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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843.

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Vertrag zu Passau.

In diesem Augenblick trafen die Abgeordneten mit dem nach
der kaiserlichen Anweisung veränderten Friedensentwurf ein.

Wäre Moritz Herr von Frankfurt gewesen, wer weiß
ob er den Vertrag angenommen hätte. Aber er war es
nicht; auch an vielen andern Stellen hielt sich die kaiserliche
Macht: wenn er den Vertrag abschlug, so hatte er Achts-
erklärung und die unbedingte Herstellung seines Vetters Jo-
hann Friedrich zu erwarten; 1 er mußte einen neuen Krieg
auf Leben und Tod bestehen. Nahm er dagegen den Ver-
trag an, so ward der Landgraf befreit, was ihn einer
schweren persönlichen Verpflichtung überhob; nicht unbedeu-
tende andere Zugeständnisse, wenn auch nicht die letzten die
er gefordert, traten in Wirksamkeit; für die Sicherheit sei-
ner Erwerbungen war es von dem größten Werthe, wenn
er sie zunächst auch unter einer veränderten Ordnung der
der Dinge unangefochten behauptete. Seinem Bunde mit
dem König von Frankreich entsprach es zwar nicht; aber er
wußte sehr wohl daß er darüber mit demselben doch nicht
zerfallen würde. Nach einigem Bedenken nahm er am 29sten
Juli den Vertrag an; zu Rödelheim bei Frankfurt ist die
Originalurkunde, welche die Abgeordneten Ferdinands mit-
gebracht hatten, von Moritz, den jungen Landgrafen und
Johann Albrecht untersiegelt worden. 2


1 In Passau hatte Johann Friedrich, nicht aus eigner Bewe-
gung sondern auf Antrieb des Kaisers, bei den Versammelten anfra-
gen lassen: -- er erzählt es selbst in der Proposition auf dem Land-
tag zu Saalfeld (Hortleder II, iii, c. 87, nr 7): "was wir uns aufm
Fall, da unser Vetter Herzog Moritz geächtigt würde und wir un-
ser Land wider einnehmen sollten, vor Hülf und Zusatz bei iren Lieb-
den zu versehen."
2 Adam Trott an den Churf. von Brandenburg, Sonntag
18*
Vertrag zu Paſſau.

In dieſem Augenblick trafen die Abgeordneten mit dem nach
der kaiſerlichen Anweiſung veränderten Friedensentwurf ein.

Wäre Moritz Herr von Frankfurt geweſen, wer weiß
ob er den Vertrag angenommen hätte. Aber er war es
nicht; auch an vielen andern Stellen hielt ſich die kaiſerliche
Macht: wenn er den Vertrag abſchlug, ſo hatte er Achts-
erklärung und die unbedingte Herſtellung ſeines Vetters Jo-
hann Friedrich zu erwarten; 1 er mußte einen neuen Krieg
auf Leben und Tod beſtehen. Nahm er dagegen den Ver-
trag an, ſo ward der Landgraf befreit, was ihn einer
ſchweren perſönlichen Verpflichtung überhob; nicht unbedeu-
tende andere Zugeſtändniſſe, wenn auch nicht die letzten die
er gefordert, traten in Wirkſamkeit; für die Sicherheit ſei-
ner Erwerbungen war es von dem größten Werthe, wenn
er ſie zunächſt auch unter einer veränderten Ordnung der
der Dinge unangefochten behauptete. Seinem Bunde mit
dem König von Frankreich entſprach es zwar nicht; aber er
wußte ſehr wohl daß er darüber mit demſelben doch nicht
zerfallen würde. Nach einigem Bedenken nahm er am 29ſten
Juli den Vertrag an; zu Rödelheim bei Frankfurt iſt die
Originalurkunde, welche die Abgeordneten Ferdinands mit-
gebracht hatten, von Moritz, den jungen Landgrafen und
Johann Albrecht unterſiegelt worden. 2


1 In Paſſau hatte Johann Friedrich, nicht aus eigner Bewe-
gung ſondern auf Antrieb des Kaiſers, bei den Verſammelten anfra-
gen laſſen: — er erzaͤhlt es ſelbſt in der Propoſition auf dem Land-
tag zu Saalfeld (Hortleder II, iii, c. 87, nr 7): „was wir uns aufm
Fall, da unſer Vetter Herzog Moritz geaͤchtigt wuͤrde und wir un-
ſer Land wider einnehmen ſollten, vor Huͤlf und Zuſatz bei iren Lieb-
den zu verſehen.“
2 Adam Trott an den Churf. von Brandenburg, Sonntag
18*
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[275/0287] Vertrag zu Paſſau. In dieſem Augenblick trafen die Abgeordneten mit dem nach der kaiſerlichen Anweiſung veränderten Friedensentwurf ein. Wäre Moritz Herr von Frankfurt geweſen, wer weiß ob er den Vertrag angenommen hätte. Aber er war es nicht; auch an vielen andern Stellen hielt ſich die kaiſerliche Macht: wenn er den Vertrag abſchlug, ſo hatte er Achts- erklärung und die unbedingte Herſtellung ſeines Vetters Jo- hann Friedrich zu erwarten; 1 er mußte einen neuen Krieg auf Leben und Tod beſtehen. Nahm er dagegen den Ver- trag an, ſo ward der Landgraf befreit, was ihn einer ſchweren perſönlichen Verpflichtung überhob; nicht unbedeu- tende andere Zugeſtändniſſe, wenn auch nicht die letzten die er gefordert, traten in Wirkſamkeit; für die Sicherheit ſei- ner Erwerbungen war es von dem größten Werthe, wenn er ſie zunächſt auch unter einer veränderten Ordnung der der Dinge unangefochten behauptete. Seinem Bunde mit dem König von Frankreich entſprach es zwar nicht; aber er wußte ſehr wohl daß er darüber mit demſelben doch nicht zerfallen würde. Nach einigem Bedenken nahm er am 29ſten Juli den Vertrag an; zu Rödelheim bei Frankfurt iſt die Originalurkunde, welche die Abgeordneten Ferdinands mit- gebracht hatten, von Moritz, den jungen Landgrafen und Johann Albrecht unterſiegelt worden. 2 1 In Paſſau hatte Johann Friedrich, nicht aus eigner Bewe- gung ſondern auf Antrieb des Kaiſers, bei den Verſammelten anfra- gen laſſen: — er erzaͤhlt es ſelbſt in der Propoſition auf dem Land- tag zu Saalfeld (Hortleder II, iii, c. 87, nr 7): „was wir uns aufm Fall, da unſer Vetter Herzog Moritz geaͤchtigt wuͤrde und wir un- ſer Land wider einnehmen ſollten, vor Huͤlf und Zuſatz bei iren Lieb- den zu verſehen.“ 2 Adam Trott an den Churf. von Brandenburg, Sonntag 18*

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/287>, abgerufen am 27.11.2024.