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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843.

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Unerledigte Fragen.
thun übrig! Das Verhältniß der Geistlichen zu den Ge-
meinen, so wie zu den Obrigkeiten, hatte noch viel Unbe-
stimmtes, von momentanen Regungen Abhängiges. Indem
die Landesherrschaften so mächtig eingriffen, regte sich an
andern Stellen der heftigste Widerspruch gegen jede Einmi-
schung derselben. Es fehlte gleichsam an dem Schlußstein
des Gebäudes, einer Einrichtung um über die aufsteigenden
Irrungen zu einer gültigen, von Jedermann anerkannten Ent-
scheidung zu gelangen.

Eine natürlich entstandene Autorität wie die der hohen
Schule zu Wittenberg hätte sich erweitern, fortpflanzen las-
sen: hergestellt werden konnte sie nicht, nachdem sie einmal
gebrochen worden.

Den Protestanten war es nun einmal nicht gegeben,
sich als eine einzige Genossenschaft zu entwickeln. Aus vie-
len Gründen möchte man wünschen, es wäre geschehen; ob
es in jeder Rücksicht das Beste gewesen wäre, wer will es
sagen?

Da es aber nicht der Fall war, und doch überaus
wichtige Fragen die öffentliche Theilnahme, die lebendigen
geistigen und politischen Kräfte beschäftigten, so mußte erfol-
gen, daß sich auf einer Stelle mehr das eine, auf einer an-
dern mehr ein anderes Prinzip geltend machte.

Die Bewegung warf sich in die verschiedenen Territo-
rien, wo sie mit mannichfaltigen andern Bestrebungen in den
Zweigen der Administration oder des Rechts, der Cultur
oder der Befestigung des Landes zusammenfiel. Dieses land-
schaftliche Moment entwickelt sich in den nächsten Zeiten auf
das eigenthümlichste, und zwar in den Ländern der altgläu-

Unerledigte Fragen.
thun übrig! Das Verhältniß der Geiſtlichen zu den Ge-
meinen, ſo wie zu den Obrigkeiten, hatte noch viel Unbe-
ſtimmtes, von momentanen Regungen Abhängiges. Indem
die Landesherrſchaften ſo mächtig eingriffen, regte ſich an
andern Stellen der heftigſte Widerſpruch gegen jede Einmi-
ſchung derſelben. Es fehlte gleichſam an dem Schlußſtein
des Gebäudes, einer Einrichtung um über die aufſteigenden
Irrungen zu einer gültigen, von Jedermann anerkannten Ent-
ſcheidung zu gelangen.

Eine natürlich entſtandene Autorität wie die der hohen
Schule zu Wittenberg hätte ſich erweitern, fortpflanzen laſ-
ſen: hergeſtellt werden konnte ſie nicht, nachdem ſie einmal
gebrochen worden.

Den Proteſtanten war es nun einmal nicht gegeben,
ſich als eine einzige Genoſſenſchaft zu entwickeln. Aus vie-
len Gründen möchte man wünſchen, es wäre geſchehen; ob
es in jeder Rückſicht das Beſte geweſen wäre, wer will es
ſagen?

Da es aber nicht der Fall war, und doch überaus
wichtige Fragen die öffentliche Theilnahme, die lebendigen
geiſtigen und politiſchen Kräfte beſchäftigten, ſo mußte erfol-
gen, daß ſich auf einer Stelle mehr das eine, auf einer an-
dern mehr ein anderes Prinzip geltend machte.

Die Bewegung warf ſich in die verſchiedenen Territo-
rien, wo ſie mit mannichfaltigen andern Beſtrebungen in den
Zweigen der Adminiſtration oder des Rechts, der Cultur
oder der Befeſtigung des Landes zuſammenfiel. Dieſes land-
ſchaftliche Moment entwickelt ſich in den nächſten Zeiten auf
das eigenthümlichſte, und zwar in den Ländern der altgläu-

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[463/0475] Unerledigte Fragen. thun übrig! Das Verhältniß der Geiſtlichen zu den Ge- meinen, ſo wie zu den Obrigkeiten, hatte noch viel Unbe- ſtimmtes, von momentanen Regungen Abhängiges. Indem die Landesherrſchaften ſo mächtig eingriffen, regte ſich an andern Stellen der heftigſte Widerſpruch gegen jede Einmi- ſchung derſelben. Es fehlte gleichſam an dem Schlußſtein des Gebäudes, einer Einrichtung um über die aufſteigenden Irrungen zu einer gültigen, von Jedermann anerkannten Ent- ſcheidung zu gelangen. Eine natürlich entſtandene Autorität wie die der hohen Schule zu Wittenberg hätte ſich erweitern, fortpflanzen laſ- ſen: hergeſtellt werden konnte ſie nicht, nachdem ſie einmal gebrochen worden. Den Proteſtanten war es nun einmal nicht gegeben, ſich als eine einzige Genoſſenſchaft zu entwickeln. Aus vie- len Gründen möchte man wünſchen, es wäre geſchehen; ob es in jeder Rückſicht das Beſte geweſen wäre, wer will es ſagen? Da es aber nicht der Fall war, und doch überaus wichtige Fragen die öffentliche Theilnahme, die lebendigen geiſtigen und politiſchen Kräfte beſchäftigten, ſo mußte erfol- gen, daß ſich auf einer Stelle mehr das eine, auf einer an- dern mehr ein anderes Prinzip geltend machte. Die Bewegung warf ſich in die verſchiedenen Territo- rien, wo ſie mit mannichfaltigen andern Beſtrebungen in den Zweigen der Adminiſtration oder des Rechts, der Cultur oder der Befeſtigung des Landes zuſammenfiel. Dieſes land- ſchaftliche Moment entwickelt ſich in den nächſten Zeiten auf das eigenthümlichſte, und zwar in den Ländern der altgläu-

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 463. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/475>, abgerufen am 22.11.2024.