Zweites Capitel. Einführung des Interims in Deutschland.
Wenn es dem Kaiser gelungen wäre, wie er ursprüng- lich beabsichtigte, der interimistischen Anordnung die er traf, für alle deutschen Landschaften, auch die altgläubigen, Gel- tung zu verschaffen, so würde die Einführung derselben einen ganz andern Character entwickelt haben, als den sie annahm, da dieß nicht durchgegangen war.
In jenem Falle hätten die nachtheiligen Einwirkungen, denen sich die Protestanten unterwerfen mußten, durch die Fortschritte die nach der andern Seite hin möglich wurden, eine Art von Ausgleichung gefunden. Von den leitenden Ideen der religiösen Bewegung wäre wenigstens die, welche auf eine nationale Selbständigkeit in religiösen Dingen hin- zielte, genährt und gefördert worden.
Nun aber war alles anders.
Da der Kaiser sich bewegen ließ, die Altgläubigen aus- drücklich anzuweisen, bei der Einheit der alten Kirche zu ver- harren, so war an keinen Fortschritt der reformatorischen Bestrebungen, an keine gemeinschaftliche und nationale Ent- wickelung des religiösen Geistes zu denken.
Der Kaiser seinerseits fand noch ein Mittel, seine kirch-
Zweites Capitel. Einführung des Interims in Deutſchland.
Wenn es dem Kaiſer gelungen wäre, wie er urſprüng- lich beabſichtigte, der interimiſtiſchen Anordnung die er traf, für alle deutſchen Landſchaften, auch die altgläubigen, Gel- tung zu verſchaffen, ſo würde die Einführung derſelben einen ganz andern Character entwickelt haben, als den ſie annahm, da dieß nicht durchgegangen war.
In jenem Falle hätten die nachtheiligen Einwirkungen, denen ſich die Proteſtanten unterwerfen mußten, durch die Fortſchritte die nach der andern Seite hin möglich wurden, eine Art von Ausgleichung gefunden. Von den leitenden Ideen der religiöſen Bewegung wäre wenigſtens die, welche auf eine nationale Selbſtändigkeit in religiöſen Dingen hin- zielte, genährt und gefördert worden.
Nun aber war alles anders.
Da der Kaiſer ſich bewegen ließ, die Altgläubigen aus- drücklich anzuweiſen, bei der Einheit der alten Kirche zu ver- harren, ſo war an keinen Fortſchritt der reformatoriſchen Beſtrebungen, an keine gemeinſchaftliche und nationale Ent- wickelung des religiöſen Geiſtes zu denken.
Der Kaiſer ſeinerſeits fand noch ein Mittel, ſeine kirch-
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Zweites Capitel.
Einführung des Interims in Deutſchland.
Wenn es dem Kaiſer gelungen wäre, wie er urſprüng-
lich beabſichtigte, der interimiſtiſchen Anordnung die er traf,
für alle deutſchen Landſchaften, auch die altgläubigen, Gel-
tung zu verſchaffen, ſo würde die Einführung derſelben einen
ganz andern Character entwickelt haben, als den ſie annahm,
da dieß nicht durchgegangen war.
In jenem Falle hätten die nachtheiligen Einwirkungen,
denen ſich die Proteſtanten unterwerfen mußten, durch die
Fortſchritte die nach der andern Seite hin möglich wurden,
eine Art von Ausgleichung gefunden. Von den leitenden
Ideen der religiöſen Bewegung wäre wenigſtens die, welche
auf eine nationale Selbſtändigkeit in religiöſen Dingen hin-
zielte, genährt und gefördert worden.
Nun aber war alles anders.
Da der Kaiſer ſich bewegen ließ, die Altgläubigen aus-
drücklich anzuweiſen, bei der Einheit der alten Kirche zu ver-
harren, ſo war an keinen Fortſchritt der reformatoriſchen
Beſtrebungen, an keine gemeinſchaftliche und nationale Ent-
wickelung des religiöſen Geiſtes zu denken.
Der Kaiſer ſeinerſeits fand noch ein Mittel, ſeine kirch-
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. [56]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/68>, abgerufen am 22.11.2024.
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