Maassstab zu messen. Was ist die Erschütterung der Luft von einem ausgesprochenem Worte an sich, wenn sie nicht wahrgenommen, mit ihr keine Idee, kein Begriff verbunden wird? Wir müssen daher das psychische Mittel, um die Grö- sse seiner Kraft auszumitteln, in dem Moment seines Einwirkens auf die Seele beobachten. Bey diesen Versuchen erhalten wir aber so verschiedne Resultate als die Potenzen verschieden sind, die wir mit einander in Conflict bringen. Nun kön- nen wir zwar das psychische Mittel, wenigstens zum Theil, auf eine bestimmte Qualität und Quantität fixiren; aber von Seiten des Seelen- organs ist dies mit grösserer Schwierigkeit ver- bunden. Denn dasselbe existirt in einem so hohen Grade individualisirt, dass es schwer wird, von demselben eine allgemeine und fixe Norm seiner Receptivität abzusondern, die wir als eine be- stimmte Grösse mit dem psychischen Mittel zu- sammenstellen könnten. In der Arzneimittel- lehre und Akologie helfen wir uns dadurch, dass wir von der individualisirten Empfänglichkeit eine allgemeine Norm abziehn und diese als festen Punkt im Conflict mit den absoluten Kräften des respektiven Mittels aufstellen. Eini- gen, besonders mechanischen Mitteln können wir einen solchen Grad absoluter Kraft beilegen, dass sie jede Resistenz zu überwinden im Stande sind und diese dadurch in der Exposition ihrer Wirkungen gleichgültig wird. Allein die psy-
Maaſsſtab zu meſſen. Was iſt die Erſchütterung der Luft von einem ausgeſprochenem Worte an ſich, wenn ſie nicht wahrgenommen, mit ihr keine Idee, kein Begriff verbunden wird? Wir müſſen daher das pſychiſche Mittel, um die Grö- ſse ſeiner Kraft auszumitteln, in dem Moment ſeines Einwirkens auf die Seele beobachten. Bey dieſen Verſuchen erhalten wir aber ſo verſchiedne Reſultate als die Potenzen verſchieden ſind, die wir mit einander in Conflict bringen. Nun kön- nen wir zwar das pſychiſche Mittel, wenigſtens zum Theil, auf eine beſtimmte Qualität und Quantität fixiren; aber von Seiten des Seelen- organs iſt dies mit gröſserer Schwierigkeit ver- bunden. Denn daſſelbe exiſtirt in einem ſo hohen Grade individualiſirt, daſs es ſchwer wird, von demſelben eine allgemeine und fixe Norm ſeiner Receptivität abzuſondern, die wir als eine be- ſtimmte Gröſse mit dem pſychiſchen Mittel zu- ſammenſtellen könnten. In der Arzneimittel- lehre und Akologie helfen wir uns dadurch, daſs wir von der individualiſirten Empfänglichkeit eine allgemeine Norm abziehn und dieſe als feſten Punkt im Conflict mit den abſoluten Kräften des reſpektiven Mittels aufſtellen. Eini- gen, beſonders mechaniſchen Mitteln können wir einen ſolchen Grad abſoluter Kraft beilegen, daſs ſie jede Reſiſtenz zu überwinden im Stande ſind und dieſe dadurch in der Expoſition ihrer Wirkungen gleichgültig wird. Allein die pſy-
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Maaſsſtab zu meſſen. Was iſt die Erſchütterung
der Luft von einem ausgeſprochenem Worte an
ſich, wenn ſie nicht wahrgenommen, mit ihr
keine Idee, kein Begriff verbunden wird? Wir
müſſen daher das pſychiſche Mittel, um die Grö-
ſse ſeiner Kraft auszumitteln, in dem Moment
ſeines Einwirkens auf die Seele beobachten. Bey
dieſen Verſuchen erhalten wir aber ſo verſchiedne
Reſultate als die Potenzen verſchieden ſind, die
wir mit einander in Conflict bringen. Nun kön-
nen wir zwar das pſychiſche Mittel, wenigſtens
zum Theil, auf eine beſtimmte Qualität und
Quantität fixiren; aber von Seiten des Seelen-
organs iſt dies mit gröſserer Schwierigkeit ver-
bunden. Denn daſſelbe exiſtirt in einem ſo
hohen Grade individualiſirt, daſs es ſchwer wird,
von demſelben eine allgemeine und fixe Norm ſeiner
Receptivität abzuſondern, die wir als eine be-
ſtimmte Gröſse mit dem pſychiſchen Mittel zu-
ſammenſtellen könnten. In der Arzneimittel-
lehre und Akologie helfen wir uns dadurch, daſs
wir von der individualiſirten Empfänglichkeit
eine allgemeine Norm abziehn und dieſe als
feſten Punkt im Conflict mit den abſoluten
Kräften des reſpektiven Mittels aufſtellen. Eini-
gen, beſonders mechaniſchen Mitteln können
wir einen ſolchen Grad abſoluter Kraft beilegen,
daſs ſie jede Reſiſtenz zu überwinden im Stande
ſind und dieſe dadurch in der Expoſition ihrer
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Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reil_curmethode_1803/153>, abgerufen am 22.11.2024.
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