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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843.

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Neuntes Buch. Zweites Capitel.
Stadt ihr Kirchhof werden. Als die Vorstadt schon erobert
war und die ersten Feinde auf der Rheinbrücke erschienen,
so daß man befürchtete, sie möchten zugleich mit den Flie-
henden in das Thor eindringen, geschah jene That, die man
nicht mit Unrecht der des Horatius Cocles verglichen hat.
Ein Bürger, mit zwei Spaniern im Handgemenge, erfaßte
sie endlich beide, schrie zu Gott um Vergebung seiner Sün-
den und stürzte sich mit ihnen über die Brustwehr in den
Rhein: so daß seine Mitbürger wirklich Zeit behielten das
Thor an der Brücke zuzuschlagen, und sich überhaupt für
dieß Mal des Feindes erwehrten.

Das konnte aber alles ihre Freiheit nicht retten. Da
sie jetzt von keiner Seite Schutz hatten, weder auf der deut-
schen, noch auch von der Schweiz her, wo die evangelischen
Verbündeten durch die katholischen Gegner zurückgehalten
wurden, hörten sie am Ende auf den Rath eines Haupt-
manns in König Ferdinands Dienst, eines gebornen Con-
stanzers, Hans Egkli, sich in des Königs Schutz zu bege-
ben, als das einzige Mittel um dem Zorne des Kaisers zu
entgehn. Am 14ten October 1548 rückten daselbst einige
ferdinandeische Fähnlein ein.

Die Stadt hatte sich indeß schon von selber bequemt das
Interim anzunehmen; damit war der König aber nicht zu-
frieden. Er befahl seinen Commissarien die alte wahre Reli-
gion wieder in Wesen zu bringen; nach einiger Zeit ward
die evangelische Predigt bei Todesstrafe verboten.

Mit der reichsständischen Freiheit und der evangelischen
Lehre war es in demselben Augenblicke vorüber.

Überhaupt entwickelte die Regierungsweise, wie sie der

Neuntes Buch. Zweites Capitel.
Stadt ihr Kirchhof werden. Als die Vorſtadt ſchon erobert
war und die erſten Feinde auf der Rheinbrücke erſchienen,
ſo daß man befürchtete, ſie möchten zugleich mit den Flie-
henden in das Thor eindringen, geſchah jene That, die man
nicht mit Unrecht der des Horatius Cocles verglichen hat.
Ein Bürger, mit zwei Spaniern im Handgemenge, erfaßte
ſie endlich beide, ſchrie zu Gott um Vergebung ſeiner Sün-
den und ſtürzte ſich mit ihnen über die Bruſtwehr in den
Rhein: ſo daß ſeine Mitbürger wirklich Zeit behielten das
Thor an der Brücke zuzuſchlagen, und ſich überhaupt für
dieß Mal des Feindes erwehrten.

Das konnte aber alles ihre Freiheit nicht retten. Da
ſie jetzt von keiner Seite Schutz hatten, weder auf der deut-
ſchen, noch auch von der Schweiz her, wo die evangeliſchen
Verbündeten durch die katholiſchen Gegner zurückgehalten
wurden, hörten ſie am Ende auf den Rath eines Haupt-
manns in König Ferdinands Dienſt, eines gebornen Con-
ſtanzers, Hans Egkli, ſich in des Königs Schutz zu bege-
ben, als das einzige Mittel um dem Zorne des Kaiſers zu
entgehn. Am 14ten October 1548 rückten daſelbſt einige
ferdinandeiſche Fähnlein ein.

Die Stadt hatte ſich indeß ſchon von ſelber bequemt das
Interim anzunehmen; damit war der König aber nicht zu-
frieden. Er befahl ſeinen Commiſſarien die alte wahre Reli-
gion wieder in Weſen zu bringen; nach einiger Zeit ward
die evangeliſche Predigt bei Todesſtrafe verboten.

Mit der reichsſtändiſchen Freiheit und der evangeliſchen
Lehre war es in demſelben Augenblicke vorüber.

Überhaupt entwickelte die Regierungsweiſe, wie ſie der

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[64/0076] Neuntes Buch. Zweites Capitel. Stadt ihr Kirchhof werden. Als die Vorſtadt ſchon erobert war und die erſten Feinde auf der Rheinbrücke erſchienen, ſo daß man befürchtete, ſie möchten zugleich mit den Flie- henden in das Thor eindringen, geſchah jene That, die man nicht mit Unrecht der des Horatius Cocles verglichen hat. Ein Bürger, mit zwei Spaniern im Handgemenge, erfaßte ſie endlich beide, ſchrie zu Gott um Vergebung ſeiner Sün- den und ſtürzte ſich mit ihnen über die Bruſtwehr in den Rhein: ſo daß ſeine Mitbürger wirklich Zeit behielten das Thor an der Brücke zuzuſchlagen, und ſich überhaupt für dieß Mal des Feindes erwehrten. Das konnte aber alles ihre Freiheit nicht retten. Da ſie jetzt von keiner Seite Schutz hatten, weder auf der deut- ſchen, noch auch von der Schweiz her, wo die evangeliſchen Verbündeten durch die katholiſchen Gegner zurückgehalten wurden, hörten ſie am Ende auf den Rath eines Haupt- manns in König Ferdinands Dienſt, eines gebornen Con- ſtanzers, Hans Egkli, ſich in des Königs Schutz zu bege- ben, als das einzige Mittel um dem Zorne des Kaiſers zu entgehn. Am 14ten October 1548 rückten daſelbſt einige ferdinandeiſche Fähnlein ein. Die Stadt hatte ſich indeß ſchon von ſelber bequemt das Interim anzunehmen; damit war der König aber nicht zu- frieden. Er befahl ſeinen Commiſſarien die alte wahre Reli- gion wieder in Weſen zu bringen; nach einiger Zeit ward die evangeliſche Predigt bei Todesſtrafe verboten. Mit der reichsſtändiſchen Freiheit und der evangeliſchen Lehre war es in demſelben Augenblicke vorüber. Überhaupt entwickelte die Regierungsweiſe, wie ſie der

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/76>, abgerufen am 24.11.2024.