Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

Widerstand in Norddeutschland.
Albrecht schrieb dem Kaiser, er sey nicht abgeneigt sie zu
entlassen: er wisse nur keine andern zu bekommen. 1

Im Calenbergischen, zu Pattenhausen, hielt die Geist-
lichkeit förmlich eine Synode, in der sie eine Erklärung ge-
gen das Interim, die ihr Superintendent Corvinus verfaßt
hatte, unterzeichnete.

Fand doch selbst Churfürst Joachim von Brandenburg,
der seiner Geistlichen eher sicher zu seyn glaubte, da eins
ihrer Oberhäupter an der Abfassung des Interims Antheil
genommen hatte, als er sie nach Berlin zusammenrief, den
größten Widerspruch. Sie erklärten, sie würden die ewige
Verdammniß fürchten, wenn sie von der erkannten Wahrheit
abweichen wollten: der Kaiser sey mächtig: aber Gott noch
viel mächtiger. 2

Auch in Sachsen, in dem Lande des Churf. Moritz
sowohl, wie in den Landstrichen welche den Söhnen Johann
Friedrichs verblieben, war man in derselben Stimmung. Auf
einer Versammlung die Moritz kurz nach seiner Rückkehr vom
Reichstage nach Meißen berief, zeigten sich die Theologen
besonders über die Vorrede der kaiserlichen Formel, die ihnen
hier erst bekannt ward, betroffen, da darin die Doctrin von
der sie abgewichen, als ächt katholisch bezeichnet ward: sie
erklärten daß sie nur die Neuerungen abgeschafft, und zu
den ursprünglichen Lehren der wahren katholischen Kirche zu-
rückgekehrt seyen: 3 das Verfahren des Kaisers, so mild es

1 Lang II, 209. 212. Bucholtz VI, 329.
2 Leuthinger Commentarii 219. 228.
3 Grave et hoc est quod nobis tribuitur, fuisse et esse
nos autores schismatum et novitatis, cum partis adversae recens
excogitatis et in ecclesiam inveclis doctrinae corruptelis et ab-

Widerſtand in Norddeutſchland.
Albrecht ſchrieb dem Kaiſer, er ſey nicht abgeneigt ſie zu
entlaſſen: er wiſſe nur keine andern zu bekommen. 1

Im Calenbergiſchen, zu Pattenhauſen, hielt die Geiſt-
lichkeit förmlich eine Synode, in der ſie eine Erklärung ge-
gen das Interim, die ihr Superintendent Corvinus verfaßt
hatte, unterzeichnete.

Fand doch ſelbſt Churfürſt Joachim von Brandenburg,
der ſeiner Geiſtlichen eher ſicher zu ſeyn glaubte, da eins
ihrer Oberhäupter an der Abfaſſung des Interims Antheil
genommen hatte, als er ſie nach Berlin zuſammenrief, den
größten Widerſpruch. Sie erklärten, ſie würden die ewige
Verdammniß fürchten, wenn ſie von der erkannten Wahrheit
abweichen wollten: der Kaiſer ſey mächtig: aber Gott noch
viel mächtiger. 2

Auch in Sachſen, in dem Lande des Churf. Moritz
ſowohl, wie in den Landſtrichen welche den Söhnen Johann
Friedrichs verblieben, war man in derſelben Stimmung. Auf
einer Verſammlung die Moritz kurz nach ſeiner Rückkehr vom
Reichstage nach Meißen berief, zeigten ſich die Theologen
beſonders über die Vorrede der kaiſerlichen Formel, die ihnen
hier erſt bekannt ward, betroffen, da darin die Doctrin von
der ſie abgewichen, als ächt katholiſch bezeichnet ward: ſie
erklärten daß ſie nur die Neuerungen abgeſchafft, und zu
den urſprünglichen Lehren der wahren katholiſchen Kirche zu-
rückgekehrt ſeyen: 3 das Verfahren des Kaiſers, ſo mild es

1 Lang II, 209. 212. Bucholtz VI, 329.
2 Leuthinger Commentarii 219. 228.
3 Grave et hoc est quod nobis tribuitur, fuisse et esse
nos autores schismatum et novitatis, cum partis adversae recens
excogitatis et in ecclesiam inveclis doctrinae corruptelis et ab-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0081" n="69"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Wider&#x017F;tand in Norddeut&#x017F;chland</hi>.</fw><lb/>
Albrecht &#x017F;chrieb dem Kai&#x017F;er, er &#x017F;ey nicht abgeneigt &#x017F;ie zu<lb/>
entla&#x017F;&#x017F;en: er wi&#x017F;&#x017F;e nur keine andern zu bekommen. <note place="foot" n="1">Lang <hi rendition="#aq">II,</hi> 209. 212. Bucholtz <hi rendition="#aq">VI,</hi> 329.</note></p><lb/>
          <p>Im Calenbergi&#x017F;chen, zu Pattenhau&#x017F;en, hielt die Gei&#x017F;t-<lb/>
lichkeit förmlich eine Synode, in der &#x017F;ie eine Erklärung ge-<lb/>
gen das Interim, die ihr Superintendent Corvinus verfaßt<lb/>
hatte, unterzeichnete.</p><lb/>
          <p>Fand doch &#x017F;elb&#x017F;t Churfür&#x017F;t Joachim von Brandenburg,<lb/>
der &#x017F;einer Gei&#x017F;tlichen eher &#x017F;icher zu &#x017F;eyn glaubte, da eins<lb/>
ihrer Oberhäupter an der Abfa&#x017F;&#x017F;ung des Interims Antheil<lb/>
genommen hatte, als er &#x017F;ie nach Berlin zu&#x017F;ammenrief, den<lb/>
größten Wider&#x017F;pruch. Sie erklärten, &#x017F;ie würden die ewige<lb/>
Verdammniß fürchten, wenn &#x017F;ie von der erkannten Wahrheit<lb/>
abweichen wollten: der Kai&#x017F;er &#x017F;ey mächtig: aber Gott noch<lb/>
viel mächtiger. <note place="foot" n="2">Leuthinger <hi rendition="#aq">Commentarii</hi> 219. 228.</note></p><lb/>
          <p>Auch in Sach&#x017F;en, in dem Lande des Churf. Moritz<lb/>
&#x017F;owohl, wie in den Land&#x017F;trichen welche den Söhnen Johann<lb/>
Friedrichs verblieben, war man in der&#x017F;elben Stimmung. Auf<lb/>
einer Ver&#x017F;ammlung die Moritz kurz nach &#x017F;einer Rückkehr vom<lb/>
Reichstage nach Meißen berief, zeigten &#x017F;ich die Theologen<lb/>
be&#x017F;onders über die Vorrede der kai&#x017F;erlichen Formel, die ihnen<lb/>
hier er&#x017F;t bekannt ward, betroffen, da darin die Doctrin von<lb/>
der &#x017F;ie abgewichen, als ächt katholi&#x017F;ch bezeichnet ward: &#x017F;ie<lb/>
erklärten daß &#x017F;ie nur die Neuerungen abge&#x017F;chafft, und zu<lb/>
den ur&#x017F;prünglichen Lehren der wahren katholi&#x017F;chen Kirche zu-<lb/>
rückgekehrt &#x017F;eyen: <note xml:id="seg2pn_9_1" next="#seg2pn_9_2" place="foot" n="3"><hi rendition="#aq">Grave et hoc est quod nobis tribuitur, fuisse et esse<lb/>
nos autores schismatum et novitatis, cum partis adversae recens<lb/>
excogitatis et in ecclesiam inveclis doctrinae corruptelis et ab-</hi></note> das Verfahren des Kai&#x017F;ers, &#x017F;o mild es<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[69/0081] Widerſtand in Norddeutſchland. Albrecht ſchrieb dem Kaiſer, er ſey nicht abgeneigt ſie zu entlaſſen: er wiſſe nur keine andern zu bekommen. 1 Im Calenbergiſchen, zu Pattenhauſen, hielt die Geiſt- lichkeit förmlich eine Synode, in der ſie eine Erklärung ge- gen das Interim, die ihr Superintendent Corvinus verfaßt hatte, unterzeichnete. Fand doch ſelbſt Churfürſt Joachim von Brandenburg, der ſeiner Geiſtlichen eher ſicher zu ſeyn glaubte, da eins ihrer Oberhäupter an der Abfaſſung des Interims Antheil genommen hatte, als er ſie nach Berlin zuſammenrief, den größten Widerſpruch. Sie erklärten, ſie würden die ewige Verdammniß fürchten, wenn ſie von der erkannten Wahrheit abweichen wollten: der Kaiſer ſey mächtig: aber Gott noch viel mächtiger. 2 Auch in Sachſen, in dem Lande des Churf. Moritz ſowohl, wie in den Landſtrichen welche den Söhnen Johann Friedrichs verblieben, war man in derſelben Stimmung. Auf einer Verſammlung die Moritz kurz nach ſeiner Rückkehr vom Reichstage nach Meißen berief, zeigten ſich die Theologen beſonders über die Vorrede der kaiſerlichen Formel, die ihnen hier erſt bekannt ward, betroffen, da darin die Doctrin von der ſie abgewichen, als ächt katholiſch bezeichnet ward: ſie erklärten daß ſie nur die Neuerungen abgeſchafft, und zu den urſprünglichen Lehren der wahren katholiſchen Kirche zu- rückgekehrt ſeyen: 3 das Verfahren des Kaiſers, ſo mild es 1 Lang II, 209. 212. Bucholtz VI, 329. 2 Leuthinger Commentarii 219. 228. 3 Grave et hoc est quod nobis tribuitur, fuisse et esse nos autores schismatum et novitatis, cum partis adversae recens excogitatis et in ecclesiam inveclis doctrinae corruptelis et ab-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/81
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/81>, abgerufen am 24.11.2024.