Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843.Theologische Streitigkeiten. (Flacius.) lichen noch mit mündlichen Erinnerungen bei seinen LehrernEingang fand, so entfernte er sich lieber aus Wittenberg, und begab sich nach den Gegenden wo man von den Vermitte- lungsversuchen noch unberührt geblieben war. In Magde- burg vereinigte er sich mit Amsdorf, der sein Bisthum ver- loren hatte, und die Versuche seiner frühern Collegen, sich mit den Feinden zu versöhnen, denen er weichen müssen, wohl nicht anders als verdammen konnte: und mit Nicol. Gallus, der des Interims wegen von Regensburg ausgewandert war: von Hamburg her kam ihm Westphal, bei dem er sich erst Raths erholt hatte, zu Hülfe. Noch besonders durch jenen Brief an Carlowitz gereizt, trugen sie endlich kein Beden- ken, den allgemeinen Lehrer in offenen Schriften anzugrei- fen. Sie zogen die Differenzen ans Licht, die man früher zu berühren vermieden, und erklärten die Zugeständnisse, zu denen sich Melanchthon widerstrebend hatte bewegen lassen, für eine absichtliche Abtrünnigkeit. Daß er bei der Lehre von der Rechtfertigung durch den Glauben das Wort "allein" weggelassen, oder den Papst nicht mehr geradezu für den Antichrist erklären wollte, schien ihnen eine Anbahnung zu neuer Unterwerfung unter das alte System. Ein theologi- scher Krieg brach aus, der das Getümmel der Waffen mit seinem Geräusche durchbrach. Nachdem wir die Rettung des großen Prinzipes betrach- Die erste Streitigkeit betraf den Artikel über Glauben Theologiſche Streitigkeiten. (Flacius.) lichen noch mit mündlichen Erinnerungen bei ſeinen LehrernEingang fand, ſo entfernte er ſich lieber aus Wittenberg, und begab ſich nach den Gegenden wo man von den Vermitte- lungsverſuchen noch unberührt geblieben war. In Magde- burg vereinigte er ſich mit Amsdorf, der ſein Bisthum ver- loren hatte, und die Verſuche ſeiner frühern Collegen, ſich mit den Feinden zu verſöhnen, denen er weichen müſſen, wohl nicht anders als verdammen konnte: und mit Nicol. Gallus, der des Interims wegen von Regensburg ausgewandert war: von Hamburg her kam ihm Weſtphal, bei dem er ſich erſt Raths erholt hatte, zu Hülfe. Noch beſonders durch jenen Brief an Carlowitz gereizt, trugen ſie endlich kein Beden- ken, den allgemeinen Lehrer in offenen Schriften anzugrei- fen. Sie zogen die Differenzen ans Licht, die man früher zu berühren vermieden, und erklärten die Zugeſtändniſſe, zu denen ſich Melanchthon widerſtrebend hatte bewegen laſſen, für eine abſichtliche Abtrünnigkeit. Daß er bei der Lehre von der Rechtfertigung durch den Glauben das Wort „allein“ weggelaſſen, oder den Papſt nicht mehr geradezu für den Antichriſt erklären wollte, ſchien ihnen eine Anbahnung zu neuer Unterwerfung unter das alte Syſtem. Ein theologi- ſcher Krieg brach aus, der das Getümmel der Waffen mit ſeinem Geräuſche durchbrach. Nachdem wir die Rettung des großen Prinzipes betrach- Die erſte Streitigkeit betraf den Artikel über Glauben <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0459" n="447"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Theologiſche Streitigkeiten. (Flacius.)</hi></fw><lb/> lichen noch mit mündlichen Erinnerungen bei ſeinen Lehrern<lb/> Eingang fand, ſo entfernte er ſich lieber aus Wittenberg, und<lb/> begab ſich nach den Gegenden wo man von den Vermitte-<lb/> lungsverſuchen noch unberührt geblieben war. In Magde-<lb/> burg vereinigte er ſich mit Amsdorf, der ſein Bisthum ver-<lb/> loren hatte, und die Verſuche ſeiner frühern Collegen, ſich<lb/> mit den Feinden zu verſöhnen, denen er weichen müſſen, wohl<lb/> nicht anders als verdammen konnte: und mit Nicol. Gallus,<lb/> der des Interims wegen von Regensburg ausgewandert war:<lb/> von Hamburg her kam ihm Weſtphal, bei dem er ſich erſt<lb/> Raths erholt hatte, zu Hülfe. Noch beſonders durch jenen<lb/> Brief an Carlowitz gereizt, trugen ſie endlich kein Beden-<lb/> ken, den allgemeinen Lehrer in offenen Schriften anzugrei-<lb/> fen. Sie zogen die Differenzen ans Licht, die man früher<lb/> zu berühren vermieden, und erklärten die Zugeſtändniſſe, zu<lb/> denen ſich Melanchthon widerſtrebend hatte bewegen laſſen,<lb/> für eine abſichtliche Abtrünnigkeit. Daß er bei der Lehre<lb/> von der Rechtfertigung durch den Glauben das Wort „allein“<lb/> weggelaſſen, oder den Papſt nicht mehr geradezu für den<lb/> Antichriſt erklären wollte, ſchien ihnen eine Anbahnung zu<lb/> neuer Unterwerfung unter das alte Syſtem. Ein theologi-<lb/> ſcher Krieg brach aus, der das Getümmel der Waffen mit<lb/> ſeinem Geräuſche durchbrach.</p><lb/> <p>Nachdem wir die Rettung des großen Prinzipes betrach-<lb/> tet, was unſre Aufgabe war, wollen wir nicht dieſe Ent-<lb/> zweiung im Einzelnen verfolgen; — faſſen wir nur auf, wo-<lb/> von hauptſächlich die Rede war.</p><lb/> <p>Die erſte Streitigkeit betraf den Artikel über Glauben<lb/> und gute Werke.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [447/0459]
Theologiſche Streitigkeiten. (Flacius.)
lichen noch mit mündlichen Erinnerungen bei ſeinen Lehrern
Eingang fand, ſo entfernte er ſich lieber aus Wittenberg, und
begab ſich nach den Gegenden wo man von den Vermitte-
lungsverſuchen noch unberührt geblieben war. In Magde-
burg vereinigte er ſich mit Amsdorf, der ſein Bisthum ver-
loren hatte, und die Verſuche ſeiner frühern Collegen, ſich
mit den Feinden zu verſöhnen, denen er weichen müſſen, wohl
nicht anders als verdammen konnte: und mit Nicol. Gallus,
der des Interims wegen von Regensburg ausgewandert war:
von Hamburg her kam ihm Weſtphal, bei dem er ſich erſt
Raths erholt hatte, zu Hülfe. Noch beſonders durch jenen
Brief an Carlowitz gereizt, trugen ſie endlich kein Beden-
ken, den allgemeinen Lehrer in offenen Schriften anzugrei-
fen. Sie zogen die Differenzen ans Licht, die man früher
zu berühren vermieden, und erklärten die Zugeſtändniſſe, zu
denen ſich Melanchthon widerſtrebend hatte bewegen laſſen,
für eine abſichtliche Abtrünnigkeit. Daß er bei der Lehre
von der Rechtfertigung durch den Glauben das Wort „allein“
weggelaſſen, oder den Papſt nicht mehr geradezu für den
Antichriſt erklären wollte, ſchien ihnen eine Anbahnung zu
neuer Unterwerfung unter das alte Syſtem. Ein theologi-
ſcher Krieg brach aus, der das Getümmel der Waffen mit
ſeinem Geräuſche durchbrach.
Nachdem wir die Rettung des großen Prinzipes betrach-
tet, was unſre Aufgabe war, wollen wir nicht dieſe Ent-
zweiung im Einzelnen verfolgen; — faſſen wir nur auf, wo-
von hauptſächlich die Rede war.
Die erſte Streitigkeit betraf den Artikel über Glauben
und gute Werke.
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