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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843.

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Zehntes Buch. Siebentes Capitel.

Diese Fürsten mußten sogar in Bezug auf ihre altgläu-
bigen Unterthanen sich selber helfen. Man kennt die Strenge,
mit welcher Herzog Wilhelm von Cleve seine Rechte bei der
Besetzung der Pfarrstellen festhielt und keinerlei Eingriff ei-
ner fremden geistlichen Jurisdiction in seinem Lande gestat-
tete; 1 seine Edicte haben allen spätern Regierungen zur Norm
gedient. 2 Östreich und Baiern lagen mit den Bischöfen der
Diöcesen, zu denen ihre Landschaften gehörten, in unaufhör-
lichem Hader. Auf den Synoden zu Salzburg 1549 und
1550, zu Mühldorf 1553, erhoben die Geistlichen laute Kla-
gen, daß man ihrer Gerichtsbarkeit nicht achte, ihre Immu-
nitäten verletze, ihnen ungewohnte Lasten auflege. Die Für-
sten vertheidigten sich damit, daß sie den Bischöfen Vernach-
läßigung ihrer geistlichen Pflichten Schuld gaben. 3 Es blieb
dabei, daß in den weltlichen Gebieten die kirchlichen Angele-
genheiten hauptsächlich unter dem Einfluß fürstlicher Räthe,
nur mit Zuziehung eines und des andern ergebenen Clerikers
verwaltet wurden. Wenn man die Untersuchungen über an-
gebliche Wiedertäufer ansieht, die in Baiern noch dann und

ligkeit) von Stund an mit vielen und heftigen worten, als die sich
etwas entsetz, mir geantwort, solches sey nicht zuzulassen."
1 Er habe "leinene Säcke aufhenken lassen, worin diejenigen,
so der geistlichen Jurisdiction halber etwas anzubringen unternehmen
würden, -- als proditores patriae ersäuft werden sollten."
2 Laspeyres Verfassung der katholischen Kirche Preußens p. 195.
3 Auszüge aus den gewechselten Schriften bei Bucholtz VIII,
208. Sugenheim 207. 218. "So sein," sagt Ferdinand 1549, "die
geistlichen solcher ihrer geistlichen Recht, Gewaldts und Gerichts-
zwangs, -- sonderlich in unsern Erblanden -- gar nicht in Gebrauch;
-- halten für billig, das diej. Laien, so de crimine heresis, sacri-
legii, falsi, simoniac, usurarum, adulterii, fractae pacis et perjurii

in Verdacht oder überwunden, nindert anderstwohin als von der
weltlichen Obrigkait gerechtfertigt und gestraft und kainswegs für die
gaistlich Obrigkait gewisen oder gezogen werden sollten."
Zehntes Buch. Siebentes Capitel.

Dieſe Fürſten mußten ſogar in Bezug auf ihre altgläu-
bigen Unterthanen ſich ſelber helfen. Man kennt die Strenge,
mit welcher Herzog Wilhelm von Cleve ſeine Rechte bei der
Beſetzung der Pfarrſtellen feſthielt und keinerlei Eingriff ei-
ner fremden geiſtlichen Jurisdiction in ſeinem Lande geſtat-
tete; 1 ſeine Edicte haben allen ſpätern Regierungen zur Norm
gedient. 2 Öſtreich und Baiern lagen mit den Biſchöfen der
Diöceſen, zu denen ihre Landſchaften gehörten, in unaufhör-
lichem Hader. Auf den Synoden zu Salzburg 1549 und
1550, zu Mühldorf 1553, erhoben die Geiſtlichen laute Kla-
gen, daß man ihrer Gerichtsbarkeit nicht achte, ihre Immu-
nitäten verletze, ihnen ungewohnte Laſten auflege. Die Für-
ſten vertheidigten ſich damit, daß ſie den Biſchöfen Vernach-
läßigung ihrer geiſtlichen Pflichten Schuld gaben. 3 Es blieb
dabei, daß in den weltlichen Gebieten die kirchlichen Angele-
genheiten hauptſächlich unter dem Einfluß fürſtlicher Räthe,
nur mit Zuziehung eines und des andern ergebenen Clerikers
verwaltet wurden. Wenn man die Unterſuchungen über an-
gebliche Wiedertäufer anſieht, die in Baiern noch dann und

ligkeit) von Stund an mit vielen und heftigen worten, als die ſich
etwas entſetz, mir geantwort, ſolches ſey nicht zuzulaſſen.“
1 Er habe „leinene Saͤcke aufhenken laſſen, worin diejenigen,
ſo der geiſtlichen Jurisdiction halber etwas anzubringen unternehmen
wuͤrden, — als proditores patriae erſaͤuft werden ſollten.“
2 Laspeyres Verfaſſung der katholiſchen Kirche Preußens p. 195.
3 Auszuͤge aus den gewechſelten Schriften bei Bucholtz VIII,
208. Sugenheim 207. 218. „So ſein,“ ſagt Ferdinand 1549, „die
geiſtlichen ſolcher ihrer geiſtlichen Recht, Gewaldts und Gerichts-
zwangs, — ſonderlich in unſern Erblanden — gar nicht in Gebrauch;
— halten fuͤr billig, das diej. Laien, ſo de crimine heresis, sacri-
legii, falsi, simoniac, usurarum, adulterii, fractae pacis et perjurii

in Verdacht oder uͤberwunden, nindert anderſtwohin als von der
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[434/0446] Zehntes Buch. Siebentes Capitel. Dieſe Fürſten mußten ſogar in Bezug auf ihre altgläu- bigen Unterthanen ſich ſelber helfen. Man kennt die Strenge, mit welcher Herzog Wilhelm von Cleve ſeine Rechte bei der Beſetzung der Pfarrſtellen feſthielt und keinerlei Eingriff ei- ner fremden geiſtlichen Jurisdiction in ſeinem Lande geſtat- tete; 1 ſeine Edicte haben allen ſpätern Regierungen zur Norm gedient. 2 Öſtreich und Baiern lagen mit den Biſchöfen der Diöceſen, zu denen ihre Landſchaften gehörten, in unaufhör- lichem Hader. Auf den Synoden zu Salzburg 1549 und 1550, zu Mühldorf 1553, erhoben die Geiſtlichen laute Kla- gen, daß man ihrer Gerichtsbarkeit nicht achte, ihre Immu- nitäten verletze, ihnen ungewohnte Laſten auflege. Die Für- ſten vertheidigten ſich damit, daß ſie den Biſchöfen Vernach- läßigung ihrer geiſtlichen Pflichten Schuld gaben. 3 Es blieb dabei, daß in den weltlichen Gebieten die kirchlichen Angele- genheiten hauptſächlich unter dem Einfluß fürſtlicher Räthe, nur mit Zuziehung eines und des andern ergebenen Clerikers verwaltet wurden. Wenn man die Unterſuchungen über an- gebliche Wiedertäufer anſieht, die in Baiern noch dann und 2 1 Er habe „leinene Saͤcke aufhenken laſſen, worin diejenigen, ſo der geiſtlichen Jurisdiction halber etwas anzubringen unternehmen wuͤrden, — als proditores patriae erſaͤuft werden ſollten.“ 2 Laspeyres Verfaſſung der katholiſchen Kirche Preußens p. 195. 3 Auszuͤge aus den gewechſelten Schriften bei Bucholtz VIII, 208. Sugenheim 207. 218. „So ſein,“ ſagt Ferdinand 1549, „die geiſtlichen ſolcher ihrer geiſtlichen Recht, Gewaldts und Gerichts- zwangs, — ſonderlich in unſern Erblanden — gar nicht in Gebrauch; — halten fuͤr billig, das diej. Laien, ſo de crimine heresis, sacri- legii, falsi, simoniac, usurarum, adulterii, fractae pacis et perjurii in Verdacht oder uͤberwunden, nindert anderſtwohin als von der weltlichen Obrigkait gerechtfertigt und geſtraft und kainswegs fuͤr die gaiſtlich Obrigkait gewiſen oder gezogen werden ſollten.“ 2 ligkeit) von Stund an mit vielen und heftigen worten, als die ſich etwas entſetz, mir geantwort, ſolches ſey nicht zuzulaſſen.“

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 434. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/446>, abgerufen am 21.11.2024.