Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Reich, Moses Josef: Mammon im Gebirge. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–45. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

Taufschein unter die Nase. -- Ich glaube dem Gesicht mehr als dem Gekritzel! rief Trude, seine Absicht errathend. Sommer legte die Schrift ruhig zusammen und in die Lade zurück, setzte sich wieder und begann zum zweitenmal: Ich bin reich, Trude, sehr reich! Haus und Hof und Feld und Vieh und Wald ist das Geringste -- ich habe einen reichen Schatz an baarem Gelde da drinnen in meiner Kammer -- der ist mehr werth als Alles -- die Schulzin ist todt -- sie hat mir mein Leben verwüstet, ich habe eine traurige, sehr traurige Zeit mit ihr verbracht -- Gott der Herr selbst hat dich an meine Schwelle geschickt, daß wir einander helfen sollen -- ich habe seinen Ruf in meinem Herzen gehört; er rief: nimm dieses Kind, es wird dir zur Freude erwachsen! -- Du bist nun groß und schön worden, und die Schulzin ist todt -- verstehst du, was ich meine?

Trude schlug ihr Auge auf und sah ihn an, er weinte -- sie ward gerührt -- ein flüchtiges Gefühl für den Mann, dem sie alles zu danken hatte, trat in ihr Auge, er ergriff ihre Hand und sagte unter Thränen: Trude, ich bitte dich, um aller Welt willen, sag mir ein gutes Wörtchen. -- Nun ja, ich -- hab' Euch ja lieb! sagte Trude. -- Hast du? rief Sommer entzückt und sprang in die Höhe vor Freude, hast du? O du mein Engel, du Goldene, hast du? Er kicherte unheimlich, Trude erschrak vor ihrer Aeußerung und setzte abkühlend hinzu: Wenn Ihr nur nicht so geizig wäret! -- Geizig? war ich's gegen dich? sagte Sommer ernst -- 's ist

Taufschein unter die Nase. — Ich glaube dem Gesicht mehr als dem Gekritzel! rief Trude, seine Absicht errathend. Sommer legte die Schrift ruhig zusammen und in die Lade zurück, setzte sich wieder und begann zum zweitenmal: Ich bin reich, Trude, sehr reich! Haus und Hof und Feld und Vieh und Wald ist das Geringste — ich habe einen reichen Schatz an baarem Gelde da drinnen in meiner Kammer — der ist mehr werth als Alles — die Schulzin ist todt — sie hat mir mein Leben verwüstet, ich habe eine traurige, sehr traurige Zeit mit ihr verbracht — Gott der Herr selbst hat dich an meine Schwelle geschickt, daß wir einander helfen sollen — ich habe seinen Ruf in meinem Herzen gehört; er rief: nimm dieses Kind, es wird dir zur Freude erwachsen! — Du bist nun groß und schön worden, und die Schulzin ist todt — verstehst du, was ich meine?

Trude schlug ihr Auge auf und sah ihn an, er weinte — sie ward gerührt — ein flüchtiges Gefühl für den Mann, dem sie alles zu danken hatte, trat in ihr Auge, er ergriff ihre Hand und sagte unter Thränen: Trude, ich bitte dich, um aller Welt willen, sag mir ein gutes Wörtchen. — Nun ja, ich — hab' Euch ja lieb! sagte Trude. — Hast du? rief Sommer entzückt und sprang in die Höhe vor Freude, hast du? O du mein Engel, du Goldene, hast du? Er kicherte unheimlich, Trude erschrak vor ihrer Aeußerung und setzte abkühlend hinzu: Wenn Ihr nur nicht so geizig wäret! — Geizig? war ich's gegen dich? sagte Sommer ernst — 's ist

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="0">
        <p><pb facs="#f0024"/>
Taufschein unter die Nase. &#x2014; Ich glaube dem Gesicht mehr als dem      Gekritzel! rief Trude, seine Absicht errathend. Sommer legte die Schrift ruhig zusammen und in      die Lade zurück, setzte sich wieder und begann zum zweitenmal: Ich bin reich, Trude, sehr      reich! Haus und Hof und Feld und Vieh und Wald ist das Geringste &#x2014; ich habe einen reichen      Schatz an baarem Gelde da drinnen in meiner Kammer &#x2014; der ist mehr werth als Alles &#x2014; die      Schulzin ist todt &#x2014; sie hat mir mein Leben verwüstet, ich habe eine traurige, sehr traurige      Zeit mit ihr verbracht &#x2014; Gott der Herr selbst hat dich an meine Schwelle geschickt, daß wir      einander helfen sollen &#x2014; ich habe seinen Ruf in meinem Herzen gehört; er rief: nimm dieses      Kind, es wird dir zur Freude erwachsen! &#x2014; Du bist nun groß und schön worden, und die Schulzin      ist todt &#x2014; verstehst du, was ich meine?</p><lb/>
        <p>Trude schlug ihr Auge auf und sah ihn an, er weinte &#x2014; sie ward gerührt &#x2014; ein flüchtiges      Gefühl für den Mann, dem sie alles zu danken hatte, trat in ihr Auge, er ergriff ihre Hand und      sagte unter Thränen: Trude, ich bitte dich, um aller Welt willen, sag mir ein gutes Wörtchen. &#x2014;      Nun ja, ich &#x2014; hab' Euch ja lieb! sagte Trude. &#x2014; Hast du? rief Sommer entzückt und sprang in die      Höhe vor Freude, hast du? O du mein Engel, du Goldene, hast du? Er kicherte unheimlich, Trude      erschrak vor ihrer Aeußerung und setzte abkühlend hinzu: Wenn Ihr nur nicht so geizig wäret! &#x2014;      Geizig? war ich's gegen dich? sagte Sommer ernst &#x2014; 's ist<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0024] Taufschein unter die Nase. — Ich glaube dem Gesicht mehr als dem Gekritzel! rief Trude, seine Absicht errathend. Sommer legte die Schrift ruhig zusammen und in die Lade zurück, setzte sich wieder und begann zum zweitenmal: Ich bin reich, Trude, sehr reich! Haus und Hof und Feld und Vieh und Wald ist das Geringste — ich habe einen reichen Schatz an baarem Gelde da drinnen in meiner Kammer — der ist mehr werth als Alles — die Schulzin ist todt — sie hat mir mein Leben verwüstet, ich habe eine traurige, sehr traurige Zeit mit ihr verbracht — Gott der Herr selbst hat dich an meine Schwelle geschickt, daß wir einander helfen sollen — ich habe seinen Ruf in meinem Herzen gehört; er rief: nimm dieses Kind, es wird dir zur Freude erwachsen! — Du bist nun groß und schön worden, und die Schulzin ist todt — verstehst du, was ich meine? Trude schlug ihr Auge auf und sah ihn an, er weinte — sie ward gerührt — ein flüchtiges Gefühl für den Mann, dem sie alles zu danken hatte, trat in ihr Auge, er ergriff ihre Hand und sagte unter Thränen: Trude, ich bitte dich, um aller Welt willen, sag mir ein gutes Wörtchen. — Nun ja, ich — hab' Euch ja lieb! sagte Trude. — Hast du? rief Sommer entzückt und sprang in die Höhe vor Freude, hast du? O du mein Engel, du Goldene, hast du? Er kicherte unheimlich, Trude erschrak vor ihrer Aeußerung und setzte abkühlend hinzu: Wenn Ihr nur nicht so geizig wäret! — Geizig? war ich's gegen dich? sagte Sommer ernst — 's ist

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T10:03:58Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T10:03:58Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: nein; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/reich_mammon_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/reich_mammon_1910/24
Zitationshilfe: Reich, Moses Josef: Mammon im Gebirge. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–45. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reich_mammon_1910/24>, abgerufen am 22.11.2024.