nicht geradehin von sich: sie giengen auf die Hauptgrund- lagen ein, freilich mit dem Vorbehalt, so weit es ihre geist- liche Amtspflicht erlaube.
Merkwürdig welchen Eindruck sie durch diese Erinnerung wie durch jene frühere doch noch einmal bei ihren Amtsbrüdern den Erzbischöfen im Churfürstenrathe hervorbrachten. Es schien fast als wollten diese jetzt auf dieselbe Weise sich verclausuli- ren. Nicht von ihnen, meinten sie, rühre die Einwendung her: da sie aber einmal vorgebracht worden, würden sie ohne Tadel sich nicht weigern können ihr beizupflichten. Die weltlichen Rä- the erinnerten: sie rühre von Leuten her, die dem Papste mehr verwandt seyen als dem Reiche. Sie wollten nichts davon hören, daß jene sich wenigstens Zeit ausbaten, um von ihren Herrn Bescheid über diese neue Schwierigkeit einzuholen; dann, sagten sie, würden auch sie Resolution von den ihren verlangen, bis wohin dann jede weitere Berathung unter- bleiben müsse; sie hatten den Muth die Sitzung ohne Wei- teres abzubrechen. Denn das leuchtete im ersten Augenblicke ein, daß unter einem solchen Vorbehalt, der dem Einfluß des römischen Stuhles, auf den er sich hauptsächlich bezog, Thür und Thor geöffnet hätte, an keine Beendigung des re- ligiösen Streites, keine Festsetzung des Friedens zu denken gewesen wäre. Was der Kaiser schon nicht bewilligen wol- len, war von dem Papst nimmermehr zu erwarten. Wohl fühlten das auch die geistlichen Räthe: sie bereuten ihren Mißgriff fast in demselben Augenblick, in dem sie ihn began- gen. Schon indem man nach Hause gieng, näherten sich einige von ihnen den brandenburgischen Gesandten mit be- gütigenden Worten. Bald darauf erschien der mainzische
Zehntes Buch. Fuͤnftes Capitel.
nicht geradehin von ſich: ſie giengen auf die Hauptgrund- lagen ein, freilich mit dem Vorbehalt, ſo weit es ihre geiſt- liche Amtspflicht erlaube.
Merkwürdig welchen Eindruck ſie durch dieſe Erinnerung wie durch jene frühere doch noch einmal bei ihren Amtsbrüdern den Erzbiſchöfen im Churfürſtenrathe hervorbrachten. Es ſchien faſt als wollten dieſe jetzt auf dieſelbe Weiſe ſich verclauſuli- ren. Nicht von ihnen, meinten ſie, rühre die Einwendung her: da ſie aber einmal vorgebracht worden, würden ſie ohne Tadel ſich nicht weigern können ihr beizupflichten. Die weltlichen Rä- the erinnerten: ſie rühre von Leuten her, die dem Papſte mehr verwandt ſeyen als dem Reiche. Sie wollten nichts davon hören, daß jene ſich wenigſtens Zeit ausbaten, um von ihren Herrn Beſcheid über dieſe neue Schwierigkeit einzuholen; dann, ſagten ſie, würden auch ſie Reſolution von den ihren verlangen, bis wohin dann jede weitere Berathung unter- bleiben müſſe; ſie hatten den Muth die Sitzung ohne Wei- teres abzubrechen. Denn das leuchtete im erſten Augenblicke ein, daß unter einem ſolchen Vorbehalt, der dem Einfluß des römiſchen Stuhles, auf den er ſich hauptſächlich bezog, Thür und Thor geöffnet hätte, an keine Beendigung des re- ligiöſen Streites, keine Feſtſetzung des Friedens zu denken geweſen wäre. Was der Kaiſer ſchon nicht bewilligen wol- len, war von dem Papſt nimmermehr zu erwarten. Wohl fühlten das auch die geiſtlichen Räthe: ſie bereuten ihren Mißgriff faſt in demſelben Augenblick, in dem ſie ihn began- gen. Schon indem man nach Hauſe gieng, näherten ſich einige von ihnen den brandenburgiſchen Geſandten mit be- gütigenden Worten. Bald darauf erſchien der mainziſche
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Zehntes Buch. Fuͤnftes Capitel.
nicht geradehin von ſich: ſie giengen auf die Hauptgrund-
lagen ein, freilich mit dem Vorbehalt, ſo weit es ihre geiſt-
liche Amtspflicht erlaube.
Merkwürdig welchen Eindruck ſie durch dieſe Erinnerung
wie durch jene frühere doch noch einmal bei ihren Amtsbrüdern
den Erzbiſchöfen im Churfürſtenrathe hervorbrachten. Es ſchien
faſt als wollten dieſe jetzt auf dieſelbe Weiſe ſich verclauſuli-
ren. Nicht von ihnen, meinten ſie, rühre die Einwendung her:
da ſie aber einmal vorgebracht worden, würden ſie ohne Tadel
ſich nicht weigern können ihr beizupflichten. Die weltlichen Rä-
the erinnerten: ſie rühre von Leuten her, die dem Papſte mehr
verwandt ſeyen als dem Reiche. Sie wollten nichts davon
hören, daß jene ſich wenigſtens Zeit ausbaten, um von ihren
Herrn Beſcheid über dieſe neue Schwierigkeit einzuholen;
dann, ſagten ſie, würden auch ſie Reſolution von den ihren
verlangen, bis wohin dann jede weitere Berathung unter-
bleiben müſſe; ſie hatten den Muth die Sitzung ohne Wei-
teres abzubrechen. Denn das leuchtete im erſten Augenblicke
ein, daß unter einem ſolchen Vorbehalt, der dem Einfluß
des römiſchen Stuhles, auf den er ſich hauptſächlich bezog,
Thür und Thor geöffnet hätte, an keine Beendigung des re-
ligiöſen Streites, keine Feſtſetzung des Friedens zu denken
geweſen wäre. Was der Kaiſer ſchon nicht bewilligen wol-
len, war von dem Papſt nimmermehr zu erwarten. Wohl
fühlten das auch die geiſtlichen Räthe: ſie bereuten ihren
Mißgriff faſt in demſelben Augenblick, in dem ſie ihn began-
gen. Schon indem man nach Hauſe gieng, näherten ſich
einige von ihnen den brandenburgiſchen Geſandten mit be-
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 366. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/378>, abgerufen am 24.11.2024.
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