Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

Zehntes Buch. Zweites Capitel.
wärtigen Verhältnissen nur geringe Aufmerksamkeit widmete.
Obwohl der Krieg mit den beiden Widersachern schon aus-
gebrochen war, hatte er doch versäumt, die westlichen Mar-
ken des Reiches in Vertheidigungsstand zu setzen, und seinen
Bruder gegen einen Einfall in Ungarn zu sichern.

Kriegsheere des Kaisers oder des Königs sind von den
Protestanten keinen Augenblick beschäftigt worden.

Fern von ihrer Einwirkung, in Italien, gerieth der Kai-
ser in ähnliche Nachtheile.

Die italienischen Verhältnisse haben in so weit eine ge-
wisse Ähnlichkeit mit den deutschen, als der andauernde stille
Druck, mit dem auch dort die kaiserliche Oberherrschaft aus-
geübt ward, eben so wohl einen geheimen Widerstand erweckte,
der nur den geeigneten Augenblick erwartete um loszubrechen.

Wie die Farnesen Piacenza verloren, so waren die Ap-
piani in Gefahr, Piombino und Elba an Herzog Cosimo
abtreten zu müssen. Dagegen erwarteten dessen Feinde, die
florentinischen Ausgewanderten, zu einem Theil in Venedig,
zum andern in Frankreich aufgenommen, in Kurzem den Tag
ihrer Rückkehr zu erleben. In Mailand entdeckte Ferdinand
Gonzaga mehr als einmal verrätherische Versuche, die er dann
mit scharfer, aber aufreizender Überwachung erwiederte. In
Genua suchte Luigi Alamanni, der in einem großen Helden-
gedicht französische Tendenzen und Namen verherrlichte, auch
einmal die Anhänger Frankreichs zu vereinigen. In Neapel
entzweite sich das Oberhaupt des einheimischen Herrenstandes,
Fürst Ferrante von Salerno, mit dem Vicekönig: und da er
glaubte, man stehe ihm nach dem Leben, so verließ er das
Land: nicht ohne den Gedanken, mit Gewalt zurückzukehren.


Zehntes Buch. Zweites Capitel.
wärtigen Verhältniſſen nur geringe Aufmerkſamkeit widmete.
Obwohl der Krieg mit den beiden Widerſachern ſchon aus-
gebrochen war, hatte er doch verſäumt, die weſtlichen Mar-
ken des Reiches in Vertheidigungsſtand zu ſetzen, und ſeinen
Bruder gegen einen Einfall in Ungarn zu ſichern.

Kriegsheere des Kaiſers oder des Königs ſind von den
Proteſtanten keinen Augenblick beſchäftigt worden.

Fern von ihrer Einwirkung, in Italien, gerieth der Kai-
ſer in ähnliche Nachtheile.

Die italieniſchen Verhältniſſe haben in ſo weit eine ge-
wiſſe Ähnlichkeit mit den deutſchen, als der andauernde ſtille
Druck, mit dem auch dort die kaiſerliche Oberherrſchaft aus-
geübt ward, eben ſo wohl einen geheimen Widerſtand erweckte,
der nur den geeigneten Augenblick erwartete um loszubrechen.

Wie die Farneſen Piacenza verloren, ſo waren die Ap-
piani in Gefahr, Piombino und Elba an Herzog Coſimo
abtreten zu müſſen. Dagegen erwarteten deſſen Feinde, die
florentiniſchen Ausgewanderten, zu einem Theil in Venedig,
zum andern in Frankreich aufgenommen, in Kurzem den Tag
ihrer Rückkehr zu erleben. In Mailand entdeckte Ferdinand
Gonzaga mehr als einmal verrätheriſche Verſuche, die er dann
mit ſcharfer, aber aufreizender Überwachung erwiederte. In
Genua ſuchte Luigi Alamanni, der in einem großen Helden-
gedicht franzöſiſche Tendenzen und Namen verherrlichte, auch
einmal die Anhänger Frankreichs zu vereinigen. In Neapel
entzweite ſich das Oberhaupt des einheimiſchen Herrenſtandes,
Fürſt Ferrante von Salerno, mit dem Vicekönig: und da er
glaubte, man ſtehe ihm nach dem Leben, ſo verließ er das
Land: nicht ohne den Gedanken, mit Gewalt zurückzukehren.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0306" n="294"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zehntes Buch. Zweites Capitel</hi>.</fw><lb/>
wärtigen Verhältni&#x017F;&#x017F;en nur geringe Aufmerk&#x017F;amkeit widmete.<lb/>
Obwohl der Krieg mit den beiden Wider&#x017F;achern &#x017F;chon aus-<lb/>
gebrochen war, hatte er doch ver&#x017F;äumt, die we&#x017F;tlichen Mar-<lb/>
ken des Reiches in Vertheidigungs&#x017F;tand zu &#x017F;etzen, und &#x017F;einen<lb/>
Bruder gegen einen Einfall in Ungarn zu &#x017F;ichern.</p><lb/>
          <p>Kriegsheere des Kai&#x017F;ers oder des Königs &#x017F;ind von den<lb/>
Prote&#x017F;tanten keinen Augenblick be&#x017F;chäftigt worden.</p><lb/>
          <p>Fern von ihrer Einwirkung, in Italien, gerieth der Kai-<lb/>
&#x017F;er in ähnliche Nachtheile.</p><lb/>
          <p>Die italieni&#x017F;chen Verhältni&#x017F;&#x017F;e haben in &#x017F;o weit eine ge-<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;e Ähnlichkeit mit den deut&#x017F;chen, als der andauernde &#x017F;tille<lb/>
Druck, mit dem auch dort die kai&#x017F;erliche Oberherr&#x017F;chaft aus-<lb/>
geübt ward, eben &#x017F;o wohl einen geheimen Wider&#x017F;tand erweckte,<lb/>
der nur den geeigneten Augenblick erwartete um loszubrechen.</p><lb/>
          <p>Wie die Farne&#x017F;en Piacenza verloren, &#x017F;o waren die Ap-<lb/>
piani in Gefahr, Piombino und Elba an Herzog Co&#x017F;imo<lb/>
abtreten zu mü&#x017F;&#x017F;en. Dagegen erwarteten de&#x017F;&#x017F;en Feinde, die<lb/>
florentini&#x017F;chen Ausgewanderten, zu einem Theil in Venedig,<lb/>
zum andern in Frankreich aufgenommen, in Kurzem den Tag<lb/>
ihrer Rückkehr zu erleben. In Mailand entdeckte Ferdinand<lb/>
Gonzaga mehr als einmal verrätheri&#x017F;che Ver&#x017F;uche, die er dann<lb/>
mit &#x017F;charfer, aber aufreizender Überwachung erwiederte. In<lb/>
Genua &#x017F;uchte Luigi Alamanni, der in einem großen Helden-<lb/>
gedicht franzö&#x017F;i&#x017F;che Tendenzen und Namen verherrlichte, auch<lb/>
einmal die Anhänger Frankreichs zu vereinigen. In Neapel<lb/>
entzweite &#x017F;ich das Oberhaupt des einheimi&#x017F;chen Herren&#x017F;tandes,<lb/>
Für&#x017F;t Ferrante von Salerno, mit dem Vicekönig: und da er<lb/>
glaubte, man &#x017F;tehe ihm nach dem Leben, &#x017F;o verließ er das<lb/>
Land: nicht ohne den Gedanken, mit Gewalt zurückzukehren.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[294/0306] Zehntes Buch. Zweites Capitel. wärtigen Verhältniſſen nur geringe Aufmerkſamkeit widmete. Obwohl der Krieg mit den beiden Widerſachern ſchon aus- gebrochen war, hatte er doch verſäumt, die weſtlichen Mar- ken des Reiches in Vertheidigungsſtand zu ſetzen, und ſeinen Bruder gegen einen Einfall in Ungarn zu ſichern. Kriegsheere des Kaiſers oder des Königs ſind von den Proteſtanten keinen Augenblick beſchäftigt worden. Fern von ihrer Einwirkung, in Italien, gerieth der Kai- ſer in ähnliche Nachtheile. Die italieniſchen Verhältniſſe haben in ſo weit eine ge- wiſſe Ähnlichkeit mit den deutſchen, als der andauernde ſtille Druck, mit dem auch dort die kaiſerliche Oberherrſchaft aus- geübt ward, eben ſo wohl einen geheimen Widerſtand erweckte, der nur den geeigneten Augenblick erwartete um loszubrechen. Wie die Farneſen Piacenza verloren, ſo waren die Ap- piani in Gefahr, Piombino und Elba an Herzog Coſimo abtreten zu müſſen. Dagegen erwarteten deſſen Feinde, die florentiniſchen Ausgewanderten, zu einem Theil in Venedig, zum andern in Frankreich aufgenommen, in Kurzem den Tag ihrer Rückkehr zu erleben. In Mailand entdeckte Ferdinand Gonzaga mehr als einmal verrätheriſche Verſuche, die er dann mit ſcharfer, aber aufreizender Überwachung erwiederte. In Genua ſuchte Luigi Alamanni, der in einem großen Helden- gedicht franzöſiſche Tendenzen und Namen verherrlichte, auch einmal die Anhänger Frankreichs zu vereinigen. In Neapel entzweite ſich das Oberhaupt des einheimiſchen Herrenſtandes, Fürſt Ferrante von Salerno, mit dem Vicekönig: und da er glaubte, man ſtehe ihm nach dem Leben, ſo verließ er das Land: nicht ohne den Gedanken, mit Gewalt zurückzukehren.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/306
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/306>, abgerufen am 19.05.2024.