Reichardt, Christian: Land- u. Garten-Schatzes. Bd. 2. Erfurt, 1753.eines Obst-Gartens. "wieder in die Höhe beugte, damit die Spitzen"davon ohngesehr drey Viertel eines Schuhes "hoch über die Erde gingen. Er lies die Bäu- "me, bis in das andere Jahr stehen, und fand, "da er nachsahe, daß die Aeste unter der Erde "wohl gewurzelt hatten. Derowegen nahm er "im April die Wurzeln heraus, daß sie in die "freye Luft kamen, und lies die Aeste mit ihren "Wurzeln unverrückt stehen, nur daß er diejeni- "gen Theile, welche über die Erde gingen, bis "zwey Zol tief in die Erde, abschnit. Und so ver- "traten nunmehro die Aeste die Stelle der Wur- "zeln. Von der Wurzel, die nunmehro aussen "unter feyen Himmel war, schnit er alle kleine "Würzelchen ab, und lies nur die starken stehen. "Nach vierzehen Tagen sahe er hin und wieder "Augen herfür brechen. Sie kamen aber her- "für, wo die Aeste der Wurzel aus dem dicken "Theile derselben heraus gewachsen waren, und "schlugen bald aus, so, daß gegen das Ende des "Mayes schon Zweige von 8 Zol dran zu sehen "waren. Die Dicke der Aeste an der Wurzel, "die er daran gelassen hatte, waren ohngefehr im "Diameter ein Zol dicke. Man siehet hieraus, daß dieses Kunst-Stück schon lange bekant gewesen. Jch halte aber davor, daß solcher Versuch in un- serm Climate mit Orangen-Bäumen weit schwe- rer und künstlicher sey als mit den inländischen. Denn mit den Weiden, Linden, Aepfeln und dergleichen Bäumen, welche ein weiches und poröses Holz haben, kan es gar leicht dahin ge- bracht
eines Obſt-Gartens. „wieder in die Hoͤhe beugte, damit die Spitzen„davon ohngeſehr drey Viertel eines Schuhes „hoch uͤber die Erde gingen. Er lies die Baͤu- „me, bis in das andere Jahr ſtehen, und fand, „da er nachſahe, daß die Aeſte unter der Erde „wohl gewurzelt hatten. Derowegen nahm er „im April die Wurzeln heraus, daß ſie in die „freye Luft kamen, und lies die Aeſte mit ihren „Wurzeln unverruͤckt ſtehen, nur daß er diejeni- „gen Theile, welche uͤber die Erde gingen, bis „zwey Zol tief in die Erde, abſchnit. Und ſo ver- „traten nunmehro die Aeſte die Stelle der Wur- „zeln. Von der Wurzel, die nunmehro auſſen „unter feyen Himmel war, ſchnit er alle kleine „Wuͤrzelchen ab, und lies nur die ſtarken ſtehen. „Nach vierzehen Tagen ſahe er hin und wieder „Augen herfuͤr brechen. Sie kamen aber her- „fuͤr, wo die Aeſte der Wurzel aus dem dicken „Theile derſelben heraus gewachſen waren, und „ſchlugen bald aus, ſo, daß gegen das Ende des „Mayes ſchon Zweige von 8 Zol dran zu ſehen „waren. Die Dicke der Aeſte an der Wurzel, „die er daran gelaſſen hatte, waren ohngefehr im „Diameter ein Zol dicke. Man ſiehet hieraus, daß dieſes Kunſt-Stuͤck ſchon lange bekant geweſen. Jch halte aber davor, daß ſolcher Verſuch in un- ſerm Climate mit Orangen-Baͤumen weit ſchwe- rer und kuͤnſtlicher ſey als mit den inlaͤndiſchen. Denn mit den Weiden, Linden, Aepfeln und dergleichen Baͤumen, welche ein weiches und poroͤſes Holz haben, kan es gar leicht dahin ge- bracht
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eines Obſt-Gartens.
„wieder in die Hoͤhe beugte, damit die Spitzen
„davon ohngeſehr drey Viertel eines Schuhes
„hoch uͤber die Erde gingen. Er lies die Baͤu-
„me, bis in das andere Jahr ſtehen, und fand,
„da er nachſahe, daß die Aeſte unter der Erde
„wohl gewurzelt hatten. Derowegen nahm er
„im April die Wurzeln heraus, daß ſie in die
„freye Luft kamen, und lies die Aeſte mit ihren
„Wurzeln unverruͤckt ſtehen, nur daß er diejeni-
„gen Theile, welche uͤber die Erde gingen, bis
„zwey Zol tief in die Erde, abſchnit. Und ſo ver-
„traten nunmehro die Aeſte die Stelle der Wur-
„zeln. Von der Wurzel, die nunmehro auſſen
„unter feyen Himmel war, ſchnit er alle kleine
„Wuͤrzelchen ab, und lies nur die ſtarken ſtehen.
„Nach vierzehen Tagen ſahe er hin und wieder
„Augen herfuͤr brechen. Sie kamen aber her-
„fuͤr, wo die Aeſte der Wurzel aus dem dicken
„Theile derſelben heraus gewachſen waren, und
„ſchlugen bald aus, ſo, daß gegen das Ende des
„Mayes ſchon Zweige von 8 Zol dran zu ſehen
„waren. Die Dicke der Aeſte an der Wurzel,
„die er daran gelaſſen hatte, waren ohngefehr im
„Diameter ein Zol dicke. Man ſiehet hieraus, daß
dieſes Kunſt-Stuͤck ſchon lange bekant geweſen.
Jch halte aber davor, daß ſolcher Verſuch in un-
ſerm Climate mit Orangen-Baͤumen weit ſchwe-
rer und kuͤnſtlicher ſey als mit den inlaͤndiſchen.
Denn mit den Weiden, Linden, Aepfeln und
dergleichen Baͤumen, welche ein weiches und
poroͤſes Holz haben, kan es gar leicht dahin ge-
bracht
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