo- ciation leiten. Sie ſpringen ab auf den Gegenſtand des Wahns, von dem wir ſie doch zu entfernen ſuchen. In dieſer Rückſicht muſs jedesmal der Phantaſie, ſobald ſie auf eine Ideenreihe abſpringt, von der wir nicht wollen, daſs ſie dieſelbe ver- folgen ſoll, ein Stoſs von auſsen mitgetheilt wer- den, durch welchen ſie gleichſam erſchrocken zuſammenfährt und darüber den Gegenſtand fal- len läſst, über welchen ſie hinbrütet.
Die angemerkten Erregungen im Innern werden, mit dem Bewuſstſeyn eines thätigen Beſtrebens in uns, welches wir das Begeh- rungsvermögen nennen, nach auſsen reflek- tirt. Auf dies Vermögen, ſofern es gleichſam der Refrain unſerer innern Beſtimmungen iſt, können wir daher auch nicht unmittelbar, ſon- dern bloſs durch die Organiſation, das Gefühls- und Vorſtellungsvermögens wirken. Nun giebt
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ſchieben, die durch ihre Gröſse und Majeſtät die
Beſonnenheit wecken. Den innern Sinn und das
Denkvermögen des Kranken können wir nicht
direct erregen. Der verkehrte Verſtand verarbei-
tet den gegebenen Stoff nach den anomalen Denk-
geſetzen, die durch die Revolution im Gehirn zu
Stande gekommen ſind. Zur Anſchauung der
eignen Perſönlichkeit gehört ein leiſes Gefühl und
eine Freiheit der Aufmerkſamkeit, die dem Ver-
rückten fehlt. Eben ſo können wir auch die
reproduktiven Vorſtellungskräfte nicht direct in
Thätigkeit ſetzen, und noch weniger ihre Aſſo-
ciation leiten. Sie ſpringen ab auf den Gegenſtand
des Wahns, von dem wir ſie doch zu entfernen
ſuchen. In dieſer Rückſicht muſs jedesmal der
Phantaſie, ſobald ſie auf eine Ideenreihe abſpringt,
von der wir nicht wollen, daſs ſie dieſelbe ver-
folgen ſoll, ein Stoſs von auſsen mitgetheilt wer-
den, durch welchen ſie gleichſam erſchrocken
zuſammenfährt und darüber den Gegenſtand fal-
len läſst, über welchen ſie hinbrütet.
Die angemerkten Erregungen im Innern
werden, mit dem Bewuſstſeyn eines thätigen
Beſtrebens in uns, welches wir das Begeh-
rungsvermögen nennen, nach auſsen reflek-
tirt. Auf dies Vermögen, ſofern es gleichſam
der Refrain unſerer innern Beſtimmungen iſt,
können wir daher auch nicht unmittelbar, ſon-
dern bloſs durch die Organiſation, das Gefühls-
und Vorſtellungsvermögens wirken. Nun giebt
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Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reil_curmethode_1803/170>, abgerufen am 24.11.2024.
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