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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843.

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Reichstag zu Augsburg 1547. Concilium.
die Publication der zu Trient gefaßten Beschlüsse gemißbil-
ligt, so traten ihm auch darin die Stände bei. Die Für-
sten, denen jene Festsetzungen wenigstens amtlich noch nicht
mitgetheilt worden, forderten, wenn in den streitigen Arti-
keln bereits etwas beschlossen sey, so müsse das doch aufs
neue vorgenommen und vor allem erst die Erklärung der
Protestirenden darüber gehört werden. 1 Jene dogmatischen
Bestimmungen, auf welchen später die Rechtgläubigkeit der
katholischen Kirche zu beruhen geschienen, wollte fürs Erste
so wenig das Reich wie der Kaiser anerkennen. Es ver-
steht sich, daß die protestantisch-gesinnten Mitglieder beider
Räthe hierin noch eifriger waren. Die weltlichen Churfür-
sten forderten ausdrücklich die Reassumtion der schon be-
schlossenen Artikel: sie fügten hinzu, nur nach der Norm der
göttlichen Schrift würden dieselben zu entscheiden seyn. Die
Stimmung zeigte sich überhaupt ganz entschieden. Verge-
bens trug Leonhard Eck darauf an, daß man, um weiter-
gehende Fragen abzuschneiden, den Papst als Vorsitzer des
Conciliums bezeichnen solle: die Zeiten seines Einflusses und
Übergewichts waren vorbei; in dem Rathschlag des Für-
stenrathes findet sich nichts hievon. Dagegen lautet das
Gutachten der weltlichen Churfürsten dahin, daß der Papst
die Mitglieder des Conciliums aller Pflichten, mit denen sie
ihm verwandt seyen, erledigen, und dem Concilium unter-

1 "Ob auch im vhall von etlichen streitigen Artikeln im Con-
cilio zu Triendt geredt oder beschlossen worden wäre, welches doch nit
vor Augen, das dennoch nichtsdesteminder dieselbigen Artikel wiederum
für hand genommen und die protestirenden genugsamlich darauf ver-
hort und von inen gute rechenschaft irer lere und glauben vernom-
men werde."

Reichstag zu Augsburg 1547. Concilium.
die Publication der zu Trient gefaßten Beſchlüſſe gemißbil-
ligt, ſo traten ihm auch darin die Stände bei. Die Für-
ſten, denen jene Feſtſetzungen wenigſtens amtlich noch nicht
mitgetheilt worden, forderten, wenn in den ſtreitigen Arti-
keln bereits etwas beſchloſſen ſey, ſo müſſe das doch aufs
neue vorgenommen und vor allem erſt die Erklärung der
Proteſtirenden darüber gehört werden. 1 Jene dogmatiſchen
Beſtimmungen, auf welchen ſpäter die Rechtgläubigkeit der
katholiſchen Kirche zu beruhen geſchienen, wollte fürs Erſte
ſo wenig das Reich wie der Kaiſer anerkennen. Es ver-
ſteht ſich, daß die proteſtantiſch-geſinnten Mitglieder beider
Räthe hierin noch eifriger waren. Die weltlichen Churfür-
ſten forderten ausdrücklich die Reaſſumtion der ſchon be-
ſchloſſenen Artikel: ſie fügten hinzu, nur nach der Norm der
göttlichen Schrift würden dieſelben zu entſcheiden ſeyn. Die
Stimmung zeigte ſich überhaupt ganz entſchieden. Verge-
bens trug Leonhard Eck darauf an, daß man, um weiter-
gehende Fragen abzuſchneiden, den Papſt als Vorſitzer des
Conciliums bezeichnen ſolle: die Zeiten ſeines Einfluſſes und
Übergewichts waren vorbei; in dem Rathſchlag des Für-
ſtenrathes findet ſich nichts hievon. Dagegen lautet das
Gutachten der weltlichen Churfürſten dahin, daß der Papſt
die Mitglieder des Conciliums aller Pflichten, mit denen ſie
ihm verwandt ſeyen, erledigen, und dem Concilium unter-

1 „Ob auch im vhall von etlichen ſtreitigen Artikeln im Con-
cilio zu Triendt geredt oder beſchloſſen worden waͤre, welches doch nit
vor Augen, das dennoch nichtsdeſteminder dieſelbigen Artikel wiederum
fuͤr hand genommen und die proteſtirenden genugſamlich darauf ver-
hort und von inen gute rechenſchaft irer lere und glauben vernom-
men werde.“
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[7/0019] Reichstag zu Augsburg 1547. Concilium. die Publication der zu Trient gefaßten Beſchlüſſe gemißbil- ligt, ſo traten ihm auch darin die Stände bei. Die Für- ſten, denen jene Feſtſetzungen wenigſtens amtlich noch nicht mitgetheilt worden, forderten, wenn in den ſtreitigen Arti- keln bereits etwas beſchloſſen ſey, ſo müſſe das doch aufs neue vorgenommen und vor allem erſt die Erklärung der Proteſtirenden darüber gehört werden. 1 Jene dogmatiſchen Beſtimmungen, auf welchen ſpäter die Rechtgläubigkeit der katholiſchen Kirche zu beruhen geſchienen, wollte fürs Erſte ſo wenig das Reich wie der Kaiſer anerkennen. Es ver- ſteht ſich, daß die proteſtantiſch-geſinnten Mitglieder beider Räthe hierin noch eifriger waren. Die weltlichen Churfür- ſten forderten ausdrücklich die Reaſſumtion der ſchon be- ſchloſſenen Artikel: ſie fügten hinzu, nur nach der Norm der göttlichen Schrift würden dieſelben zu entſcheiden ſeyn. Die Stimmung zeigte ſich überhaupt ganz entſchieden. Verge- bens trug Leonhard Eck darauf an, daß man, um weiter- gehende Fragen abzuſchneiden, den Papſt als Vorſitzer des Conciliums bezeichnen ſolle: die Zeiten ſeines Einfluſſes und Übergewichts waren vorbei; in dem Rathſchlag des Für- ſtenrathes findet ſich nichts hievon. Dagegen lautet das Gutachten der weltlichen Churfürſten dahin, daß der Papſt die Mitglieder des Conciliums aller Pflichten, mit denen ſie ihm verwandt ſeyen, erledigen, und dem Concilium unter- 1 „Ob auch im vhall von etlichen ſtreitigen Artikeln im Con- cilio zu Triendt geredt oder beſchloſſen worden waͤre, welches doch nit vor Augen, das dennoch nichtsdeſteminder dieſelbigen Artikel wiederum fuͤr hand genommen und die proteſtirenden genugſamlich darauf ver- hort und von inen gute rechenſchaft irer lere und glauben vernom- men werde.“

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/19>, abgerufen am 28.03.2024.