Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite
Markgraf Albrecht von Brandenburg.

Überhaupt standen seine Gedanken ihm hoch. Er hat
einst der Thronerbin von England seine Hand angeboten. 1
Er soll sich einst gerühmt haben, er werde noch König von
Böhmen werden. Er dachte an die Nachwelt, und ich möchte
es ihm so übel nicht nehmen, wenn ihn ungünstige Dar-
stellungen seiner Thaten, wie bei Avila oder auch bei Slei-
dan, verstimmten.

Der Widerstreit von Armuth und Kriegslust, Dienstver-
hältniß und Stolz, Recht und Gewalt, worin er lebte, und die
Übertäubung jener innern Stimme die er doch immer hörte,
gaben seinem ganzen Wesen einen Beigeschmack von Wild-
heit, der sich denn fortan an seinen Namen geknüpft hat.

Furchtbar anzusehen ritt er an der Spitze seines Hau-
fens daher: im Panzerhemd, eine Büchse und ein paar Faust-
kolben an seiner Seite; Sommersprossen und ein rother Bart
bedeckten sein männliches Angesicht; weithin wallte sein blon-
des Haupthaar; er nahm wohl selbst eine Fackel zur Hand,
um das nächste Dorf seiner Feinde anzuzünden.

Das war nun einmal noch der barbarische Gebrauch
dieser Zeiten.

Merkwürdig: bei alle dem hieng das gemeine Volk ihm
an. Er war ein Character, dem man seine Fehler nachsieht,
weil man sie von keiner Bosheit herleitet. In dem Hasse
gegen die geistlichen Machthaber traf er mit den populären
Leidenschaften zusammen. Er wußte das sehr wohl und
trotzte darauf.

Jetzt war er wieder vollkommen Protestant. Seine An-
wesenheit im Calenbergischen bezeichnete er damit, daß er die

1 Er ist es doch gewiß, auf welchen sich die Nachricht bei
Strype (Eccl. Mem. II, 374) bezieht.
Markgraf Albrecht von Brandenburg.

Überhaupt ſtanden ſeine Gedanken ihm hoch. Er hat
einſt der Thronerbin von England ſeine Hand angeboten. 1
Er ſoll ſich einſt gerühmt haben, er werde noch König von
Böhmen werden. Er dachte an die Nachwelt, und ich möchte
es ihm ſo übel nicht nehmen, wenn ihn ungünſtige Dar-
ſtellungen ſeiner Thaten, wie bei Avila oder auch bei Slei-
dan, verſtimmten.

Der Widerſtreit von Armuth und Kriegsluſt, Dienſtver-
hältniß und Stolz, Recht und Gewalt, worin er lebte, und die
Übertäubung jener innern Stimme die er doch immer hörte,
gaben ſeinem ganzen Weſen einen Beigeſchmack von Wild-
heit, der ſich denn fortan an ſeinen Namen geknüpft hat.

Furchtbar anzuſehen ritt er an der Spitze ſeines Hau-
fens daher: im Panzerhemd, eine Büchſe und ein paar Fauſt-
kolben an ſeiner Seite; Sommerſproſſen und ein rother Bart
bedeckten ſein männliches Angeſicht; weithin wallte ſein blon-
des Haupthaar; er nahm wohl ſelbſt eine Fackel zur Hand,
um das nächſte Dorf ſeiner Feinde anzuzünden.

Das war nun einmal noch der barbariſche Gebrauch
dieſer Zeiten.

Merkwürdig: bei alle dem hieng das gemeine Volk ihm
an. Er war ein Character, dem man ſeine Fehler nachſieht,
weil man ſie von keiner Bosheit herleitet. In dem Haſſe
gegen die geiſtlichen Machthaber traf er mit den populären
Leidenſchaften zuſammen. Er wußte das ſehr wohl und
trotzte darauf.

Jetzt war er wieder vollkommen Proteſtant. Seine An-
weſenheit im Calenbergiſchen bezeichnete er damit, daß er die

1 Er iſt es doch gewiß, auf welchen ſich die Nachricht bei
Strype (Eccl. Mem. II, 374) bezieht.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0331" n="319"/>
          <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Markgraf Albrecht von Brandenburg</hi>.</fw><lb/>
          <p>Überhaupt &#x017F;tanden &#x017F;eine Gedanken ihm hoch. Er hat<lb/>
ein&#x017F;t der Thronerbin von England &#x017F;eine Hand angeboten. <note place="foot" n="1">Er i&#x017F;t es doch gewiß, auf welchen &#x017F;ich die Nachricht bei<lb/>
Strype (<hi rendition="#aq">Eccl. Mem. II,</hi> 374) bezieht.</note><lb/>
Er &#x017F;oll &#x017F;ich ein&#x017F;t gerühmt haben, er werde noch König von<lb/>
Böhmen werden. Er dachte an die Nachwelt, und ich möchte<lb/>
es ihm &#x017F;o übel nicht nehmen, wenn ihn ungün&#x017F;tige Dar-<lb/>
&#x017F;tellungen &#x017F;einer Thaten, wie bei Avila oder auch bei Slei-<lb/>
dan, ver&#x017F;timmten.</p><lb/>
          <p>Der Wider&#x017F;treit von Armuth und Kriegslu&#x017F;t, Dien&#x017F;tver-<lb/>
hältniß und Stolz, Recht und Gewalt, worin er lebte, und die<lb/>
Übertäubung jener innern Stimme die er doch immer hörte,<lb/>
gaben &#x017F;einem ganzen We&#x017F;en einen Beige&#x017F;chmack von Wild-<lb/>
heit, der &#x017F;ich denn fortan an &#x017F;einen Namen geknüpft hat.</p><lb/>
          <p>Furchtbar anzu&#x017F;ehen ritt er an der Spitze &#x017F;eines Hau-<lb/>
fens daher: im Panzerhemd, eine Büch&#x017F;e und ein paar Fau&#x017F;t-<lb/>
kolben an &#x017F;einer Seite; Sommer&#x017F;pro&#x017F;&#x017F;en und ein rother Bart<lb/>
bedeckten &#x017F;ein männliches Ange&#x017F;icht; weithin wallte &#x017F;ein blon-<lb/>
des Haupthaar; er nahm wohl &#x017F;elb&#x017F;t eine Fackel zur Hand,<lb/>
um das näch&#x017F;te Dorf &#x017F;einer Feinde anzuzünden.</p><lb/>
          <p>Das war nun einmal noch der barbari&#x017F;che Gebrauch<lb/>
die&#x017F;er Zeiten.</p><lb/>
          <p>Merkwürdig: bei alle dem hieng das gemeine Volk ihm<lb/>
an. Er war ein Character, dem man &#x017F;eine Fehler nach&#x017F;ieht,<lb/>
weil man &#x017F;ie von keiner Bosheit herleitet. In dem Ha&#x017F;&#x017F;e<lb/>
gegen die gei&#x017F;tlichen Machthaber traf er mit den populären<lb/>
Leiden&#x017F;chaften zu&#x017F;ammen. Er wußte das &#x017F;ehr wohl und<lb/>
trotzte darauf.</p><lb/>
          <p>Jetzt war er wieder vollkommen Prote&#x017F;tant. Seine An-<lb/>
we&#x017F;enheit im Calenbergi&#x017F;chen bezeichnete er damit, daß er die<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[319/0331] Markgraf Albrecht von Brandenburg. Überhaupt ſtanden ſeine Gedanken ihm hoch. Er hat einſt der Thronerbin von England ſeine Hand angeboten. 1 Er ſoll ſich einſt gerühmt haben, er werde noch König von Böhmen werden. Er dachte an die Nachwelt, und ich möchte es ihm ſo übel nicht nehmen, wenn ihn ungünſtige Dar- ſtellungen ſeiner Thaten, wie bei Avila oder auch bei Slei- dan, verſtimmten. Der Widerſtreit von Armuth und Kriegsluſt, Dienſtver- hältniß und Stolz, Recht und Gewalt, worin er lebte, und die Übertäubung jener innern Stimme die er doch immer hörte, gaben ſeinem ganzen Weſen einen Beigeſchmack von Wild- heit, der ſich denn fortan an ſeinen Namen geknüpft hat. Furchtbar anzuſehen ritt er an der Spitze ſeines Hau- fens daher: im Panzerhemd, eine Büchſe und ein paar Fauſt- kolben an ſeiner Seite; Sommerſproſſen und ein rother Bart bedeckten ſein männliches Angeſicht; weithin wallte ſein blon- des Haupthaar; er nahm wohl ſelbſt eine Fackel zur Hand, um das nächſte Dorf ſeiner Feinde anzuzünden. Das war nun einmal noch der barbariſche Gebrauch dieſer Zeiten. Merkwürdig: bei alle dem hieng das gemeine Volk ihm an. Er war ein Character, dem man ſeine Fehler nachſieht, weil man ſie von keiner Bosheit herleitet. In dem Haſſe gegen die geiſtlichen Machthaber traf er mit den populären Leidenſchaften zuſammen. Er wußte das ſehr wohl und trotzte darauf. Jetzt war er wieder vollkommen Proteſtant. Seine An- weſenheit im Calenbergiſchen bezeichnete er damit, daß er die 1 Er iſt es doch gewiß, auf welchen ſich die Nachricht bei Strype (Eccl. Mem. II, 374) bezieht.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/331
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/331>, abgerufen am 22.11.2024.