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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843.

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Belehnungen. Pfälzische Chur.
jeden weiteren Rechtsgang ab. So deutlich kam jedoch dem
Kaiser seine Verpflichtung mit nichten vor: der Herzog mußte
sich zu weiteren Erörterungen bequemen, und in den Acten
finden wir einen weitläuftigen Schriftwechsel über die Sache.
Es kam hiebei zu einem Äußersten das man gar nicht er-
warten sollte. Herzog Wilhelm erkannte die goldne Bulle
noch nicht an: er zog in Zweifel, ob Carl IV ohne Bewil-
ligung des Papstes eine Bestimmung über die Churfürsten-
thümer habe treffen können. 1 Was war aber Rechtens im
Reiche, wenn diese Urkunde nicht zu Recht bestand? Aller-
dings war sie im Geist der Opposition gegen das Papst-
thum gefaßt: wir erkennen darin nur ein neues Motiv für
die Verbindung der Ludwigschen Linie des Hauses Wittels-
bach mit Rom; aber wie hätte der Kaiser darauf eingehn
können, der nur kraft der goldnen Bulle regierte? Mit den
Pfalzgrafen, die ihm nahe verwandt waren, versöhnt, mochte
er um so weniger daran denken, den Ansprüchen des Her-
zogs Statt zu geben.

Schon erhob derselbe noch einen andern Streit gegen
seine Vettern. Er forderte die Besitzungen des Pfalzgrafen
Otto Heinrich, der mit dem Kaiser noch nicht ausgesöhnt
war. Von pfälzischer Seite erwiederte man, daß die Land-
schaften dann wenigstens nicht an Baiern, sondern an eine
andere Linie des pfälzischen Hauses fallen müßten.


1 "Zu dem allen ist nit ein kleiner zweiffel, dieweyl die Orde-
nung der Churfürsten von dem bepstl. Stul erstlich gesetzt, ob in Kö-
nig Carls gewalt gestanden sey one bepstl. Heil. bewilligung und vor-
wissen inn sachen die chur betreffende etwas news zu verordnen und
zu setzen." Herzog Wilhelms von Baiern Gegenbericht 22 Mar-
tii 1548.
Ranke D. Gesch. V. 3

Belehnungen. Pfaͤlziſche Chur.
jeden weiteren Rechtsgang ab. So deutlich kam jedoch dem
Kaiſer ſeine Verpflichtung mit nichten vor: der Herzog mußte
ſich zu weiteren Erörterungen bequemen, und in den Acten
finden wir einen weitläuftigen Schriftwechſel über die Sache.
Es kam hiebei zu einem Äußerſten das man gar nicht er-
warten ſollte. Herzog Wilhelm erkannte die goldne Bulle
noch nicht an: er zog in Zweifel, ob Carl IV ohne Bewil-
ligung des Papſtes eine Beſtimmung über die Churfürſten-
thümer habe treffen können. 1 Was war aber Rechtens im
Reiche, wenn dieſe Urkunde nicht zu Recht beſtand? Aller-
dings war ſie im Geiſt der Oppoſition gegen das Papſt-
thum gefaßt: wir erkennen darin nur ein neues Motiv für
die Verbindung der Ludwigſchen Linie des Hauſes Wittels-
bach mit Rom; aber wie hätte der Kaiſer darauf eingehn
können, der nur kraft der goldnen Bulle regierte? Mit den
Pfalzgrafen, die ihm nahe verwandt waren, verſöhnt, mochte
er um ſo weniger daran denken, den Anſprüchen des Her-
zogs Statt zu geben.

Schon erhob derſelbe noch einen andern Streit gegen
ſeine Vettern. Er forderte die Beſitzungen des Pfalzgrafen
Otto Heinrich, der mit dem Kaiſer noch nicht ausgeſöhnt
war. Von pfälziſcher Seite erwiederte man, daß die Land-
ſchaften dann wenigſtens nicht an Baiern, ſondern an eine
andere Linie des pfälziſchen Hauſes fallen müßten.


1 „Zu dem allen iſt nit ein kleiner zweiffel, dieweyl die Orde-
nung der Churfuͤrſten von dem bepſtl. Stul erſtlich geſetzt, ob in Koͤ-
nig Carls gewalt geſtanden ſey one bepſtl. Heil. bewilligung und vor-
wiſſen inn ſachen die chur betreffende etwas news zu verordnen und
zu ſetzen.“ Herzog Wilhelms von Baiern Gegenbericht 22 Mar-
tii 1548.
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[33/0045] Belehnungen. Pfaͤlziſche Chur. jeden weiteren Rechtsgang ab. So deutlich kam jedoch dem Kaiſer ſeine Verpflichtung mit nichten vor: der Herzog mußte ſich zu weiteren Erörterungen bequemen, und in den Acten finden wir einen weitläuftigen Schriftwechſel über die Sache. Es kam hiebei zu einem Äußerſten das man gar nicht er- warten ſollte. Herzog Wilhelm erkannte die goldne Bulle noch nicht an: er zog in Zweifel, ob Carl IV ohne Bewil- ligung des Papſtes eine Beſtimmung über die Churfürſten- thümer habe treffen können. 1 Was war aber Rechtens im Reiche, wenn dieſe Urkunde nicht zu Recht beſtand? Aller- dings war ſie im Geiſt der Oppoſition gegen das Papſt- thum gefaßt: wir erkennen darin nur ein neues Motiv für die Verbindung der Ludwigſchen Linie des Hauſes Wittels- bach mit Rom; aber wie hätte der Kaiſer darauf eingehn können, der nur kraft der goldnen Bulle regierte? Mit den Pfalzgrafen, die ihm nahe verwandt waren, verſöhnt, mochte er um ſo weniger daran denken, den Anſprüchen des Her- zogs Statt zu geben. Schon erhob derſelbe noch einen andern Streit gegen ſeine Vettern. Er forderte die Beſitzungen des Pfalzgrafen Otto Heinrich, der mit dem Kaiſer noch nicht ausgeſöhnt war. Von pfälziſcher Seite erwiederte man, daß die Land- ſchaften dann wenigſtens nicht an Baiern, ſondern an eine andere Linie des pfälziſchen Hauſes fallen müßten. 1 „Zu dem allen iſt nit ein kleiner zweiffel, dieweyl die Orde- nung der Churfuͤrſten von dem bepſtl. Stul erſtlich geſetzt, ob in Koͤ- nig Carls gewalt geſtanden ſey one bepſtl. Heil. bewilligung und vor- wiſſen inn ſachen die chur betreffende etwas news zu verordnen und zu ſetzen.“ Herzog Wilhelms von Baiern Gegenbericht 22 Mar- tii 1548. Ranke D. Geſch. V. 3

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/45>, abgerufen am 29.03.2024.