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Reichardt, Christian: Land- u. Garten-Schatzes. Bd. 2. Erfurt, 1753.

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6. Cap. Vom Oculiren.
der Saft schon eingetreten ist. Denn so man
eine solche Ablösung der Rinde drey bis vier Wo-
chen eher vornehmen wil, so wird sich gewiß fin-
den, daß sich die Schale nicht reinlich von dem
Holze absondert, welches mir alle diejenigen, wel-
che im Oculiren geschickt sind, zugeben werden,
indem diese Arbeit nicht eher kan vorgenommen
werden, bis sich die Schale von den Stamme
oder Holze fein leichte und sauber ablöset.

Hier könte mir diese Einwendung gemachet
werden: wenn der Saft zu Ende des Julius
wieder eintreten solte, so folgte, daß in den Bäu-
men vorhero kein Saft mehr sey, welches doch
ungeräumt wäre, indem ja ohne Saft keine Blät-
ter, Blüten und Früchte an einem Baume seyn
könten. Hierauf dienet mit wenigen: es ist und
bleibet das ganze Jahr, auch den Winter über,
Saft in den Bäumen, welcher dieselben in ih-
rem Wachsthum erhält: aber er findet sich nicht
zu allen Jahres Zeiten in gleicher Vielheit.
Denn es ist gar leicht zu schliessen, da der erste
Saft denen Blättern, Blüthen, Früchten und
Reisern nach und nach zum Wachsthum mitge-
theilet worden, daß derselbe in dem Schafte des
Baumes in etwas müsse abnehmen, und sich zwi-
schen der Schale desselben im Julius nicht so
häufig befinden könne, als im Frühjahre. Jn-
zwischen gehet die Bewegung und der Umlauf des
Saftes beständig fort, bis sich zu Ende des Ju-
lius, wie gedacht, der neue und stärkere Zufluß
desselben einstellet. Da nun gewiß ist, daß der

Ein-

6. Cap. Vom Oculiren.
der Saft ſchon eingetreten iſt. Denn ſo man
eine ſolche Abloͤſung der Rinde drey bis vier Wo-
chen eher vornehmen wil, ſo wird ſich gewiß fin-
den, daß ſich die Schale nicht reinlich von dem
Holze abſondert, welches mir alle diejenigen, wel-
che im Oculiren geſchickt ſind, zugeben werden,
indem dieſe Arbeit nicht eher kan vorgenommen
werden, bis ſich die Schale von den Stamme
oder Holze fein leichte und ſauber abloͤſet.

Hier koͤnte mir dieſe Einwendung gemachet
werden: wenn der Saft zu Ende des Julius
wieder eintreten ſolte, ſo folgte, daß in den Baͤu-
men vorhero kein Saft mehr ſey, welches doch
ungeraͤumt waͤre, indem ja ohne Saft keine Blaͤt-
ter, Bluͤten und Fruͤchte an einem Baume ſeyn
koͤnten. Hierauf dienet mit wenigen: es iſt und
bleibet das ganze Jahr, auch den Winter uͤber,
Saft in den Baͤumen, welcher dieſelben in ih-
rem Wachsthum erhaͤlt: aber er findet ſich nicht
zu allen Jahres Zeiten in gleicher Vielheit.
Denn es iſt gar leicht zu ſchlieſſen, da der erſte
Saft denen Blaͤttern, Bluͤthen, Fruͤchten und
Reiſern nach und nach zum Wachsthum mitge-
theilet worden, daß derſelbe in dem Schafte des
Baumes in etwas muͤſſe abnehmen, und ſich zwi-
ſchen der Schale deſſelben im Julius nicht ſo
haͤufig befinden koͤnne, als im Fruͤhjahre. Jn-
zwiſchen gehet die Bewegung und der Umlauf des
Saftes beſtaͤndig fort, bis ſich zu Ende des Ju-
lius, wie gedacht, der neue und ſtaͤrkere Zufluß
deſſelben einſtellet. Da nun gewiß iſt, daß der

Ein-
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[86/0118] 6. Cap. Vom Oculiren. der Saft ſchon eingetreten iſt. Denn ſo man eine ſolche Abloͤſung der Rinde drey bis vier Wo- chen eher vornehmen wil, ſo wird ſich gewiß fin- den, daß ſich die Schale nicht reinlich von dem Holze abſondert, welches mir alle diejenigen, wel- che im Oculiren geſchickt ſind, zugeben werden, indem dieſe Arbeit nicht eher kan vorgenommen werden, bis ſich die Schale von den Stamme oder Holze fein leichte und ſauber abloͤſet. Hier koͤnte mir dieſe Einwendung gemachet werden: wenn der Saft zu Ende des Julius wieder eintreten ſolte, ſo folgte, daß in den Baͤu- men vorhero kein Saft mehr ſey, welches doch ungeraͤumt waͤre, indem ja ohne Saft keine Blaͤt- ter, Bluͤten und Fruͤchte an einem Baume ſeyn koͤnten. Hierauf dienet mit wenigen: es iſt und bleibet das ganze Jahr, auch den Winter uͤber, Saft in den Baͤumen, welcher dieſelben in ih- rem Wachsthum erhaͤlt: aber er findet ſich nicht zu allen Jahres Zeiten in gleicher Vielheit. Denn es iſt gar leicht zu ſchlieſſen, da der erſte Saft denen Blaͤttern, Bluͤthen, Fruͤchten und Reiſern nach und nach zum Wachsthum mitge- theilet worden, daß derſelbe in dem Schafte des Baumes in etwas muͤſſe abnehmen, und ſich zwi- ſchen der Schale deſſelben im Julius nicht ſo haͤufig befinden koͤnne, als im Fruͤhjahre. Jn- zwiſchen gehet die Bewegung und der Umlauf des Saftes beſtaͤndig fort, bis ſich zu Ende des Ju- lius, wie gedacht, der neue und ſtaͤrkere Zufluß deſſelben einſtellet. Da nun gewiß iſt, daß der Ein-

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Zitationshilfe: Reichardt, Christian: Land- u. Garten-Schatzes. Bd. 2. Erfurt, 1753, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reichart_landschatz02_1753/118>, abgerufen am 28.04.2024.