Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

Zehntes Buch. Sechstes Capitel.
gegen früher lag besonders darin, daß er nicht von laufenden
Geschäften bedrängt war und keine Regierungspflicht mehr
hatte. Er konnte der Einsamkeit und Ruhe, nach der ihn
verlangte, so viel er wollte genießen. Seine Umgebung
hatte Befehl, keine Besuche anzunehmen, und in dem Kloster
war es so still, als wäre er nicht anwesend. Oder vielmehr,
es ward noch stiller durch ihn: er bemerkte mit Mißfallen,
daß zuweilen Frauen an die Pforte kamen und mit den
Mönchen redeten: auf seinen Wunsch ward es abgestellt.
Man hatte dafür gesorgt, daß der Blick aus seinen Zimmern,
der über die Klostergärten hinführte, durch nichts Fremd-
artiges gestört wurde. Sein Vergnügen war, wenn er sich
wohl befand, nach einer kleinen ein paar Armbrustschüsse
entfernten Einsiedelei zu lustwandeln, unter dem Schatten
dichtgepflanzter Castanienbäume, welche vor der Sonne dieses
Himmels schützten; zuweilen machte er den Weg auf einem
Saumthier, endlich war ihm auch dieß unmöglich. Besonders
gern wohnte er dem Gesange in der Kirche bei, wie er denn
Geschmack und Unterscheidungsgabe für die Musik besaß;
die Obern des Ordens hatten nicht versäumt, ihre besten
Stimmen in dem Kloster zu versammeln. Seine Wohnung
war in eine solche Verbindung mit der Kirche gesetzt, daß
er in den Tagen der Krankheit den Gesang und die Feier
der Messe in seinem Schlafzimmer hören konnte.

Und so hoffte er wohl, das Ziel seiner Tage in tiefem
Frieden zu erreichen. Jedoch vergeblich. So lange der

falta del rey D. Sebastian por sucesor de coroa ao principe
D. Carlos su neto.
Barbosa Machado Memorias para a historia
de Portugal, que comprehenden o governo del rey D. Seb[as]tiao

1736.

Zehntes Buch. Sechstes Capitel.
gegen früher lag beſonders darin, daß er nicht von laufenden
Geſchäften bedrängt war und keine Regierungspflicht mehr
hatte. Er konnte der Einſamkeit und Ruhe, nach der ihn
verlangte, ſo viel er wollte genießen. Seine Umgebung
hatte Befehl, keine Beſuche anzunehmen, und in dem Kloſter
war es ſo ſtill, als wäre er nicht anweſend. Oder vielmehr,
es ward noch ſtiller durch ihn: er bemerkte mit Mißfallen,
daß zuweilen Frauen an die Pforte kamen und mit den
Mönchen redeten: auf ſeinen Wunſch ward es abgeſtellt.
Man hatte dafür geſorgt, daß der Blick aus ſeinen Zimmern,
der über die Kloſtergärten hinführte, durch nichts Fremd-
artiges geſtört wurde. Sein Vergnügen war, wenn er ſich
wohl befand, nach einer kleinen ein paar Armbruſtſchüſſe
entfernten Einſiedelei zu luſtwandeln, unter dem Schatten
dichtgepflanzter Caſtanienbäume, welche vor der Sonne dieſes
Himmels ſchützten; zuweilen machte er den Weg auf einem
Saumthier, endlich war ihm auch dieß unmöglich. Beſonders
gern wohnte er dem Geſange in der Kirche bei, wie er denn
Geſchmack und Unterſcheidungsgabe für die Muſik beſaß;
die Obern des Ordens hatten nicht verſäumt, ihre beſten
Stimmen in dem Kloſter zu verſammeln. Seine Wohnung
war in eine ſolche Verbindung mit der Kirche geſetzt, daß
er in den Tagen der Krankheit den Geſang und die Feier
der Meſſe in ſeinem Schlafzimmer hören konnte.

Und ſo hoffte er wohl, das Ziel ſeiner Tage in tiefem
Frieden zu erreichen. Jedoch vergeblich. So lange der

falta del rey D. Sebastian por sucesor de coroa ao principe
D. Carlos su neto.
Barboſa Machado Memorias para a historia
de Portugal, que comprehenden o governo del rey D. Seb[as]tiao

1736.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0436" n="424"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zehntes Buch. Sechstes Capitel</hi>.</fw><lb/>
gegen früher lag be&#x017F;onders darin, daß er nicht von laufenden<lb/>
Ge&#x017F;chäften bedrängt war und keine Regierungspflicht mehr<lb/>
hatte. Er konnte der Ein&#x017F;amkeit und Ruhe, nach der ihn<lb/>
verlangte, &#x017F;o viel er wollte genießen. Seine Umgebung<lb/>
hatte Befehl, keine Be&#x017F;uche anzunehmen, und in dem Klo&#x017F;ter<lb/>
war es &#x017F;o &#x017F;till, als wäre er nicht anwe&#x017F;end. Oder vielmehr,<lb/>
es ward noch &#x017F;tiller durch ihn: er bemerkte mit Mißfallen,<lb/>
daß zuweilen Frauen an die Pforte kamen und mit den<lb/>
Mönchen redeten: auf &#x017F;einen Wun&#x017F;ch ward es abge&#x017F;tellt.<lb/>
Man hatte dafür ge&#x017F;orgt, daß der Blick aus &#x017F;einen Zimmern,<lb/>
der über die Klo&#x017F;tergärten hinführte, durch nichts Fremd-<lb/>
artiges ge&#x017F;tört wurde. Sein Vergnügen war, wenn er &#x017F;ich<lb/>
wohl befand, nach einer kleinen ein paar Armbru&#x017F;t&#x017F;chü&#x017F;&#x017F;e<lb/>
entfernten Ein&#x017F;iedelei zu lu&#x017F;twandeln, unter dem Schatten<lb/>
dichtgepflanzter Ca&#x017F;tanienbäume, welche vor der Sonne die&#x017F;es<lb/>
Himmels &#x017F;chützten; zuweilen machte er den Weg auf einem<lb/>
Saumthier, endlich war ihm auch dieß unmöglich. Be&#x017F;onders<lb/>
gern wohnte er dem Ge&#x017F;ange in der Kirche bei, wie er denn<lb/>
Ge&#x017F;chmack und Unter&#x017F;cheidungsgabe für die Mu&#x017F;ik be&#x017F;aß;<lb/>
die Obern des Ordens hatten nicht ver&#x017F;äumt, ihre be&#x017F;ten<lb/>
Stimmen in dem Klo&#x017F;ter zu ver&#x017F;ammeln. Seine Wohnung<lb/>
war in eine &#x017F;olche Verbindung mit der Kirche ge&#x017F;etzt, daß<lb/>
er in den Tagen der Krankheit den Ge&#x017F;ang und die Feier<lb/>
der Me&#x017F;&#x017F;e in &#x017F;einem Schlafzimmer hören konnte.</p><lb/>
          <p>Und &#x017F;o hoffte er wohl, das Ziel &#x017F;einer Tage in tiefem<lb/>
Frieden zu erreichen. Jedoch vergeblich. So lange der<lb/><note xml:id="seg2pn_27_2" prev="#seg2pn_27_1" place="foot" n="2"><hi rendition="#aq">falta del rey D. Sebastian por sucesor de coroa ao principe<lb/>
D. Carlos su neto.</hi> Barbo&#x017F;a Machado <hi rendition="#aq">Memorias para a historia<lb/>
de Portugal, que comprehenden o governo del rey D. Seb<supplied>as</supplied>tiao</hi><lb/>
1736.</note><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[424/0436] Zehntes Buch. Sechstes Capitel. gegen früher lag beſonders darin, daß er nicht von laufenden Geſchäften bedrängt war und keine Regierungspflicht mehr hatte. Er konnte der Einſamkeit und Ruhe, nach der ihn verlangte, ſo viel er wollte genießen. Seine Umgebung hatte Befehl, keine Beſuche anzunehmen, und in dem Kloſter war es ſo ſtill, als wäre er nicht anweſend. Oder vielmehr, es ward noch ſtiller durch ihn: er bemerkte mit Mißfallen, daß zuweilen Frauen an die Pforte kamen und mit den Mönchen redeten: auf ſeinen Wunſch ward es abgeſtellt. Man hatte dafür geſorgt, daß der Blick aus ſeinen Zimmern, der über die Kloſtergärten hinführte, durch nichts Fremd- artiges geſtört wurde. Sein Vergnügen war, wenn er ſich wohl befand, nach einer kleinen ein paar Armbruſtſchüſſe entfernten Einſiedelei zu luſtwandeln, unter dem Schatten dichtgepflanzter Caſtanienbäume, welche vor der Sonne dieſes Himmels ſchützten; zuweilen machte er den Weg auf einem Saumthier, endlich war ihm auch dieß unmöglich. Beſonders gern wohnte er dem Geſange in der Kirche bei, wie er denn Geſchmack und Unterſcheidungsgabe für die Muſik beſaß; die Obern des Ordens hatten nicht verſäumt, ihre beſten Stimmen in dem Kloſter zu verſammeln. Seine Wohnung war in eine ſolche Verbindung mit der Kirche geſetzt, daß er in den Tagen der Krankheit den Geſang und die Feier der Meſſe in ſeinem Schlafzimmer hören konnte. Und ſo hoffte er wohl, das Ziel ſeiner Tage in tiefem Frieden zu erreichen. Jedoch vergeblich. So lange der 2 2 falta del rey D. Sebastian por sucesor de coroa ao principe D. Carlos su neto. Barboſa Machado Memorias para a historia de Portugal, que comprehenden o governo del rey D. Sebastiao 1736.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/436
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 424. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/436>, abgerufen am 20.05.2024.