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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843.

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Zehntes Buch. Sechstes Capitel.

Als die Churfürsten zuerst, doch nur im Allgemeinen,
Nachricht von dem Vorhaben der Übertragung des Reiches
erhielten, und zu einer Zusammenkunft deshalb eingeladen
wurden, fürchteten sie fast, es werde nur von der Verwal-
tung die Rede seyn, und Carl werde sich Titel und Krone
vorbehalten wollen.

Sie urtheilten daß dieß nicht genügen würde, und nicht
unmerkwürdig sind die Gründe die Sachsen und Branden-
burg, die bei Gelegenheit einer festlichen Zusammenkunft dar-
über beriethen, dagegen anführen. 1

Sie meinen, dann könne es dem Kaiser unter verän-
derten Umständen wohl beikommen, die Verwaltung einmal
wieder zu ergreifen, Truppen ins Reich zu führen, einen Frem-
den zum Kaiser zu machen, und die Churfürsten, die ihre
Stimme dazu nicht geben wollen, mit Gewalt zu erdrücken.

Oder im Gegentheil, wenn das nicht geschehe, der Kai-
ser nur den Namen führe und nicht das Amt verwalte, so
könne der Papst daher Anlaß nehmen, die kaiserliche Krone
auf Frankreich, wie er ohnehin wünsche, zu übertragen.

Überhaupt aber müsse wo möglich der Gefahr ein Ende
gemacht werden, daß der König von Frankreich durch seine
Kriege mit dem Kaiser veranlaßt gegen das Reich um sich
greife: leicht könne derselbe sonst den Rheinstrom gewinnen.

Wir sehen wohl, diese ganze Combination, nach wel-
cher ein Fürst, dessen Macht auf außerdeutschen Verhältnis-
sen beruhte, die Krone inne hatte, und dadurch entweder,
wenn er stark und mächtig war, die Freiheit des Reiches
gefährdete, oder wenn er das nicht war, die Grenzprovin-

1 Berathschlagung sächsischer und brandenburgischer Räthe.
1557. (Berl. Arch.)
Zehntes Buch. Sechstes Capitel.

Als die Churfürſten zuerſt, doch nur im Allgemeinen,
Nachricht von dem Vorhaben der Übertragung des Reiches
erhielten, und zu einer Zuſammenkunft deshalb eingeladen
wurden, fürchteten ſie faſt, es werde nur von der Verwal-
tung die Rede ſeyn, und Carl werde ſich Titel und Krone
vorbehalten wollen.

Sie urtheilten daß dieß nicht genügen würde, und nicht
unmerkwürdig ſind die Gründe die Sachſen und Branden-
burg, die bei Gelegenheit einer feſtlichen Zuſammenkunft dar-
über beriethen, dagegen anführen. 1

Sie meinen, dann könne es dem Kaiſer unter verän-
derten Umſtänden wohl beikommen, die Verwaltung einmal
wieder zu ergreifen, Truppen ins Reich zu führen, einen Frem-
den zum Kaiſer zu machen, und die Churfürſten, die ihre
Stimme dazu nicht geben wollen, mit Gewalt zu erdrücken.

Oder im Gegentheil, wenn das nicht geſchehe, der Kai-
ſer nur den Namen führe und nicht das Amt verwalte, ſo
könne der Papſt daher Anlaß nehmen, die kaiſerliche Krone
auf Frankreich, wie er ohnehin wünſche, zu übertragen.

Überhaupt aber müſſe wo möglich der Gefahr ein Ende
gemacht werden, daß der König von Frankreich durch ſeine
Kriege mit dem Kaiſer veranlaßt gegen das Reich um ſich
greife: leicht könne derſelbe ſonſt den Rheinſtrom gewinnen.

Wir ſehen wohl, dieſe ganze Combination, nach wel-
cher ein Fürſt, deſſen Macht auf außerdeutſchen Verhältniſ-
ſen beruhte, die Krone inne hatte, und dadurch entweder,
wenn er ſtark und mächtig war, die Freiheit des Reiches
gefährdete, oder wenn er das nicht war, die Grenzprovin-

1 Berathſchlagung ſaͤchſiſcher und brandenburgiſcher Raͤthe.
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[414/0426] Zehntes Buch. Sechstes Capitel. Als die Churfürſten zuerſt, doch nur im Allgemeinen, Nachricht von dem Vorhaben der Übertragung des Reiches erhielten, und zu einer Zuſammenkunft deshalb eingeladen wurden, fürchteten ſie faſt, es werde nur von der Verwal- tung die Rede ſeyn, und Carl werde ſich Titel und Krone vorbehalten wollen. Sie urtheilten daß dieß nicht genügen würde, und nicht unmerkwürdig ſind die Gründe die Sachſen und Branden- burg, die bei Gelegenheit einer feſtlichen Zuſammenkunft dar- über beriethen, dagegen anführen. 1 Sie meinen, dann könne es dem Kaiſer unter verän- derten Umſtänden wohl beikommen, die Verwaltung einmal wieder zu ergreifen, Truppen ins Reich zu führen, einen Frem- den zum Kaiſer zu machen, und die Churfürſten, die ihre Stimme dazu nicht geben wollen, mit Gewalt zu erdrücken. Oder im Gegentheil, wenn das nicht geſchehe, der Kai- ſer nur den Namen führe und nicht das Amt verwalte, ſo könne der Papſt daher Anlaß nehmen, die kaiſerliche Krone auf Frankreich, wie er ohnehin wünſche, zu übertragen. Überhaupt aber müſſe wo möglich der Gefahr ein Ende gemacht werden, daß der König von Frankreich durch ſeine Kriege mit dem Kaiſer veranlaßt gegen das Reich um ſich greife: leicht könne derſelbe ſonſt den Rheinſtrom gewinnen. Wir ſehen wohl, dieſe ganze Combination, nach wel- cher ein Fürſt, deſſen Macht auf außerdeutſchen Verhältniſ- ſen beruhte, die Krone inne hatte, und dadurch entweder, wenn er ſtark und mächtig war, die Freiheit des Reiches gefährdete, oder wenn er das nicht war, die Grenzprovin- 1 Berathſchlagung ſaͤchſiſcher und brandenburgiſcher Raͤthe. 1557. (Berl. Arch.)

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 414. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/426>, abgerufen am 24.11.2024.