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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843.

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Neuntes Buch. Erstes Capitel.
worfen seyn solle: eine Reformation an Haupt und Glie-
dern brachten sie aufs neue in Anregung. Und noch leb-
hafter drückten sich die Städte aus. Die Entscheidung über
die streitigen Artikel dürfe mit nichten Sr Hoheit dem Papst
(das Wort Heiligkeit vermieden sie) und den Anhängern
desselben überlassen, sie müsse frommen, gelehrten, gottesfürch-
tigen und von allen Ständen dazu auserwählten Perso-
nen, die von jeder Verpflichtung befreit worden, anheim-
gestellt werden. 1

Auf Forderungen dieser Art konnte und mochte Carl V
nun zwar in diesem Augenblicke nicht eingehn. Auf keinen
Fall aber war ihm ein Bestreben zuwider, das auf eine Er-
höhung der kaiserlichen Gewalt und eine Einschränkung der-
jenigen zielte, mit der er alle seine Tage zu kämpfen gehabt
und so eben wieder in heftige Irrungen verwickelt war. Am
Reichstag verlautete das Wort, daß der Kaiser Präsident
des Conciliums seyn müsse, nicht der Papst. In den Reichs-
beschlüssen war von keinem Vorbehalt päpstlicher Einwilli-
gung die Rede; 2 der Kaiser versprach in seinem eignen Na-
men, daß das Concilium in Trient gehalten, und die ganze
Tractation -- er bediente sich hiebei der Ausdrücke, die die
weltlichen Churfürsten gebraucht und die auf die ältesten
Schlüsse in dieser Sache zurückwiesen -- gottselig, christlich,
nach göttlicher und der alten Väter heiliger Lehre und Schrift
vorgenommen und zu Ende geführt werden solle. Die wei-
tern Anträge der Churfürsten verwarf er doch nicht geradezu:
er bat nur auch in dieser Hinsicht um das volle Vertrauen
der Stände.


1 Städtisches Gutachten bei Sastrow 143.
2 Wie sich Sfondrato beschwert, Pallav. X, vi, 121.

Neuntes Buch. Erſtes Capitel.
worfen ſeyn ſolle: eine Reformation an Haupt und Glie-
dern brachten ſie aufs neue in Anregung. Und noch leb-
hafter drückten ſich die Städte aus. Die Entſcheidung über
die ſtreitigen Artikel dürfe mit nichten Sr Hoheit dem Papſt
(das Wort Heiligkeit vermieden ſie) und den Anhängern
deſſelben überlaſſen, ſie müſſe frommen, gelehrten, gottesfürch-
tigen und von allen Ständen dazu auserwählten Perſo-
nen, die von jeder Verpflichtung befreit worden, anheim-
geſtellt werden. 1

Auf Forderungen dieſer Art konnte und mochte Carl V
nun zwar in dieſem Augenblicke nicht eingehn. Auf keinen
Fall aber war ihm ein Beſtreben zuwider, das auf eine Er-
höhung der kaiſerlichen Gewalt und eine Einſchränkung der-
jenigen zielte, mit der er alle ſeine Tage zu kämpfen gehabt
und ſo eben wieder in heftige Irrungen verwickelt war. Am
Reichstag verlautete das Wort, daß der Kaiſer Präſident
des Conciliums ſeyn müſſe, nicht der Papſt. In den Reichs-
beſchlüſſen war von keinem Vorbehalt päpſtlicher Einwilli-
gung die Rede; 2 der Kaiſer verſprach in ſeinem eignen Na-
men, daß das Concilium in Trient gehalten, und die ganze
Tractation — er bediente ſich hiebei der Ausdrücke, die die
weltlichen Churfürſten gebraucht und die auf die älteſten
Schlüſſe in dieſer Sache zurückwieſen — gottſelig, chriſtlich,
nach göttlicher und der alten Väter heiliger Lehre und Schrift
vorgenommen und zu Ende geführt werden ſolle. Die wei-
tern Anträge der Churfürſten verwarf er doch nicht geradezu:
er bat nur auch in dieſer Hinſicht um das volle Vertrauen
der Stände.


1 Staͤdtiſches Gutachten bei Saſtrow 143.
2 Wie ſich Sfondrato beſchwert, Pallav. X, vi, 121.
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[8/0020] Neuntes Buch. Erſtes Capitel. worfen ſeyn ſolle: eine Reformation an Haupt und Glie- dern brachten ſie aufs neue in Anregung. Und noch leb- hafter drückten ſich die Städte aus. Die Entſcheidung über die ſtreitigen Artikel dürfe mit nichten Sr Hoheit dem Papſt (das Wort Heiligkeit vermieden ſie) und den Anhängern deſſelben überlaſſen, ſie müſſe frommen, gelehrten, gottesfürch- tigen und von allen Ständen dazu auserwählten Perſo- nen, die von jeder Verpflichtung befreit worden, anheim- geſtellt werden. 1 Auf Forderungen dieſer Art konnte und mochte Carl V nun zwar in dieſem Augenblicke nicht eingehn. Auf keinen Fall aber war ihm ein Beſtreben zuwider, das auf eine Er- höhung der kaiſerlichen Gewalt und eine Einſchränkung der- jenigen zielte, mit der er alle ſeine Tage zu kämpfen gehabt und ſo eben wieder in heftige Irrungen verwickelt war. Am Reichstag verlautete das Wort, daß der Kaiſer Präſident des Conciliums ſeyn müſſe, nicht der Papſt. In den Reichs- beſchlüſſen war von keinem Vorbehalt päpſtlicher Einwilli- gung die Rede; 2 der Kaiſer verſprach in ſeinem eignen Na- men, daß das Concilium in Trient gehalten, und die ganze Tractation — er bediente ſich hiebei der Ausdrücke, die die weltlichen Churfürſten gebraucht und die auf die älteſten Schlüſſe in dieſer Sache zurückwieſen — gottſelig, chriſtlich, nach göttlicher und der alten Väter heiliger Lehre und Schrift vorgenommen und zu Ende geführt werden ſolle. Die wei- tern Anträge der Churfürſten verwarf er doch nicht geradezu: er bat nur auch in dieſer Hinſicht um das volle Vertrauen der Stände. 1 Staͤdtiſches Gutachten bei Saſtrow 143. 2 Wie ſich Sfondrato beſchwert, Pallav. X, vi, 121.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/20>, abgerufen am 22.11.2024.