Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843.Zehntes Buch. Sechstes Capitel. ganze nationale Widerwille, der seiner Ankunft vorausgegan-gen, 1 dessen Ausbruch zu verhüten so viel Vorsicht nöthig gewesen; auch sein Name war durch die blutigen Executio- nen befleckt, als deren Beförderer er galt. Und dazu kam daß die Staatsverwaltung, die freilich seit 20 Jahren haupt- sächlich auf die geistlichen Einkünfte angewiesen war, jetzt da diese wegfielen, -- wie denn die Königin ihr Gewissen nur durch Zurückgabe aller der Krone zugefallenen Kirchengüter beruhigen zu können meinte, -- aus dem regelmäßigen Gange wich, drückende Maaßregeln ergriffen, Schulden gemacht, und dann doch die nöthigsten Zahlungen nicht geleistet wurden. Es trat ein Zustand ein, wo man nur noch in der Voraus- setzung gehorcht, die bestehende Regierung werde doch nicht lange dauern: wozu hier die schlechte Gesundheit Marias al- len Anlaß gab. Aller Augen richteten sich bereits auf die nächste Nachfolgerin, die Tochter Heinrichs von Anna Bo- len, Mylady Elisabeth. Welch ein Jubel empfieng sie, wenn sie während der Verfolgungen, die auch sie ihres Theils er- lebte, in den Straßen von London erschien, noch in der Blüthe der Jugend, aber angegriffen, bleich, geistvoll und stolz. Bald boten ihr die Mitglieder der vornehmsten Häuser wetteifernd ihre Dienste an; sie konnte als die Königin der Zukunft angesehen werden. 2 1 Micheli: Nell' intrinseco gli animi sono piu che mai al- terati, ma non ardiscono di mostrarsi, per la paura che hanno della perdita della vita e delli beni. 2 Micheli: non e alcuno del regno, ne cavaliere ne signore,
che non abbia procurato e procuri tuttavia o entrare nel suo ser- vitio o di metterle qualche suo figlivolo o fratello; tale e l'affet- tion e l'amore che gli vien portato. Aus den Depeschen von Noail- Zehntes Buch. Sechstes Capitel. ganze nationale Widerwille, der ſeiner Ankunft vorausgegan-gen, 1 deſſen Ausbruch zu verhüten ſo viel Vorſicht nöthig geweſen; auch ſein Name war durch die blutigen Executio- nen befleckt, als deren Beförderer er galt. Und dazu kam daß die Staatsverwaltung, die freilich ſeit 20 Jahren haupt- ſächlich auf die geiſtlichen Einkünfte angewieſen war, jetzt da dieſe wegfielen, — wie denn die Königin ihr Gewiſſen nur durch Zurückgabe aller der Krone zugefallenen Kirchengüter beruhigen zu können meinte, — aus dem regelmäßigen Gange wich, drückende Maaßregeln ergriffen, Schulden gemacht, und dann doch die nöthigſten Zahlungen nicht geleiſtet wurden. Es trat ein Zuſtand ein, wo man nur noch in der Voraus- ſetzung gehorcht, die beſtehende Regierung werde doch nicht lange dauern: wozu hier die ſchlechte Geſundheit Marias al- len Anlaß gab. Aller Augen richteten ſich bereits auf die nächſte Nachfolgerin, die Tochter Heinrichs von Anna Bo- len, Mylady Eliſabeth. Welch ein Jubel empfieng ſie, wenn ſie während der Verfolgungen, die auch ſie ihres Theils er- lebte, in den Straßen von London erſchien, noch in der Blüthe der Jugend, aber angegriffen, bleich, geiſtvoll und ſtolz. Bald boten ihr die Mitglieder der vornehmſten Häuſer wetteifernd ihre Dienſte an; ſie konnte als die Königin der Zukunft angeſehen werden. 2 1 Micheli: Nell’ intrinseco gli animi sono piu che mai al- terati, ma non ardiscono di mostrarsi, per la paura che hanno della perdita della vita e delli beni. 2 Micheli: non è alcuno del regno, nè cavaliere nè signore,
che non abbia procurato e procuri tuttavia o entrare nel suo ser- vitio o di metterle qualche suo figlivolo o fratello; tale è l’affet- tion e l’amore che gli vien portato. Aus den Depeſchen von Noail- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0412" n="400"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zehntes Buch. Sechstes Capitel</hi>.</fw><lb/> ganze nationale Widerwille, der ſeiner Ankunft vorausgegan-<lb/> gen, <note place="foot" n="1">Micheli: <hi rendition="#aq">Nell’ intrinseco gli animi sono piu che mai al-<lb/> terati, ma non ardiscono di mostrarsi, per la paura che hanno<lb/> della perdita della vita e delli beni.</hi></note> deſſen Ausbruch zu verhüten ſo viel Vorſicht nöthig<lb/> geweſen; auch ſein Name war durch die blutigen Executio-<lb/> nen befleckt, als deren Beförderer er galt. Und dazu kam<lb/> daß die Staatsverwaltung, die freilich ſeit 20 Jahren haupt-<lb/> ſächlich auf die geiſtlichen Einkünfte angewieſen war, jetzt da<lb/> dieſe wegfielen, — wie denn die Königin ihr Gewiſſen nur<lb/> durch Zurückgabe aller der Krone zugefallenen Kirchengüter<lb/> beruhigen zu können meinte, — aus dem regelmäßigen Gange<lb/> wich, drückende Maaßregeln ergriffen, Schulden gemacht, und<lb/> dann doch die nöthigſten Zahlungen nicht geleiſtet wurden.<lb/> Es trat ein Zuſtand ein, wo man nur noch in der Voraus-<lb/> ſetzung gehorcht, die beſtehende Regierung werde doch nicht<lb/> lange dauern: wozu hier die ſchlechte Geſundheit Marias al-<lb/> len Anlaß gab. Aller Augen richteten ſich bereits auf die<lb/> nächſte Nachfolgerin, die Tochter Heinrichs von Anna Bo-<lb/> len, Mylady Eliſabeth. Welch ein Jubel empfieng ſie, wenn<lb/> ſie während der Verfolgungen, die auch ſie ihres Theils er-<lb/> lebte, in den Straßen von London erſchien, noch in der<lb/> Blüthe der Jugend, aber angegriffen, bleich, geiſtvoll und<lb/> ſtolz. Bald boten ihr die Mitglieder der vornehmſten Häuſer<lb/> wetteifernd ihre Dienſte an; ſie konnte als die Königin der<lb/> Zukunft angeſehen werden. <note xml:id="seg2pn_25_1" next="#seg2pn_25_2" place="foot" n="2">Micheli: <hi rendition="#aq">non è alcuno del regno, nè cavaliere nè signore,<lb/> che non abbia procurato e procuri tuttavia o entrare nel suo ser-<lb/> vitio o di metterle qualche suo figlivolo o fratello; tale è l’affet-<lb/> tion e l’amore che gli vien portato.</hi> Aus den Depeſchen von Noail-</note></p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [400/0412]
Zehntes Buch. Sechstes Capitel.
ganze nationale Widerwille, der ſeiner Ankunft vorausgegan-
gen, 1 deſſen Ausbruch zu verhüten ſo viel Vorſicht nöthig
geweſen; auch ſein Name war durch die blutigen Executio-
nen befleckt, als deren Beförderer er galt. Und dazu kam
daß die Staatsverwaltung, die freilich ſeit 20 Jahren haupt-
ſächlich auf die geiſtlichen Einkünfte angewieſen war, jetzt da
dieſe wegfielen, — wie denn die Königin ihr Gewiſſen nur
durch Zurückgabe aller der Krone zugefallenen Kirchengüter
beruhigen zu können meinte, — aus dem regelmäßigen Gange
wich, drückende Maaßregeln ergriffen, Schulden gemacht, und
dann doch die nöthigſten Zahlungen nicht geleiſtet wurden.
Es trat ein Zuſtand ein, wo man nur noch in der Voraus-
ſetzung gehorcht, die beſtehende Regierung werde doch nicht
lange dauern: wozu hier die ſchlechte Geſundheit Marias al-
len Anlaß gab. Aller Augen richteten ſich bereits auf die
nächſte Nachfolgerin, die Tochter Heinrichs von Anna Bo-
len, Mylady Eliſabeth. Welch ein Jubel empfieng ſie, wenn
ſie während der Verfolgungen, die auch ſie ihres Theils er-
lebte, in den Straßen von London erſchien, noch in der
Blüthe der Jugend, aber angegriffen, bleich, geiſtvoll und
ſtolz. Bald boten ihr die Mitglieder der vornehmſten Häuſer
wetteifernd ihre Dienſte an; ſie konnte als die Königin der
Zukunft angeſehen werden. 2
1 Micheli: Nell’ intrinseco gli animi sono piu che mai al-
terati, ma non ardiscono di mostrarsi, per la paura che hanno
della perdita della vita e delli beni.
2 Micheli: non è alcuno del regno, nè cavaliere nè signore,
che non abbia procurato e procuri tuttavia o entrare nel suo ser-
vitio o di metterle qualche suo figlivolo o fratello; tale è l’affet-
tion e l’amore che gli vien portato. Aus den Depeſchen von Noail-
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