Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843.Zehntes Buch. Fünftes Capitel. nur selber verstattet ist, sich ungeirrt von fremder Einwir-kung zu entwickeln. Dieß war es wonach die evangelischen Fürsten vom ersten Augenblick an strebten. Unaufhörlich aber hatte man es ihnen streitig gemacht, und die gefährlichsten, allen Besitz umwälzenden Kriege hatten sie darüber bestan- den. Jetzt endlich gelangten sie zum Ziel: es ward ihnen ein unbedingter Friede gewährt. 1 Es mag nur wie ein leichtes Wort erscheinen, wenn Fortan war nicht mehr so viel daran gelegen, ob ein Auch waren es nicht einzelne Meinungen die man dul- Was Luther in dem ersten Moment seines Abfalls, bei Die Vergleichung in der Religion, die man noch in 1 Unter andern legte König Ferdinand bei seinen andern Ver-
weigerungen darauf den größten Werth: "so theten auch die vorigen Abschied nichts, denn sie weren temporal, dieser aber ewig." (9 Spt.) Zehntes Buch. Fuͤnftes Capitel. nur ſelber verſtattet iſt, ſich ungeirrt von fremder Einwir-kung zu entwickeln. Dieß war es wonach die evangeliſchen Fürſten vom erſten Augenblick an ſtrebten. Unaufhörlich aber hatte man es ihnen ſtreitig gemacht, und die gefährlichſten, allen Beſitz umwälzenden Kriege hatten ſie darüber beſtan- den. Jetzt endlich gelangten ſie zum Ziel: es ward ihnen ein unbedingter Friede gewährt. 1 Es mag nur wie ein leichtes Wort erſcheinen, wenn Fortan war nicht mehr ſo viel daran gelegen, ob ein Auch waren es nicht einzelne Meinungen die man dul- Was Luther in dem erſten Moment ſeines Abfalls, bei Die Vergleichung in der Religion, die man noch in 1 Unter andern legte Koͤnig Ferdinand bei ſeinen andern Ver-
weigerungen darauf den groͤßten Werth: „ſo theten auch die vorigen Abſchied nichts, denn ſie weren temporal, dieſer aber ewig.“ (9 Spt.) <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0402" n="390"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zehntes Buch. Fuͤnftes Capitel</hi>.</fw><lb/> nur ſelber verſtattet iſt, ſich ungeirrt von fremder Einwir-<lb/> kung zu entwickeln. Dieß war es wonach die evangeliſchen<lb/> Fürſten vom erſten Augenblick an ſtrebten. Unaufhörlich aber<lb/> hatte man es ihnen ſtreitig gemacht, und die gefährlichſten,<lb/> allen Beſitz umwälzenden Kriege hatten ſie darüber beſtan-<lb/> den. Jetzt endlich gelangten ſie zum Ziel: es ward ihnen<lb/> ein unbedingter Friede gewährt. <note place="foot" n="1">Unter andern legte Koͤnig Ferdinand bei ſeinen andern Ver-<lb/> weigerungen darauf den groͤßten Werth: „ſo theten auch die vorigen<lb/> Abſchied nichts, denn ſie weren temporal, dieſer aber ewig.“ (9 Spt.)</note></p><lb/> <p>Es mag nur wie ein leichtes Wort erſcheinen, wenn<lb/> es heißt: der Friede ſolle beſtehn, möge die Vergleichung er-<lb/> folgen oder nicht; aber darin liegt die Summe der Dinge,<lb/> die große Änderung der Verfaſſung.</p><lb/> <p>Fortan war nicht mehr ſo viel daran gelegen, ob ein<lb/> päpſtliches Concilium die Proteſtanten verdammte oder nicht:<lb/> kein Kaiſer, keine Partei in den Reichsſtänden konnte ferner<lb/> daran denken, die conciliaren Decrete mit Gewalt gegen ſie<lb/> auszuführen und Grund davon hernehmen ſie zu erdrücken.</p><lb/> <p>Auch waren es nicht einzelne Meinungen die man dul-<lb/> dete, wozu Carl <hi rendition="#aq">V</hi> ſich wohl entſchloſſen hätte, es war ein<lb/> ganzes Syſtem der Lehre und des Lebens, das zu eigener<lb/> ſelbſtändiger Entwickelung gedieh.</p><lb/> <p>Was Luther in dem erſten Moment ſeines Abfalls, bei<lb/> dem Colloquium von Leipzig in Anſpruch genommen, Unab-<lb/> hängigkeit von den Glaubensentſcheidungen wie des Papſtes<lb/> ſo auch der Concilien, das war nunmehr durchgeſetzt.</p><lb/> <p>Die Vergleichung in der Religion, die man noch in<lb/> Ausſicht ſtellte, und wohl auch verſuchte, hatte zwar noch im-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [390/0402]
Zehntes Buch. Fuͤnftes Capitel.
nur ſelber verſtattet iſt, ſich ungeirrt von fremder Einwir-
kung zu entwickeln. Dieß war es wonach die evangeliſchen
Fürſten vom erſten Augenblick an ſtrebten. Unaufhörlich aber
hatte man es ihnen ſtreitig gemacht, und die gefährlichſten,
allen Beſitz umwälzenden Kriege hatten ſie darüber beſtan-
den. Jetzt endlich gelangten ſie zum Ziel: es ward ihnen
ein unbedingter Friede gewährt. 1
Es mag nur wie ein leichtes Wort erſcheinen, wenn
es heißt: der Friede ſolle beſtehn, möge die Vergleichung er-
folgen oder nicht; aber darin liegt die Summe der Dinge,
die große Änderung der Verfaſſung.
Fortan war nicht mehr ſo viel daran gelegen, ob ein
päpſtliches Concilium die Proteſtanten verdammte oder nicht:
kein Kaiſer, keine Partei in den Reichsſtänden konnte ferner
daran denken, die conciliaren Decrete mit Gewalt gegen ſie
auszuführen und Grund davon hernehmen ſie zu erdrücken.
Auch waren es nicht einzelne Meinungen die man dul-
dete, wozu Carl V ſich wohl entſchloſſen hätte, es war ein
ganzes Syſtem der Lehre und des Lebens, das zu eigener
ſelbſtändiger Entwickelung gedieh.
Was Luther in dem erſten Moment ſeines Abfalls, bei
dem Colloquium von Leipzig in Anſpruch genommen, Unab-
hängigkeit von den Glaubensentſcheidungen wie des Papſtes
ſo auch der Concilien, das war nunmehr durchgeſetzt.
Die Vergleichung in der Religion, die man noch in
Ausſicht ſtellte, und wohl auch verſuchte, hatte zwar noch im-
1 Unter andern legte Koͤnig Ferdinand bei ſeinen andern Ver-
weigerungen darauf den groͤßten Werth: „ſo theten auch die vorigen
Abſchied nichts, denn ſie weren temporal, dieſer aber ewig.“ (9 Spt.)
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