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Reeves, William Pember: Das politische Wahlrecht der Frauen in Australien. Übers. v. Romulus Grazer [i. e. Romulus Katscher]. Leipzig, 1904 (= Sozialer Fortschritt, Bd. 15/16).

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und Missernten gehemmt. Immerhin wurden in letzterer Zeit Industrie- und
Gewerbegesetze der fortschrittlichsten Art in Südaustralien angenommen.
Wenn die Frauen wenig dazu beigetragen haben, auf diesen Gebieten den
Fortschritt zu beschleunigen, so haben sie auch nichts getan, ihn zu ver-
hindern. Sowohl in Süd- als auch in Westaustralien teilten sie mit den
Männern die Begeisterung für die Föderation. Die Annahme eines Gesetzes
zur Erleichterung der Ehescheidung im Jahre 1898 ist den Frauen zuge-
schrieben worden - aber das gleiche Gesetz, die Stephenschen Akte von Neu-
südwales, war schon Jahre hindurch in den beiden bedeutendsten australischen
Bundesstaaten in Kraft, in welchen die Frauen kein Wahlrecht besassen. Es
ist immerhin möglich, dass einige Stimmen zugunsten der Reform im Neu-
seeländer Parlamente dem unter den männlichen Politikern verbreiteten Glauben
zuzuschreiben waren, dass "die Frauen sie gern sehen" würden. Die Alters-
versorgung ist eine soziale Frage, von welcher bisweilen behauptet wird, dass
die Abstimmung der Frauen auch sie in den Vordergrund gestellt habe. Aber
in Australien gehören die beiden Bundesstaaten, welche diesen Versuch ge-
wagt haben, nicht zu jenen, die das Wahlrecht ausdehnten. Es ist bedeut-
sam, dass in Neuseeland die Frauen sich noch nicht um Parlamentssitze be-
werben können und dass sie dies in Südaustralien, wo sie es dürfen, nicht tun.

In der Hauptsache sind mithin die guten Erfolge der grossen Reform
eher negative als positive gewesen. Sie haben fast sämtliche Prophezeihungen
von Übelständen widerlegt, welche vor dem Versuche vom Stapel gelassen
wurden. Aber mit Ausnahme des Beweises, dass die Frauen in drei freien,
kräftigen und gebildeten britischen Gemeinwesen - welche zusammen an
1400000 Seelen zählen - plötzlich auf einmal das Wahlrecht ohne den ge-
ringsten Schaden für sich oder für andere erhalten können, hat die theoretische
Umwälzung nicht Vieles bewiesen. Nach der Wahl von 1893 wurde Sir
John Hall - in dieser Frage wohl der berühmteste Politiker - befragt, was
für Erfolge in Neuseeland das Wahlrecht für die Kräftigung der Parteien
gehabt. Seine Antwort lautete: "Ich glaube, gar keine". Und dies ist heute
ebenso wahr, wie es 1894 gewesen. Wir können ferner darauf verweisen,
dass die Tonart des öffentlichen Lebens bisher kaum beeinflusst worden ist.
Wir finden vielleicht weniger Rohheit und mehr Gewandtheit in der nied-
rigeren Gattung der öffentlichen Reden; aber die natürliche und berechtigte
Erwartung, dass unerwünschte Männer grössere Schwierigkeiten finden würden,
die Öffentlichkeit zu betreten als bis dahin, ist in keinem der Bundesstaaten
in Erfüllung gegangen. Bis auf 2 oder 3 % waren alle Parlamentsmitglieder
immer zumindest ehrenwerte Männer gewesen. Bis auf denselben geringen
Prozentsatz sind sie es auch heute. In dieser Beziehung ist keine Änderung
eingetreten.

Hiervon abgesehen, wäre es unvernünftig gewesen, zu erwarten, dass
die Frauen binnen wenigen Jahren beginnen würden, irgendwelchen grösseren,
ausgebreiteteren Einfluss auf die Politik auszuüben. Denn schliesslich bildet
die Politik eine vielseitige, schwierige Wissenschaft, welche nur schwer be-
herrschbar ist. Das Gewerbe der Politiker muss, wie jedes andere, erlernt
werden und dieser Prozess ist ein langsamer und mühsamer. In den Kolonien
wussten die wahlberechtigten Frauen anfangs von den öffentlichen Angelegen-
heiten nicht viel mehr als die Kinder. Sie beginnen langsam sie kennen zu

und Missernten gehemmt. Immerhin wurden in letzterer Zeit Industrie- und
Gewerbegesetze der fortschrittlichsten Art in Südaustralien angenommen.
Wenn die Frauen wenig dazu beigetragen haben, auf diesen Gebieten den
Fortschritt zu beschleunigen, so haben sie auch nichts getan, ihn zu ver-
hindern. Sowohl in Süd- als auch in Westaustralien teilten sie mit den
Männern die Begeisterung für die Föderation. Die Annahme eines Gesetzes
zur Erleichterung der Ehescheidung im Jahre 1898 ist den Frauen zuge-
schrieben worden – aber das gleiche Gesetz, die Stephenschen Akte von Neu-
südwales, war schon Jahre hindurch in den beiden bedeutendsten australischen
Bundesstaaten in Kraft, in welchen die Frauen kein Wahlrecht besassen. Es
ist immerhin möglich, dass einige Stimmen zugunsten der Reform im Neu-
seeländer Parlamente dem unter den männlichen Politikern verbreiteten Glauben
zuzuschreiben waren, dass „die Frauen sie gern sehen“ würden. Die Alters-
versorgung ist eine soziale Frage, von welcher bisweilen behauptet wird, dass
die Abstimmung der Frauen auch sie in den Vordergrund gestellt habe. Aber
in Australien gehören die beiden Bundesstaaten, welche diesen Versuch ge-
wagt haben, nicht zu jenen, die das Wahlrecht ausdehnten. Es ist bedeut-
sam, dass in Neuseeland die Frauen sich noch nicht um Parlamentssitze be-
werben können und dass sie dies in Südaustralien, wo sie es dürfen, nicht tun.

In der Hauptsache sind mithin die guten Erfolge der grossen Reform
eher negative als positive gewesen. Sie haben fast sämtliche Prophezeihungen
von Übelständen widerlegt, welche vor dem Versuche vom Stapel gelassen
wurden. Aber mit Ausnahme des Beweises, dass die Frauen in drei freien,
kräftigen und gebildeten britischen Gemeinwesen – welche zusammen an
1400000 Seelen zählen – plötzlich auf einmal das Wahlrecht ohne den ge-
ringsten Schaden für sich oder für andere erhalten können, hat die theoretische
Umwälzung nicht Vieles bewiesen. Nach der Wahl von 1893 wurde Sir
John Hall – in dieser Frage wohl der berühmteste Politiker – befragt, was
für Erfolge in Neuseeland das Wahlrecht für die Kräftigung der Parteien
gehabt. Seine Antwort lautete: „Ich glaube, gar keine“. Und dies ist heute
ebenso wahr, wie es 1894 gewesen. Wir können ferner darauf verweisen,
dass die Tonart des öffentlichen Lebens bisher kaum beeinflusst worden ist.
Wir finden vielleicht weniger Rohheit und mehr Gewandtheit in der nied-
rigeren Gattung der öffentlichen Reden; aber die natürliche und berechtigte
Erwartung, dass unerwünschte Männer grössere Schwierigkeiten finden würden,
die Öffentlichkeit zu betreten als bis dahin, ist in keinem der Bundesstaaten
in Erfüllung gegangen. Bis auf 2 oder 3 % waren alle Parlamentsmitglieder
immer zumindest ehrenwerte Männer gewesen. Bis auf denselben geringen
Prozentsatz sind sie es auch heute. In dieser Beziehung ist keine Änderung
eingetreten.

Hiervon abgesehen, wäre es unvernünftig gewesen, zu erwarten, dass
die Frauen binnen wenigen Jahren beginnen würden, irgendwelchen grösseren,
ausgebreiteteren Einfluss auf die Politik auszuüben. Denn schliesslich bildet
die Politik eine vielseitige, schwierige Wissenschaft, welche nur schwer be-
herrschbar ist. Das Gewerbe der Politiker muss, wie jedes andere, erlernt
werden und dieser Prozess ist ein langsamer und mühsamer. In den Kolonien
wussten die wahlberechtigten Frauen anfangs von den öffentlichen Angelegen-
heiten nicht viel mehr als die Kinder. Sie beginnen langsam sie kennen zu

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[26/0028] und Missernten gehemmt. Immerhin wurden in letzterer Zeit Industrie- und Gewerbegesetze der fortschrittlichsten Art in Südaustralien angenommen. Wenn die Frauen wenig dazu beigetragen haben, auf diesen Gebieten den Fortschritt zu beschleunigen, so haben sie auch nichts getan, ihn zu ver- hindern. Sowohl in Süd- als auch in Westaustralien teilten sie mit den Männern die Begeisterung für die Föderation. Die Annahme eines Gesetzes zur Erleichterung der Ehescheidung im Jahre 1898 ist den Frauen zuge- schrieben worden – aber das gleiche Gesetz, die Stephenschen Akte von Neu- südwales, war schon Jahre hindurch in den beiden bedeutendsten australischen Bundesstaaten in Kraft, in welchen die Frauen kein Wahlrecht besassen. Es ist immerhin möglich, dass einige Stimmen zugunsten der Reform im Neu- seeländer Parlamente dem unter den männlichen Politikern verbreiteten Glauben zuzuschreiben waren, dass „die Frauen sie gern sehen“ würden. Die Alters- versorgung ist eine soziale Frage, von welcher bisweilen behauptet wird, dass die Abstimmung der Frauen auch sie in den Vordergrund gestellt habe. Aber in Australien gehören die beiden Bundesstaaten, welche diesen Versuch ge- wagt haben, nicht zu jenen, die das Wahlrecht ausdehnten. Es ist bedeut- sam, dass in Neuseeland die Frauen sich noch nicht um Parlamentssitze be- werben können und dass sie dies in Südaustralien, wo sie es dürfen, nicht tun. In der Hauptsache sind mithin die guten Erfolge der grossen Reform eher negative als positive gewesen. Sie haben fast sämtliche Prophezeihungen von Übelständen widerlegt, welche vor dem Versuche vom Stapel gelassen wurden. Aber mit Ausnahme des Beweises, dass die Frauen in drei freien, kräftigen und gebildeten britischen Gemeinwesen – welche zusammen an 1400000 Seelen zählen – plötzlich auf einmal das Wahlrecht ohne den ge- ringsten Schaden für sich oder für andere erhalten können, hat die theoretische Umwälzung nicht Vieles bewiesen. Nach der Wahl von 1893 wurde Sir John Hall – in dieser Frage wohl der berühmteste Politiker – befragt, was für Erfolge in Neuseeland das Wahlrecht für die Kräftigung der Parteien gehabt. Seine Antwort lautete: „Ich glaube, gar keine“. Und dies ist heute ebenso wahr, wie es 1894 gewesen. Wir können ferner darauf verweisen, dass die Tonart des öffentlichen Lebens bisher kaum beeinflusst worden ist. Wir finden vielleicht weniger Rohheit und mehr Gewandtheit in der nied- rigeren Gattung der öffentlichen Reden; aber die natürliche und berechtigte Erwartung, dass unerwünschte Männer grössere Schwierigkeiten finden würden, die Öffentlichkeit zu betreten als bis dahin, ist in keinem der Bundesstaaten in Erfüllung gegangen. Bis auf 2 oder 3 % waren alle Parlamentsmitglieder immer zumindest ehrenwerte Männer gewesen. Bis auf denselben geringen Prozentsatz sind sie es auch heute. In dieser Beziehung ist keine Änderung eingetreten. Hiervon abgesehen, wäre es unvernünftig gewesen, zu erwarten, dass die Frauen binnen wenigen Jahren beginnen würden, irgendwelchen grösseren, ausgebreiteteren Einfluss auf die Politik auszuüben. Denn schliesslich bildet die Politik eine vielseitige, schwierige Wissenschaft, welche nur schwer be- herrschbar ist. Das Gewerbe der Politiker muss, wie jedes andere, erlernt werden und dieser Prozess ist ein langsamer und mühsamer. In den Kolonien wussten die wahlberechtigten Frauen anfangs von den öffentlichen Angelegen- heiten nicht viel mehr als die Kinder. Sie beginnen langsam sie kennen zu

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2018-12-06T12:34:34Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2018-12-06T12:34:34Z)

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Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: gekennzeichnet; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: keine Angabe; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): keine Angabe; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Reeves, William Pember: Das politische Wahlrecht der Frauen in Australien. Übers. v. Romulus Grazer [i. e. Romulus Katscher]. Leipzig, 1904 (= Sozialer Fortschritt, Bd. 15/16), S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reeves_wahlrecht_1904/28>, abgerufen am 24.11.2024.