Der erste Eintrit des Saftes in die Bäu- me geschiehet nach der Alten Meinung, welche sie in diesen Versen ausdruckten:
Wenn komt das Fest Sebastian, So lauft der Saft den Baum hinan.
Um das Ende des Januars, oder vielmehr nach genauerer und besserer Untersuchung, in der Mit- te des Februars.
Der andere Eintrit aber erfolgte zu Ende des Julius; doch geschiehet es beydemal theils eher, theils später, nachdem die Witterung be- schaffen ist. Und daher komt es auch grösten Theils, daß ein Baum in einem Jahre lange, in einem andern aber kurze Reiser aufsetzet. Das äusserliche Kenzeichen aber, daß der Saft zum andernmal eintrete, ist, wenn die Reiser im Au- gust-Monat wiederum auf das neue beginnen auszuschlagen, welches ganz deutlich an den Ae- pfel, Pfirsig- und Birn-Reisern kan wahrgenom- men werden, welche bey dem andern Triebe et- was fahl aussehen. Noch deutlicher aber ist sol- ches daran zu erkennen, daß die Bäume, wenn sie in manchen Jahren von den Raupen völlig abgefressen worden, zu Ende des Julius wieder von neuen anfangen zu treiben, und auch noch um diese Zeit, wiewohl nicht so häufig, ihre Trage- Knospen ansetzen. Jngleichen kan man es auch daran erkennen, wenn man einen Zweig nimt, und die Schale aufritzet. Wenn sich dieselbe gern oder leichte von dem Holze ablösen und ab- sondern lässet, so ist dieses gewiß ein Zeichen, daß
der
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6. Cap. Vom Oculiren.
Der erſte Eintrit des Saftes in die Baͤu- me geſchiehet nach der Alten Meinung, welche ſie in dieſen Verſen ausdruckten:
Wenn komt das Feſt Sebaſtian, So lauft der Saft den Baum hinan.
Um das Ende des Januars, oder vielmehr nach genauerer und beſſerer Unterſuchung, in der Mit- te des Februars.
Der andere Eintrit aber erfolgte zu Ende des Julius; doch geſchiehet es beydemal theils eher, theils ſpaͤter, nachdem die Witterung be- ſchaffen iſt. Und daher komt es auch groͤſten Theils, daß ein Baum in einem Jahre lange, in einem andern aber kurze Reiſer aufſetzet. Das aͤuſſerliche Kenzeichen aber, daß der Saft zum andernmal eintrete, iſt, wenn die Reiſer im Au- guſt-Monat wiederum auf das neue beginnen auszuſchlagen, welches ganz deutlich an den Ae- pfel, Pfirſig- und Birn-Reiſern kan wahrgenom- men werden, welche bey dem andern Triebe et- was fahl ausſehen. Noch deutlicher aber iſt ſol- ches daran zu erkennen, daß die Baͤume, wenn ſie in manchen Jahren von den Raupen voͤllig abgefreſſen worden, zu Ende des Julius wieder von neuen anfangen zu treiben, und auch noch um dieſe Zeit, wiewohl nicht ſo haͤufig, ihre Trage- Knoſpen anſetzen. Jngleichen kan man es auch daran erkennen, wenn man einen Zweig nimt, und die Schale aufritzet. Wenn ſich dieſelbe gern oder leichte von dem Holze abloͤſen und ab- ſondern laͤſſet, ſo iſt dieſes gewiß ein Zeichen, daß
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6. Cap. Vom Oculiren.
Der erſte Eintrit des Saftes in die Baͤu-
me geſchiehet nach der Alten Meinung, welche ſie
in dieſen Verſen ausdruckten:
Wenn komt das Feſt Sebaſtian,
So lauft der Saft den Baum hinan.
Um das Ende des Januars, oder vielmehr nach
genauerer und beſſerer Unterſuchung, in der Mit-
te des Februars.
Der andere Eintrit aber erfolgte zu Ende
des Julius; doch geſchiehet es beydemal theils
eher, theils ſpaͤter, nachdem die Witterung be-
ſchaffen iſt. Und daher komt es auch groͤſten
Theils, daß ein Baum in einem Jahre lange, in
einem andern aber kurze Reiſer aufſetzet. Das
aͤuſſerliche Kenzeichen aber, daß der Saft zum
andernmal eintrete, iſt, wenn die Reiſer im Au-
guſt-Monat wiederum auf das neue beginnen
auszuſchlagen, welches ganz deutlich an den Ae-
pfel, Pfirſig- und Birn-Reiſern kan wahrgenom-
men werden, welche bey dem andern Triebe et-
was fahl ausſehen. Noch deutlicher aber iſt ſol-
ches daran zu erkennen, daß die Baͤume, wenn
ſie in manchen Jahren von den Raupen voͤllig
abgefreſſen worden, zu Ende des Julius wieder
von neuen anfangen zu treiben, und auch noch
um dieſe Zeit, wiewohl nicht ſo haͤufig, ihre Trage-
Knoſpen anſetzen. Jngleichen kan man es auch
daran erkennen, wenn man einen Zweig nimt,
und die Schale aufritzet. Wenn ſich dieſelbe
gern oder leichte von dem Holze abloͤſen und ab-
ſondern laͤſſet, ſo iſt dieſes gewiß ein Zeichen, daß
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Reichardt, Christian: Land- u. Garten-Schatzes. Bd. 2. Erfurt, 1753, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reichart_landschatz02_1753/117>, abgerufen am 25.07.2024.
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